Commerzbank Warum der Bund bald aussteigen könnte

Ein Verkauf der deutschen Staatsbeteiligung an der Commerzbank ist mehr als nur Spekulation. Es gibt dafür auch gute Argumente - allen staatlichen Beteuerungen zum Trotz.

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Es ist nicht sicher, dass BNP Paribas die Commerzbank kauft. Es ist auch nicht sicher, dass der Bund seinen Anteil bald verkauft. Ein möglicher Ausstieg steht aber wieder auf der Agenda. Quelle: REUTERS

Wann geht er raus? Seit Wochen gibt es immer wieder Unruhe um die Beteiligung des Bundes an der Commerzbank. Die hat auch die WirtschaftsWoche befördert, als sie berichtete, dass die Regierung in Berlin einen Einstieg der französischen Großbank BNP Paribas bei Deutschlands zweitgrößtem Institut gutheißen würde. Jüngste Meldungen aus Frankreich weisen in eine ähnliche Richtung. So hat der französische Regierungssprecher erklärt, dass die Regierung in Paris eine Annäherung beider Banken unterstützen würde.

Gleichzeitig hat sich der Aufsichtsratschef von BNP äußerst zurückhaltend geäußert. Und auch das Berliner Finanzministerium hat die Erwartungen gedämpft.

Kein eindeutiges Dementi

Ist die Sache damit also erledigt? Es lohnt sich ein genauerer Blick. BNP-Verwaltungsratschef Jean Lemierre hat gesagt, dass er kurzfristig nicht mit grenzüberschreitenden Fusionen rechnet. Ein eindeutiges Dementi ist das nicht. Und das deutsche Finanzministerium betont in seinen Stellungnahmen, dass derzeit nicht über einen Verkauf des Anteils an der Commerzbank verhandelt wird.

Das hat auch niemand behauptet. Konkrete Verhandlungen sind schließlich schon deshalb ausgeschlossen, weil sich in Berlin erst mal eine neue Regierung finden muss. Dass in den nächsten Wochen ein Kaufvertrag geschlossen wird, ist schon deshalb äußerst unwahrscheinlich. Dass der Ausstieg in absehbarer Zeit kommt, nicht. Die Beamten in Berlin haben das Thema lange vertagt. Nun gibt es wieder Überlegungen über eine Trennung in absehbarer Zeit.

von Saskia Littmann, Cornelius Welp

Und dafür gibt es gute Gründe. So erklärt das Ministerium, dass der Bund keine Eile hat und ein für den Steuerzahler möglichst gutes Ergebnis erzielen will. Das ist löblich, schließt aber nicht aus, dass Berlin mit Verlust aus der Beteiligung aussteigt. Derzeit würde der Bund sein Engagement selbst dann mit einem Milliardenminus beenden, wenn ein Käufer einen Aufschlag für sein Aktienpaket zahlt. Der Aktienkurs hat sich zwar zuletzt erholt, der Wert des Bundesanteils von 15 Prozent ist aber noch weit vom Einstiegsniveau entfernt.

Die Commerzbank braucht den Bund nicht mehr

Das ist er nun aber schon seit fast neun Jahren. Nach so langer Zeit stellt sich dann schon die Frage, warum es demnächst so viel besser werden soll. Die Commerzbank gewinnt derzeit zwar jede Menge Kunden dazu. Bisher hat sie mit denen aber nicht deutlich mehr Gewinn gemacht und dass das irgendwann klappt, ist keineswegs sicher. Langes Warten ist für den Bund auch nicht ohne Risiko. Denn wenn es mit der deutschen Konjunktur irgendwann mal wieder abwärts geht, trifft das die fast ausschließlich in Deutschland aktive Commerzbank besonders empfindlich. Und macht „ein möglichst gutes Ergebnis“ bis auf weiteres unmöglich.

„Retten ist leider kein lukratives Geschäft“, hat der kürzlich verstorbene damalige Chef des Soffin Hannes Rehm schon 2010 gesagt. Der Sinn der Staatshilfen in der Finanzkrise war es gerade eben nicht, mit diesen Gewinn zu machen. Erklärtes Ziel war eine (vorübergehende) Stabilisierung angeschlagener Institute. Diese Aufgabe ist längst erfüllt. Die Commerzbank braucht den Bund nicht mehr. Sie funktioniert auch so.

Damit steht der Bund dann doch unter latentem Rückzugsdruck. Denn die Konstellation ist nicht vergleichbar mit anderen Staatsunternehmen. Anders als die Telekom und die Deutsche Post ist die Commerzbank kein (teil)privatisierter Staatsbetrieb sondern ein (teil)verstaatlichtes Privatunternehmen. Mit der Förderbank KfW, den Landesbanken und den Sparkassen ist der öffentliche Bankensektor in Deutschland wahrlich groß genug.

Es ist überhaupt nicht sicher, dass BNP Paribas die Commerzbank kauft. Es ist auch nicht sicher, dass der Bund seinen Anteil bald verkauft. Es kann auch anders kommen. Alle Überlegungen sind in einem frühen Stadium. Aber es wird auch nicht nur über das Thema spekuliert. Ein möglicher Ausstieg steht wieder auf der Agenda. Das ist gut so. Es ist an der Zeit.

Weniger Filialen, weniger Mitarbeiter
Kreditbanken Alle deutschen Privatbanken – sowohl die Großbanken, Regionalbanken wie auch die Zweigstellen ausländischer Banken – haben die Zahl ihrer Beschäftigten drastisch verringert. Von 171.200 Beschäftigten im Jahr 2014 waren Ende 2016 noch 166.050 übrig: Das ist ein Abbau von rund 5.000 Beschäftigten in drei Jahren. Bei der Entwicklung der Institutszahlen und der Zweigstellen ergibt sich jedoch kein einheitliches Bild. Quelle: Deutsche Bundesbank Quelle: dpa
GroßbankenDeutschlands Großbanken, zu denen die Bundesbank die Commerzbank, die Deutsche Bank, die Deutsche Postbank und Hypovereinsbank zählt, haben die Zahl der Zweigstellen rapide verringert. 7.443 Zweigstellen gab es noch 2014, im vergangenen Jahr waren es nur noch 7.005. Quelle: REUTERS
RegionalbankenDie Zahl der deutschen Regionalbanken – private Kreditinstitute, die mit oder ohne Zweigstellennetz nur in einer bestimmten Region Geschäfte betreiben – verringerte sich von 176 Instituten im Jahr 2014 auf 166 Institute. Im selben Zeitraum wurden 118 Zweigstellen geschlossen, damit gibt es 2016 noch 2.245 Filialen deutscher Regionalbanken. Quelle: dpa
Zweigstellen ausländischer Banken Besser sieht die Bilanz ausländischer Banken aus. Zwar hat sich auch bei ihnen die Zahl der in Deutschland tätigen Institute in den letzten drei Jahren von 115 auf 110 verringert. Gleichzeitig wurde jedoch das Zweigstellennetz ausgebaut. Nun haben ausländische Banken 156 Niederlassungen in Deutschland. 2014 waren es nur 148. Quelle: REUTERS
LandesbankenAuch bei den deutschen Landesbanken ist vieles in Bewegung: Die Institute, die gemeinsam vom jeweiligen Bundesland und den regionalen Sparkassen- und Giroverbänden getragen werden, reduzierten die Zahl der Zweigstellen von 408 auf 384. Knapp 2.000 Beschäftigte mussten in den letzten drei Jahren gehen. Ende 2016 zählte die Bundesbank noch 31.800 Stellen. Quelle: dpa
SparkassenAufmerksam verfolgt wurde in den letzten zwei Jahren der Rückbau des Zweigstellennetzes bei den Sparkassen. Wo früher in jedem noch so kleinen Ortsteil eine Sparkassenfiliale zu finden war, müssen Kunden für eine persönliche Beratung nun häufig bis ins Stadtzentrum fahren. Kein Wunder: Von ehemals 11.951 Zweigstellen sind 2016 nur noch 10.555 vorhanden, also rund 1.500 weniger. Das hatte auch Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahl: Knapp 15.000 Sparkassenmitarbeiter mussten gehen, Ende 2016 waren noch 224.700 Menschen in Voll- oder Teilzeit bei einem öffentlich-rechtlichen Geldinstitut beschäftigt. Quelle: dpa
KreditgenossenschaftenAuch die Zahl der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken ist leicht gesunken. Die noch 975 Institute (2015: 1.050) bauten gut 100 Zweigstellen ab. Fast 7.000 der ehemals 158.700 Mitarbeiter mussten gehen. Auf den Sparkassen und Kreditgenossenschaften, deren Geschäftsmodelle auf das traditionelle Kreditgeschäft ausgerichtet sind, lastet ein zunehmender Margendruck. Dieser fällt im Vergleich zu den meisten anderen Bankengruppen höher aus, wofür die hohen Anteile der Sichteinlagen von inländischen privaten Haushalten sowie zahlreiche langfristige Wohnungsbaukredite verantwortlich sind, schreibt die Bundesbank in ihrem Bericht. Quelle: dpa

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