Die Hauptversammlungen der Commerzbank waren für ihren Chef Martin Blessing in den vergangenen Jahren stets Übungen in Duldsamkeit. Die Ergebnisse der Bank hatten oft negativ überrascht, der Aktienkurs war tiefer und tiefer gefallen, aufgebrachte Anteilseigner beschimpften den Vorstandsvorsitzenden deshalb lautstark als „Pfui-Banker“ oder „Nudel, die am Topf klebt“.
Wenn Blessing an diesem Mittwoch den Eigentümern der Bank nach acht Jahren im Amt zum letzten Mal Rede und Antwort steht, wird ihre Kritik zwar nicht verstummt sein, aber doch deutlich milder ausfallen. Seine Abschiedsbilanz fällt versöhnlich, fast schon zu versöhnlich aus. Immerhin haben die Aktien der Bank unter seiner Ägide rund 90 Prozent an Wert verloren.
Doch die Aktionäre haben sich an Kummer gewöhnt. Blessings Wirken an der Spitze des zweitgrößten deutschen Instituts hatte 2008 mit einem großen Knall begonnen, von dessen Nachhall sich die Bank erst in den vergangenen drei Jahren einigermaßen erholt hat.
Wenige Wochen nach Blessings Amtsantritt kaufte die Commerzbank der Allianz die Dresdner Bank ab. Es war die bis heute größte Transaktion zwischen deutschen Finanzinstituten und noch heute halten einige in der Commerzbank diesen Schritt für eine gute Idee. In ihrer Version war alles gut durchdacht und hätte auch gut funktioniert, wenn nur der Zeitpunkt etwas weniger unglücklich gewesen wäre.
Zwei Wochen nach Verkündung des Deals ging die Investmentbank Lehman Brothers pleite. Von da an war nichts mehr wie es war, die Commerzbank geriet quasi unverschuldet in eine schwere Schieflage, aus der sie der Staat mit rund 18 Milliarden Euro retten musste.
10 Fragen zur neuen europäischen Einlagensicherung
Für die Sicherung von Spareinlagen gelten seit diesem Jahr einheitliche Regeln in Europa. Danach sollen je Konto 100.000 Euro gesetzlich geschützt sein. Aber noch haben nicht alle Staaten diese Vorschriften umgesetzt. In Deutschland ist die Sicherung deutlich höher, weil private Banken im Pleitefall Guthaben je nach Höhe ihres Eigenkapitals Kontoinhaber in Millionenhöhe entschädigen. Sparkassen oder Volksbanken lassen es laut Satzung gar nicht erst zu Pleiten einzelner Institute kommen, sodass theoretisch Guthaben in jeder Höhe geschützt sind.
Nein, denn die Schutzregeln ändern sich durch die europaweite Einlagensicherung nicht. Sie sorgen allerdings dafür, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob eine Bank in einem überschuldeten Staat wie Griechenland sitzt oder in einem Land mit relativ ausgeglichenem Haushalt wie derzeit Deutschland. Zunächst steigt also nur der Schutz von Sparern in Krisenländern.
Nach den Plänen aus Brüssel soll es 2017 losgehen. Es gibt aber eine lange Übergangsphase bis 2024. Je nachdem wie der Gesetzgebungsprozess läuft, könnte es aber auch ein bis zwei Jahre länger dauern.
Nur solche Länder können auf zusätzliches Geld aus dem europäischen Einlagensicherungsfonds zugreifen, die ihre nationalen Sicherungstöpfe schon gefüllt haben. Der Schutz greift, wenn eine Pleitebank nach den Regeln des europäischen Abwicklungsmechanismus SRF stillgelegt wird.
Sie soll verhindern, dass Sparer Geld verlieren, nur weil ihre verschuldeten Heimatstaaten den Bankensektor des Landes destabilisieren. Die Verlagerung der Einlagensicherung weg von der nationalen auf die europäische Ebene soll den Sparerschutz unabhängig von der Finanzlage einzelner Mitgliedstaaten machen.
Vorbild ist die seit 1934 geltende Einlagensicherung für Banken in den USA. Diese gilt unabhängig davon, in welchem Bundesstaat eine Bank sitzt. Das bedeutet: Bekommt ein Bundesstaat Finanzprobleme, müssen sich die Sparer dieses Staats trotzdem nicht um ihre Bankeinlagen sorgen.
Die EU-Kommission will 45 Milliarden Euro von den Banken einsammeln. Allerdings leisten seine keine höheren Beiträge an die Sicherungsfonds als bisher, weil die Anteile für den europäischen Fonds von den Beiträgen an die nationalen Fonds abgezogen werden.
Diese werden ab 2024 nicht mehr gebraucht, um den gesetzlichen Schutz von 100.000 Euro je Konto aufrecht zu erhalten. Sie können aber als freiwillige nationale Zusatzversicherungen weiter genutzt werden.
Die europäische Einlagensicherung gilt für Großbanken und Landesbanken. Für Sparkassen und Volksbanken greift die Regelung nicht.
Nein, denn Sparer verlieren bei Bankenpleiten kein Geld, genau dafür soll der Einlagenschutz sorgen. Deutsche Steuerzahler und auch die Steuerzahler anderer EU-Länder haften allerdings auf ganz anderem Wege für die Schieflage des griechischen Finanzsystems – nämlich über die Kapitalspritzen für griechische Banken im Rahmen der Hilfsprogramme. Auch das soll die EU-Einlagensicherung verhindern, indem sie alle Staaten gleichermaßen zwingt, für den Schutz ihrer Sparer vorzusorgen.
Diese Sicht der Dinge ist heute genauso falsch wie 2009. Mit der Übernahme der ungefähr gleich großen Dresdner Bank wäre die Commerzbank schon in ruhigerem Umfeld an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit gestoßen. Doch im August 2008 hatten die vom US-Häusermarkt ausgehenden Verwerfungen schon seit rund einem Jahr tiefe Spuren in den Bilanzen der Banken hinterlassen.
Warnende Stimmen hatte die Bankführung jedoch ignoriert. Dabei war auch vor dem Höhepunkt der Krise schon durchaus fraglich, ob die Commerzbank diese alleine weitgehend unbeschadet überstehen würde. Die von seinem Vorgänger und Förderer Klaus-Peter Müller verantwortete und von Blessing als Vorstand mitgetragene Übernahme des Immobilienfinanzierers Eurohypo Ende 2005 entpuppte sich in der Folge jedenfalls als Milliardengrab.
Es lässt sich kaum nachvollziehen, ob die Commerzbank letztlich nicht eher ein Eurohypo- als ein Dresdner-Bank-Problem hatte. Beide Übernahmen zusammen zeugen jedoch immer noch von eklatanter Selbstüberschätzung.
Letztlich ist das heute aber fast gleichgültig. Trotz der Milliardenverluste durfte Blessing anders als seine Pendants in anderen Krisenbanken damals weitermachen. Man kann ihm zugutehalten, dass er durchgehalten hat, obwohl er wie kaum ein anderer Unternehmenslenker angefeindet und dafür auch noch relativ bescheiden bezahlt wurde. Letztlich ist es ihm trotz widrigster Umstände tatsächlich gelungen, die Dresdner Bank einigermaßen reibungslos zu integrieren und das Gesamtkonstrukt zu stabilisieren.
Auf diesem Weg gab es schwere Rückschläge. Die von Blessing 2009 als Fahrplan aus der Krise vorgestellte „Roadmap 2012“ scheiterte grandios, statt mit stabilen Ergebnissen zu glänzen schockte die Bank mit Gewinnwarnungen. Kaum einmal hat das Management eines Dax-Konzerns seine Ziele derart deutlich verfehlt wie damals Blessing.