Der Opern-Ball ist ein Seismograph für Österreich. In diesem Jahr fehlte die Finanz- und Wirtschaftselite. Die österreichischen Banken haben derzeit andere Sorgen, als sich für bis zu 18.500 Euro in einer Suite in der Wiener Staatsoper zu mieten, um Hof zu halten. Der Erste-Bank-Chef Andreas Treichl musste am Morgen nach den Opernball einen Gewinneinbruch von 87 Prozent eingestehen. Wegen der hohen Abschreibungen in Osteuropa erzielte die österreichische Großbank nur noch einen Nettogewinn von 61 Millionen Euro. Die CEOs wie der Banker Treichl halten sich wie die meisten seiner Kollegen von der Bussi-Bussi-Show im Dreivierteltakt fern. Fotos im Frack mit Juwelen behangener Gattin machen sich in diesen Zeiten in der Alpenrepublik gar nicht gut.
Und die Zeiten? Die sind gar nicht gut. Die 2009 verstaatlichte Hypo Alpe Adria hängt Österreich wie ein Mühlstein um den Hals. Dieser Mühlstein wird von Monat zu Monat schwerer. Seit rund fünf Jahren wird Abwicklung der Kärntner Skandalbank schon auf die lange Bank geschoben. Das rächt sich. Nach Angaben der österreichischen Nationalbank könnte eine Insolvenz der früheren Tochter der Bayerischen Landesbank mittlerweile bis zu 26 Milliarden Euro kosten. Auf das zehnmal größere Deutschland übertragen wären das Kosten von 260 Milliarden Euro für den Steuerzahler. Im Vergleich zu den deutschen Abwicklungsfällen wie Hypo Real Estate oder der West LB ist die österreichische Hypo Alpe Adria ein finanzpolitisches Monster.
Und dieses Monster weiß die Politik nicht zu bändigen. Heerscharen von Beratern, allen voran die Unternehmensberatung Oliver Wyman, haben für teuer Geld Szenarien für eine Abwicklung entwickelt. Doch die Große Koalition aus der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP konnte sich noch nie zu einer Entscheidung durchringen. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und sein Vize, Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) wissen: Sie haben nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Denn eine Bad Bank zur Abwicklung der faulen Altlasten des vom inzwischen verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider protegierten Geldinstituts treibt die ohnehin hohe Staatsverschuldung in die Höhe. Das Rating des Landes und seiner Banken würde sich dramatisch verschlechtern. Eine Insolvenz wiederum erschüttert den Finanz- und Wirtschaftsstandort Österreich in seinen Grundfesten – mit unabsehbaren Folgen.
Die wichtigsten Fakten zur Krim
Nach dem Umsturz in der Ukraine richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Halbinsel Krim, wo Russland seine Schwarzmeerflotte stationiert hat und wo russische Soldaten am Freitag den Flughafen der Stadt Sewastopol abriegelten. Die Halbinsel ist traditionell pro-russisch und geografisch, historisch und politisch vom Rest des Landes getrennt. Hier eine wichtige Fakten zur Krim:
Die Halbinsel - bis auf eine schmale Landverbindung eigentlich fast eine Insel - ragt ins Schwarze Meer. An der Ostküste reicht ein Landstreifen fast bis an das russische Festland heran. Im Westen ist die Krim vor allem bekannt als Ort der Jalta-Konferenz von 1945. Dort trafen sich die Sieger des Zweiten Weltkriegs - der sowjetische Diktator Josef Stalin, US-Präsident Franklin Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill -, um die Nachkriegsordnung für Europa zu besprechen.
1954 schlug Stalins Nachfolger Nikita Chruschtschow die Krim seiner Heimat Ukraine zu, die damals zur Sowjetunion gehörte. Bis zum Zusammenbruch der UdSSR 1991 spielte das praktisch keine Rolle. Dann aber wurde die Krim Teil der unabhängigen Ukraine. Nach wie vor sehen sich knapp 60 Prozent der zwei Millionen Einwohner dort als Russen.
An der Südküste der Krim liegt die Hafenstadt Sewastopol. Dort ist die russische Schwarzmeerflotte mit tausenden Soldaten und Militärangehörigen stationiert. 2009 drohte die damalige ukrainische Führung, Russland müsse die Flotte bis 2017 abziehen. Doch nach der Wahl von Viktor Janukowitsch zum Präsidenten 2010 war davon keine Rede mehr: Er stimmte einer Stationierung der Flotte bis 2042 zu.
Die Krimtataren waren 1944 unter Stalin brutal deportiert worden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 durften sie auf die Krim zurückkehren. Sie machen jetzt etwa zwölf Prozent der Bevölkerung dort aus. In dem Machtkampf der vergangenen Monate hatten sie sich auf die Seite der Janukowitsch-Gegner gestellt.
Mitte des 19. Jahrhunderts führte Russland einen militärischen Konflikt über das Gebiet: den Krim-Krieg gegen das Osmanische Reich, dem Frankreich, Großbritannien und andere zu Hilfe geeilt waren. Hauptinteresse Russlands war der Zugang zum Schwarzen Meer. Doch konnte das Zarenreich sich das Gebiet trotz des blutigen Konflikts in den Jahren 1853 bis 1856 nicht sichern. Es wurde für neutral erklärt. Berühmt ist seit diesem Krieg die britische Krankenschwester Florence Nightingale, die sich um Verwundete auf der Krim kümmerte. Sie gilt als Begründerin der modernen Krankenpflege.
Die Ende vergangenen Jahres wieder gewählte Regierung in Wien hat sich in eine ausweglose Situation manövriert. Sie bringt nicht den Mut auf, schnell unbequeme und harte Entscheidung zu treffen. In landesüblicher Manier wird das Problem immer wieder hinaus gezögert. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass ein Aussitzen keine Chance auf Erfolg hat. Doch die Verantwortung wird klein geschrieben.
Eigentlich sollte diesen Montag die Expertengruppe unter Führung des österreichischen Notenbank-Chefs Ewald Nowotny ihre Empfehlung für ein Ende der Hypo Alpe Adria vorlegen. Doch mal wieder verzögert sich der Bericht. Nun soll ein Termin zwischen den Finanzexperten und der Politik frühestens Ende dieser Woche stattfinden. In der Finanzbranche löst diese Vorgehensweise nur noch verzweifeltes Kopfschütteln aus. Die Ratingagenturen sind sich uneinig. Fitch hatte vor einigen Tagen den Schlingerkurs der österreichischen Regierung bei der Abwicklung der Skandalbank gerügt, an dem bestehenden Spitzenrating „AAA“ jedoch festgehalten Bei Moody’s heißt es, die Risiken durch die ehemalige Tochter der Bayern LB seien geringer geworden.
Ohne frisches Geld geht es nicht
Merkel und Barroso in Berlin
Die Hypo Alpe Adria steht unterdessen mit dem Rücken zur Wand. Spätestens im April braucht die Klagenfurter Bank wieder frisches Steuergeld, um die Abwicklung weiter fortsetzen zu können.
Doch immer wenn es ernst wird, ducken sich die Eliten in der Alpenrepublik weg. Bundeskanzler Faymann und sein Vize Spindelegger finden für den Promi-Auftrieb auf den Opernball zwar Zeit, doch für kritische Fragen von Journalisten gibt es in deren Terminkalender keine Lücken. Seit Monaten weicht der farblose Regierungschef Faymann dem Thema Hypo aus. Ein Aufschrei der Öffentlichkeit bleibt aus.
Die Verantwortungslosigkeit ist längst Teil der DNA der Zweiten Republik. Das Wiener Theaterleben war seit jeher ein guter Gradmesser für die Lagen und die Schieflagen in Österreich. Das verantwortungslose Finanzchaos am Burgtheater besitzt in dieser Zeit Symbolcharakter. In dem Staatsbetrieb haben sich der Verdacht auf Bilanz- und Urkunden- sowie Beweismittelfälschung, Geldwäsche und Untreue durch die ehemalige Vizedirektorin Silvia Stantejsky erhärtet. Das erbrachte Ende vergangener Woche eine Untersuchung von KPMG. Das Schlimmste: Den Manager der Staatsbühne waren die angeblich kriminellen Machenschaften in der Burg gar nicht aufgefallen.
Im trostlosen Nurejew-Saal, nur wenige Schritte von der Wiener Staatsoper, stellt sich einer der Verantwortlichen kritischen Fragen. Ganz in Schwarz gekleidet, nimmt der Holdingschef der österreichischen Bundestheater, Georg Springer, auf einem harten, ebenfalls schwarzen Holzstuhl Platz. Die Szenerie erinnert an eine Beerdigung. Und tatsächlich trägt Springer etwas zu Grabe: seine Unversehrtheit. Und er macht etwas sehr Unösterreichisches. Er bekennt sich wenigstens zu seiner Mitschuld. „Ja, ich bin mitverantwortlich. Das ist überhaupt keine Frage“, sagte der Aufsichtsratschef des Wiener Burgtheaters. Stille.
Doch Konsequenzen zieht der promovierte Jurist nicht. In anderen Ländern wäre der Rücktritt nach dieser Aussage folgerichtig gewesen. Doch in Österreich ticken die Uhren anders. Der 63-jährige Holdingchef wird bis zum Ende seines Vertrags, nämlich bis 31. Dezember 2014, im Amt bleiben. So viel ist sicher. Mit seiner Haltung ist er nicht allein. Auch Burgtheaterchef Matthias Hartmann, der den öffentlichen Auftritts Springers persönlich mitverfolgte, beruft sich darauf, dass er sich vor allem um die Künste, nicht um die Bilanzen kümmert. Auch Hartmann, ein deutscher und früher Intendant in Bochum, will selbstverständlich bleiben.
Der Mangel an Verantwortung und die fehlende Rücktrittskultur verschärfen die Probleme der Alpenrepublik an allen Fronten. „Wenn eine Person in höchster Verantwortung ein System außer Kraft setzt, haben Sie keine Möglichkeiten draufzukommen, bis zu dem Zeitpunkt, in dem alles explodiert“, sagte der Theatermann Springer. Doch ist das wirklich wahr? Meistens ist es eine ganze Clique, die ein System außer Kraft setzt.
Unsaubere Geschäfte bringen Vorstände hinter Gitter
Die Hypo Alpe Adria ist dafür ein Musterbeispiel. In der vergangenen Woche hat das Klagenfurter Landesgericht gleich drei Hypo-Vorstände hinter Gitter gebracht, weil sie unsaubere Geschäfte um Vorzugsaktien betrieben haben. Ex-Vorstandschef Wolfgang Kulterer erhielt zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr. Der geständige Finanzmanager war bereits in anderen Hypo-Prozessen zu fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Ex-Hypo-Vorstand Siegfried Grigg muss für dreieinhalb Jahre hinter Gitter. Der ehemalige Hypo-Vorstand Josef Kircher, der durch sein umfangreiches Geständnis die unsauberen Geschäfte um Vorzugsaktien aufgeklärt hatte, erhält eine Haftstrafe von drei Jahren, davon zwei auf Bewährung.
Die früheren Hypo-Manager haben die ohnehin schwierige Situation der Bank zwischen 2006 und 2008 noch verschlechtert. Denn die Vorzugsaktien waren nach Meinung des Gerichts aufgrund geheim gehaltener Verkaufsoptionen nicht dem Eigenkapital der Kärntner Bank zuzurechnen. Aufgrund der Rückkaufgarantien für die neuen Gesellschafter wie der Flick-Privatstiftung ist die Bank nach Auffassung des Gerichts geschädigt worden. Wie verantwortungslos die Hypo-Manager agierten, zeigt eine Episode zur Fußball-Europa-Meisterschaft im Jahr 2008.
Im Juni 2008 ließ es sich die frühere Bayern LB-Tochter knapp 1,2 Millionen Euro kosten, Hunderte von Gästen zu EM-Spielen nach Klagenfurt einzuladen. Auch ein „Saujagd“ in Baden-Württemberg schlug mit 18.000 Euro zu Buche. Im gleichen Jahr brauchte die Bank 900 Millionen an staatlicher Hilfe aus Österreich und 700 Millionen von der Bayern LB, um nicht Pleite zu gehen.
Die Klagenfurter Bank ist bis heute ein Fass ohne Boden. Im vergangenen Jahr soll die Hypo Alpe Adria einen Verlust von 1,3 Milliarden Euro gemacht haben. Die Zahl wurde von einem Hypo-Sprecher auf Handelsblatt-Anfrage nicht dementiert. Mehr als eine Milliarde Euro an Steuergeldern flossen zuletzt in die Hypo, mit der der inzwischen verstorbene Rechtspopulist und Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider am großen Rad des internationalen Geldgeschäfts drehen wollte. Das ausgerechnet die FPÖ mit anderen Oppositionsparteien nun einen Untersuchungsausschuss im österreichischen Parlament fordert, ist auch Teil der historischen Verantwortungslosigkeit.
Österreich driftet beinahe unbemerkt nach rechts ab. Bereits bei den Wahlen zum Nationalrat wählt jeder dritte Österreicher eine Partei, die dem Euro und der europäischen Einigung ablehnend oder sehr kritisch gegenüber steht. Bei den kommenden Europa-Wahlen im Mai droht den beiden Volksparteien SPÖ und ÖVP eine schmerzliche Niederlage. Erstmals in der österreichischen Geschichte könnten die Rechtspopulisten unter Führung des FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zur stärksten politischen Kraft aufsteigen. Die FPÖ hat sich auf Europa-Ebene schon mit Rechtsaußen anderer EU-Länder wie der französischen Front National oder der italienischen Lega Nord verbündet.
Schmerzliche Folgen
Europa hat in Österreich noch nie Konjunktur gehabt, obwohl die Alpenrepublik seit rund zwei Dekaden in der EU von der europäischen Einigung profitiert hat wie kaum ein zweites Land. Österreich rückte vor 25 Jahren von der Peripherie wieder ins Zentrum Europas. Während in anderen Ländern bei Großprojekten große Schautafeln mit europäischer Flagge und der Summe der Subventionen aus Brüssel aufgestellt wurden, sucht man zwischen Salzburg und Neusiedler See vergeblich nach solchen Schildern. Österreichische Politiker schieben traditionell gerne die Verantwortung in Richtung EU, wenn es unangenehm wird. Spricht man österreichische EU-Kommissare darauf an, zucken sie hilflos mit den Schultern. Mit einer Haltung pro Europa lässt sich in dem Alpenland seit jeher kein Blumenstrauß gewinnen.
Unangenehm könnte es vor allem für die österreichische Banken werden. Sie haben sich in Osteuropa ordentlich verhoben. Die Folgen sind schmerzlich. Die Raiffeisen Bank International (RBI) legte den Verkauf ihrer ukrainischen Tochter Aval auf Eis. Die Suche nach einem neuen Eigentümer für Aval sei bereits seit mehreren Wochen unterbrochen, bekannte Bankchef Karl Sevelda. Grund dafür sei neben den politischen Umwälzungen die 2,8 Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung von RBI im Januar.
Die Krise in der Ukraine könnte für die ohnehin geschwächten österreichischen Banken böse Folgen haben. Die jüngsten Entwicklungen bezeichnete Die Erste, die sich 2013 aus der Ukraine zurückgezogen hatte, in einer Studie zu den Finanzmärkten in Osteuropa als „furchteinflößende Nachrichten“. Neben der Raiffeisen ist in dem Krisenland auch die Bank Austria präsent. Nach Angaben von Moody’s haben die beiden Banken Kredite von acht Milliarden Euro ausstehen. Besonders gefährlich: es handelt sich um Fremdwährungskredite.
Wien wird schon länger als einer der Zentren der Geldwäsche für osteuropäische Oligarchen und zwielichtige Politiker genannt. Das ist auch im Fall vermögender Ukrainer der Fall. Österreich hat auf Bitten der neuen ukrainischen Regierung österreichische Konten von 18 Ukrainern sperren lassen. Ein gutes Licht auf den österreichischen Finanzplatz werfen Kunden wie der ehemalige ukrainische Regierungschef Viktor Janukowitsch und sein Sohn Oleksander nicht.
Doch um Image geht es schon lange nicht. In Österreich geht es immer häufiger um Sein oder Nicht-Sein. Denn wenn es die beiden Volksparteien nicht schaffen, dass Finanz-Desaster unter Kontrolle zu kriegen, dann könnte das tektonische Machtverschiebungen zur Folge haben. Bereits im Nachbarland Ungarn sind derartige politische Folgen zu spüren. Dort regiert der Rechtspopulist Viktor Orban, der mit seiner Renationalisierung des Finanzwesens und der Landwirtschaft zwar ausländische Investoren verschreckt und dennoch Wahlen gewinnt.