Die Unsicherheit im Bankensektor nach dem Kollaps mehrerer regionaler US-Banken hält die Anleger weiter in Atem. Insbesondere zeigte sich dies bei der angeschlagenen Investmentbank Credit Suisse, die obendrein nicht auf weitere Hilfe der Saudi National Bank bauen kann.
Für die Aktien des Schweizer Instituts ging es nach entsprechenden Aussagen eines Vertreters des Großaktionärs in einem Interview mit „Bloomberg TV“ rapide abwärts.
Die Credit-Suisse-Aktien brachen am Mittwoch in der Spitze um mehr als 30 Prozent auf ein Allzeit-Tief von 1,55 Franken ein. Im noch jungen Jahr verloren sie damit mehr als ein weiteres Viertel an Wert, nachdem sie bereits im Vorjahr um fast 70 Prozent eingebrochen waren. 2007 hatten sie noch mehr als 90 Franken gekostet.
Der Preis für die Absicherungen gegen Zahlungsausfälle von Anleihen der Credit Suisse zog weiter an. Fünfjährige Kreditausfallversicherungen für Schuldpapiere, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), stiegen auf 574 Basispunkte, wie Daten von S&P Market Intelligence zeigten. Zum Ende Vortages notierten die CDS noch auf 549 Punkten.
Dem Abwärtstrend folgten am Mittwoch auch die Titel des Schweizer Konkurrenten UBS mit mehr als vier Prozent Minus. Außerdem zogen die Verluste bei der Credit Suisse auch andere Banken-Titel in Europa und den USA mit sich. Rund um den Globus versuchten Aufsichtsbehörden, Regierungen und andere Finanzhäuser, die Risiken abzuschätzen. Einzelne Regierungen forderten die Schweiz hinter den Kulissen auf, einzuschreiten.
Am Abend dann zumindest eine beruhigende Nachricht für die Credit Suisse und ihre Anleger: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) gab bekannt der von einem Vertrauensschwund bedrohten Credit Suisse (CS) zur Hilfe zu eilen. „Die SNB wird im Bedarfsfall der CS Liquidität zur Verfügung stellen“, teilten die Notenbank und die Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Die Credit Suisse erfülle die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen bezüglich Kapital und Liquidität. Von den Problemen von Banken in den USA gehe keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt aus.
Europas Bankensektor zieht es bergab
Zeitgleich zur Credit-Suisse-Aktie ging es für den kompletten europäischen Bankensektor und den gesamten Aktienmarkt nach einer Stabilisierung am Vortag wieder stärker bergab: Der Branchenindex Stoxx Europe 600 Banks verlor zuletzt fast sechs Prozent auf ein erneutes Tief seit Anfang Januar. Sein Jahresplus schrumpfte damit auf gut drei Prozent.
Während die Titel der Commerzbank und der Deutschen Bank ihre Verluste jeweils auf mehr als sieben Prozent ausweiteten, ging es vor allem für französische Banken wie BNP Paribas auch deutlich bergab.
US-Bankenaktien folgen Credit Suisse ins Minus
Auch für die Aktien der US-Geldinstitute ging es nach der Verschnaufpause vom Dienstag nun erneut ins Minus. Große Geldhäuser wie JP Morgan, Citigroup und Bank of America fielen im vorbörslichen Handel an der Wall Street zwischen 1,2 und 2,3 Prozent. Kleinere Geldinstitute wie First Republic, Peers Western Alliance und PacWest verloren zwischen 0,4 und sechs Prozent.
„Die Märkte sind wild. Wir bewegen uns von den Problemen der amerikanischen Banken zu denen der europäischen Banken, allen voran der Credit Suisse“, kommentierte Carlo Franchini, Chef der Geschäftskundensparte der Banca Ifigest.
„Bei der Credit Suisse ist es zu einem massiven Vertrauensverlust gekommen“, erklärte Stephan Sola, Manager des Plutos Schweiz Fonds. Kunden fragen sich, wie die Zukunft des Instituts aussehe. Es würde ihn nicht überraschen, wenn die Abflüsse von Kundengeldern wieder zugenommen hätten. „Die Bank muss eine Lösung suchen, die das Kunden-Vertrauen wiederherstellt.“
Neil Wilson, Marktanalyst bei Onlinebroker Markets.com erklärte, es sehe so aus, als ob immer mehr besorgte Investoren und Gegenparteien Credit Suisse als möglichen nächsten Wackelkandidaten betrachteten. „Wenn die Credit Suisse in ernsthafte existenzielle Schwierigkeiten gerät, sind wir in einer ganz anderen Welt des Schmerzes. Sie ist wirklich zu groß, um zu scheitern.“
Keine Stütze für Credit Suisse
Der Chairman der saudischen Bank, Ammar Abdul Wahed Al Khudairy, hatte in einem Interview mit „Bloomberg TV“ auf Nachfrage zusätzliche Unterstützung für die Credit Suisse kategorisch ausgeschlossen. Dafür gebe es vielerlei Gründe – nicht nur juristische und regulatorische. Die staatliche Saudi National Bank hat die Bank Ende 2022 mit einer Kapitalspritze gestützt und hält seit dem knapp zehn Prozent der Aktien und ist damit der größte Aktionär der angeschlagenen Bank. Zweitgrößter Aktionär ist der staatliche katarische Investmentfonds Qatar Investment Authority (QIA), der fast sieben Prozent der Anteile hält.
Anleger machen sich im internationalen Finanzsektor seit Tagen Sorgen, ausgehend vor allem vom Zusammenbruch der US-amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB). Die Analystin Beata Manthey von der US-Bank Citigroup etwa warnte am Mittwoch vor weiteren kurzfristigen Kursrisiken, zumal Investoren im Sektor noch üppig engagiert seien.
Branche unter Stress
So gelten Banken als Profiteure der Zinswende, da ihnen höhere Leitzinsen zugutekommen. Entsprechend stark hatten Investoren seit Monaten auf die Branche gesetzt. Der Analyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets stellt sich nunmehr die Frage, wie die EZB am Donnerstag im Rahmen ihres Zinsentscheids ihre zukünftige Geldpolitik kommuniziert – in einem Finanzmarkt-Umfeld, das „durch die ersten großen Bankenzusammenbrüche in den USA seit Lehman Brothers ziemlich unter Stress steht. Hier werden die Investoren ganz genau hinhören“.
Mit Blick auf die US-Notenbank gehen einige Experten bereits von einer Pause in der Zinswende im März aus, statt der bisher erwarteten kleinen Leitzinserhöhung. Damit würde die Bankenkrise auch die Inflationsbekämpfung bremsen.
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