Compliance bei der Deutschen Bank Fern von Glanz und Gloria

Skandale bei der Deutschen Bank Quelle: imago images

Guter Ruf ist wie Kapital. Er schafft Vertrauen, und trägt zur Geschäftsentwicklung entscheidend bei. Einem schlechten Ruf aber kann man nicht einfach davonlaufen, auch wenn man sich noch so sehr Mühe geben mag.

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Ach herrje! Lang ist sie inzwischen geworden, die Liste der Vorwürfe gegen die Deutsche Bank. In regelmäßigen Abständen produziert das Bankhaus immer wieder negative Schlagzeilen. Vorgeblich geht es immer um das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter. Offshore-Leaks, Panama Papers und Luxemburg-Leaks bringen das Institut mit illegaler Steuervermeidung in Verbindung, hinzu kommen Themen wie die Manipulation der Referenzzinssätze LIBOR und EURIBOR sowie von Devisenkursen und mögliche Hilfeleistungen bei der Geldwäsche.

All diese Vorgänge haben einen gemeinsamen Nenner: Angeblich hat nie jemand etwas bemerkt, nie will jemand etwas gewusst haben. Der Kreis der Schuldigen wird schnell auf ein paar wenige Einzeltäter eingegrenzt. Besonders deren Vorgesetzten ist nie etwas aufgefallen.

Noch im April 2018 hat Sylvie Matherat, im Vorstand der Bank zuständig für Compliance und Regulierung, verkündet, dass man „die Deutsche Bank aufgeräumt habe“. Der Konzern habe „Altlasten abgebaut, und die Bilanz bereinigt“. Und die überwiegende Mehrheit der größten und wichtigsten Rechtsfälle, die das Institut teilweise Strafen in Milliardenhöhe kosteten, sei abgeschlossen.

Liest man diese Sätze nun erneut, drängt sich der Eindruck auf, dass hinter den vollmundigen Aussagen sehr viel Wunschdenken, wenn nicht sogar Blauäugigkeit steht. Denn es ist erst wenige Tage her, dass Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft die Zentrale der Bank wegen eines neuen Verdachts der Geldwäsche durchsuchten. Deshalb drängen sich weitreichende Fragen auf: Hat die Bank wirklich so konsequent aufgeräumt, dass künftiges Fehlverhalten, wenn nicht ausgeschlossen, so doch äußerst unwahrscheinlich ist? Hat man oder in diesem Fall Frau Matherat zu viel versprochen? Gibt es weitere Haftungsrisiken, die Aktionäre und Führung der Bank bisher unterschätzt haben?

Eins vorweg: An vielen Stellen in der Deutschen Bank wird weiterhin oder mehr denn je exzellente Arbeit geleistet. Insbesondere in den ungeliebten Filialen verleihen viele Mitarbeiter der eigenen Bank ein besseres Gesicht als dies der Zentrale und den Vorständen seit langem gelingen mag. Die Beschäftigten dort haben sich oft noch an dem Motto orientiert, dass der legendäre Chef Hermann Josef Abs dem Institut mitgegeben hatte: „Eine Bank lebt von den schlechten Geschäften, die sie unterlässt.“

Masse statt Klasse

Dabei ist die Führung der Bank nicht untätig gewesen: So hat sie für Themen wie die Bekämpfung von Finanzkriminalität hunderte neuer Stellen geschaffen. Die Beschäftigten dort sind zuerst einmal ein reiner Kostenfaktor. Und es fragt sich, ob das Institut durch den Personalaufbau wirklich viel gewonnen hat. Oft entsteht so nur ein Apparat, der sich selbst verwaltet, im Weg steht und insbesondere auf den oberen Etagen eines Unternehmens nur wenig Akzeptanz findet. Kontrolleure und Prüfer laufen der Wirklichkeit immer hinterher und halten den Betrieb auf. Ob sie Problemfälle nachträglich aufdecken dürfen oder wollen, ist oft fraglich. Zudem stellt sich die wichtigste aller Fragen: wer kontrolliert die Kontrolleure?

Gerade in der Finanzbranche haben die Geschäftsprozesse heute eine Komplexität und Tragweite erreicht, die weder durch Einzelne noch durch eine Abteilung wirklich handhabbar sind. Stattdessen müssen standardisierte Prozesse durch standardisierte Abläufe gesteuert werden. Alles, was nachweisbar nicht dem Tagesgeschäft entspricht, ist auffällig. Bei richtiger Handhabung schließt das ein Versagen des internen Kontrollsystems aus. Denn mit Computern und Software kann man nicht verhandeln. Damit Compliance wirklich funktioniert, braucht es außerdem eine angstfreie, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, eine schonungslose Anwendung des minimal erforderlichen Vier-Augen-Prinzips sowie eine transparente, gerichtsfeste Dokumentation. All das folgt einer einfachen Regel: Was transparent ist, ist compliant. Was nicht transparent ist, ist auch nicht compliant. Sichere und dadurch belastbare Geschäftsprozesse gelingen ausschließlich durch eine proaktive Steuerung im laufenden Verfahren. In diesem Sinne kann Compliance einen wirtschaftlich messbaren Beitrag zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ermöglichen. Nachträgliche Kontrollen und Prüfungen setzen immer einen „Tick“ zu spät an. Es liegt ein offensichtliches Miss-, ja sogar Unverständnis von Regeltreue vor. Darin liegt das eigentliche Grundübel, welches die Bank bereinigen muss.

Die laufenden Prozesse müssen so sicher gestaltet sein, dass Abweichungen vom Soll nicht möglich sind. Garantiert wird dies durch den Einsatz moderner und intelligenter EDV-Anwendungen und durch ein Minimum 06-bis 08-Augenprinzip im Rahmen der Prozesskette. Sprich: die in der Prozesskette tätigen, respektive verantwortlichen Personen sind für den störungsfreien, rechtskonformen Prozess verantwortlich. Wer tätig wird, steht mitten drin in der Gesamtverantwortung. Das erfordert aber auch, dass jeder der Beteiligten Verständnis und Übersicht über den Gesamtprozess besitzt.

Verantwortung statt Outsourcing

Effektive Compliance ist auch deshalb schwer, weil Verantwortlichkeiten oft unklar oder gar nicht vorhanden sind. Entscheider wollen nicht haften und verstecken sich hinter Prüfungsberichten von Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten. Sicher sind diese Anbieter grundsätzlich qualifiziert. Ihnen fehlen aber oft die Insiderkenntnisse ihrer Auftraggeber. Zudem lassen sie sich durch Regeln und Ausschlussklauseln in den Verträgen soweit es geht von jeder Haftung freistellen. Das Ergebnis ist dann häufig, dass niemand für Fehlverhalten wirklich verantwortlich ist.

Aufsicht statt Nachsicht

Gleiches gilt für viele Vertreter der Aufsichtsgremien. Gerne geben sich Kontrolleure mit einem externen Prüfbericht zufrieden, ohne die Umstände von dessen Entstehung, sowie seine Qualität und Tiefe ernsthaft zu hinterfragen. Wollten Aufsichtsräte Ihrer Pflicht wirklich nachkommen, müssten sie interne Kontroll- und Rechenschaftsberichte einfordern, für die leitende Mitarbeiter und Vorstände in Unternehmensverantwortung mit ihrem Vermögen haften. Das fällt besonders schwer, wenn frühere Vorstände des Unternehmens Mitglieder des Kontrollgremiums sind. Leider ist das in deutschen Unternehmen immer noch weit verbreitet.

Compliance gelingt nur, wenn sie Teil der Führungskultur von Vorstand und Aufsichtsrat ist und den Mitarbeitern als Teil der Wertekultur einer Bank oder eines Unternehmens vorgelebt wird. Dazu gehören die konsequente Rückabwicklung fragwürdiger Vorgänge sowie womöglich auch die Selbstanzeige. Juristen empfehlen immer noch häufig, erst einmal abzuwarten. Doch kaum ein Geheimnis hält ewig. Und in unseren medienbestimmten Zeiten wirkt die Aufdeckung dann oft toxisch, wie es die Deutsche Bank bereits mehrfach erfahren musste.

Bescheidenheit, Verbindlichkeit, Sachlichkeit, Verlässlichkeit und Professionalität waren die großen Werte, die die Deutsche Bank in der Nachkriegs- und Aufbauzeit zu dem internationalen Vorzeigeinstitut werden ließen, von dem heute nur noch ein Schatten übrig ist. Der aktuelle Chef Christian Sewing hat immerhin Rückgrat gezeigt und sich vor seine der Geldwäsche beschuldigten Mitarbeiter und somit auch vor die Bank gestellt. Viele andere Führungskräfte hätten vermutlich versucht, sich vornehm zurückzuhalten. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber auch der Anfang einer langen Reise.

Gegenwart ohne Zukunft

Weiter wie bisher heißt, die Deutsche Bank jeden Tag ein wenig mehr sterben zu lassen. Der Aktienkurs des Instituts spricht hierzu eine deutliche Sprache. Die Bank mutierte in den letzten Jahrzehnten vom Jäger zum potentiellen Übernahmekandidaten. Die Bank braucht einen resoluten Bruch mit sich selber in Fragen von Führung, Verantwortung, und „ja“, somit auch in Fragen von Compliance.

Zukunft nur mit Gegenwart

Visionen genießen in Deutschland nicht die gleiche Akzeptanz wie in anderen Industrienationen. Und trotzdem: will die Deutsche Bank wieder alte Größe(n) erreichen, auch am Aktienmarkt führt kein Weg an der Entwicklung und Umsetzung einer innovativen Vorwärtsstrategie. Dafür braucht es jetzt als deren Fundament das, was Frau Matherat schon Anfang des Jahres versprochen hat: eine saubere, krisenfreie Bank.

Wenn dies gelingen soll, und Sewing wirklich danach strebt, mehr zu sein als nur ein (Nachlass-)Verwalter schöner Reste, dann bleibt ihm gar nichts anderes übrig als einen radikalen Kurs- und Wertewechsel im Sinne einer eigenen „Stunde null“ für das Geldhaus einzuleiten und durchzusetzen. Anleger und Geldmarkt werden dies sicherlich begrüßen, werden aber auch ihm dafür nur eine einzige Chance geben. Leicht wird diese Herausforderung nicht zu meistern sein, denn die Feinde gegen einen solchen Neuanfang sitzen dabei nicht nur Außen.

„Wir müssen das, was wir denken, auch sagen. Wir müssen das, was wir sagen, auch tun. Und wir müssen das, was wir tun, dann auch sein“, sagte einmal Alfred Herrhausen. Die Zukunft der Deutschen Bank liegt auch in Ihrer Vergangenheit.

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