Deutsche Bank 130 Prozent Kursgewinn – und trotzdem abgehängt

Mehr Schein als Sein: Die Deutsche Bank präsentiert gute Jahreszahlen – und steht im Vergleich mit anderen Geldhäusern trotzdem nur mäßig da. Quelle: dpa

Die Deutsche Bank macht fünf Milliarden Euro Gewinn – der höchste Wert seit Jahren. Das Problem: Die Konkurrenz enteilt ihr trotzdem. Und eine Sparte schwächelt gefährlich.

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Christian Sewing macht einen sehr zufriedenen Eindruck, als er am Vormittag ans Rednerpult tritt. Sein Grinsen weicht minutenlang nicht aus seinem Gesicht, als der Chef der Deutschen Bank am Donnerstag die Zahlen für das vergangene Jahr vorstellt: Sie fallen ziemlich gut aus – jedenfalls gemessen an der desaströsen jüngeren Vergangenheit von Deutschlands größtem Geldhaus.

Das Institut befand sich jahrelang in einem Abwärtsstrudel, die Einnahmen sanken immer weiter ab, ebenso der Aktienkurs. Zwar setzte sich diese Entwicklung erst einmal fort, als Sewing 2018 den Chefposten übernahm. Aber inzwischen ist der Konzern dem Treibsand-Zustand entronnen: Die Einnahmen steigen wieder. Und der Kurs auch, seit dem Tiefststand im Frühjahr 2020 hat die Aktie 130 Prozent hinzugewonnen. Und am Donnerstag trug Sewing vor, dass seine Mannschaft und er einen Gewinn von fünf Milliarden Euro erzielt haben – so viel wie seit Jahren nicht. Zugleich hat das Geldhaus zentrale Ziele erreicht, die sich das Institut gesetzt hatte. Sewing lobte seine Truppe und sich deshalb überschwänglich: Er sprach von einem „tollen Ergebnis“, die Bank sei „sehr stolz“, habe einen „Meilenstein“ erreicht und eine „erfolgreiche Transformation“ hinter sich. 

Ist Sewing also tatsächlich die Genesung eines Konzerns gelungen, der einmal als unheilbar krank, als todgeweiht galt?

Drei Thesen zur Lage der Deutschen Bank zeigen: Sewing war zumindest an der Gesundung beteiligt – zu beträchtlichen Teilen handelt es sich allerdings um eine Wunderheilung. Derweil leidet der Geldkonzern weiter an wunden Punkten und offenen Wunden, die Sewing erst noch verarzten muss.

1. Der Deutschen Bank geht es besser – aber nicht gut

Sewing feiert sich am Donnerstag vor allem dafür, dass der Konzern eine Rendite von neun Prozent erzielt und damit das eigene Ziel von acht Prozent übertroffen hat (für die Connaisseurs: Gemeint ist die Rendite, die den Gewinn relativ zum materiellen Eigenkapital der Bank misst). Zwar ist das ein Achtungserfolg: Als Sewing das Acht-Prozent-Ziel vor einigen Jahren ausgegeben hatte, war er dafür beinahe ausgelacht worden, weil es derart unrealistisch erschien.

Trotzdem geht es der Bank immer noch nicht richtig gut – jedenfalls gemessen an den Wettbewerbern, deren Renditen ebenfalls gestiegen sind. „Andere Banken erzielen deutlich mehr Rendite“, ordnet Dieter Hein, Bankenanalyst bei Fairesearch, ein. „Die Deutsche Bank hinkt weiten Teilen der Konkurrenz hinterher“, kommentiert er. So dürfte etwa die Schweizer UBS knapp 15 Prozent Rendite erzielen. Und für die Renditeanstiege fast aller Banken gibt es einen Grund.

2. Die Deutsche Bank hat Glück gehabt – mehrfach

Die Einnahmen der Geldhäuser sind in den vergangenen Monaten ohne deren Zutun gestiegen. Denn Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), hat seit dem vergangenen Sommer die Leitzinsen bis auf 2,5 Prozent angehoben, weil die Inflation wegen des Ukrainekrieges in den Galopp überging und bis auf zehn Prozent anstieg.

Jetzt erhalten die Geldhäuser wieder Zinsen von der EZB, wenn sie bei der Notenbank Gelder anlegen. Bis vor wenigen Monaten mussten Sewing und andere Bankbosse noch Minuszinsen an Lagardes Truppe zahlen. Zudem können Banker auch neue Kredite zu höheren Zinsen vergeben. Und die Deutsche Bank hatte noch mehr Glück: Ein einmaliger Steuereffekt erhöhte ihr Ergebnis im vergangenen Jahr um 1,4 Milliarden Euro, andernfalls hätte sie ihr Renditeziel von acht Prozent verfehlt.

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Zugleich lasteten die Wirtschaftsprobleme, die der Ukrainekrieg und die Coronapandemie ausgelöst hatten, nicht auf der Deutschen Bank und ihren Konkurrenten. Der Grund: Die üppigen Staatshilfen verhinderten Pleiten, die Kunden der Geldhäuser konnten weiter ihre Kredite abstottern. Analyst Hein bilanziert: „Die Deutsche Bank stünde ohne die Staatshilfen für die Wirtschaft und die Zinswende nicht so gut da.“ Und weiter: „Sie hätte ihre Ziele ansonsten vermutlich verfehlt.“

Die besseren Zahlen habe die Deutsche Bank aber nicht nur der Zinswende zu verdanken, meint Volker Brühl, Leiter des Center for Financial Studies an der Goethe-Universität Frankfurt und Bankenprofessor. Er konstatiert: „Die Zahlen der Bank sind bereits 2021 besser geworden“, also bereits bevor die Zinsen derart stark gestiegen sind.

Das zeige, dass die 2019 unter Sewing beschlossene „Strategie greift“, meint Brühl. So hat die Deutsche Bank Teile ihres verlustreichen Investmentbankings an den französischen Konkurrenten BNP veräußert und Tausende Mitarbeiter entlassen. Sie hat aber weit weniger Stellen abgebaut als ursprünglich versprochen. Erste Kritiker sprechen deshalb bereits davon, die Bank laufe auf ein Kostenproblem zu.

3. Die Deutsche Bank ist zu selten richtig gut

Trotz besserer Zahlen sind viele Bereiche des Konzerns nicht richtig gut aufgestellt. „Die Bank macht von allem ein bisschen“, bemängelt der Analyst Hein. Zwar gilt das Geschäft mit großen Unternehmenskunden als vorzeigbar. Aber schon über die Investmentbanking-Sparte gibt es geteilte Meinungen. Im Handel mit Zinspapieren und Währungen etwa soll das Institut Marktanteile verloren haben, zeigen Zahlen des Wettbewerbers Credit Suisse. Und als Porsche im vergangenen Jahr an die Börse ging, assistierten dem Autobauer dabei vor allem große US-Banken. Porsche degradierte die Deutsche Bank zur Beifahrerin – im Kofferraum.

Zugleich leidet das Privatkundengeschäft, zu dem auch die Postbank gehört, unter Problemen bei einem IT-Großprojekt. Zwar will die Deutsche Bank ihr Angebot an Privatkunden mit einer eigenen Digitalbank aufpeppen, die 2024 starten soll. Aber Direktbanken wie die ING und die DKB beackern die Kunden bereits gut, die dafür infrage kämen. Und zu allem Überfluss will auch die potente US-Großbank JP Morgan ein Digitalangebot in Deutschland schaffen, Kunden sollen es ab 2025 nutzen können. 

Noch schwerwiegender wiegen die Probleme bei der DWS, der Fondstochter der Deutschen Bank. Finanzprofessor Brühl etwa spricht von „einer Phase der Neuausrichtung“.

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Bankchef Sewing hatte vor Jahren angekündigt, aus der DWS einen der zehn wichtigsten Vermögensverwalter der Welt zu formen. Stattdessen liegt sie je nach Ranking nur auf Platz 18. Zudem kämpft die DWS weiter mit einem Skandal: Sie soll Fonds als nachhaltig beworben haben, die das Geld der Anleger nicht sonderlich nachhaltig investiert haben sollen. Vor einigen Monaten durchsuchten deshalb sogar Fahnder der Frankfurter Staatsanwaltschaft die Fondsgesellschaft – und brockten der DWS einen massiven Reputationsverlust ein. 


Anmerkung: Dieser Text ist erstmals am 2. Februar morgens gegen 6 Uhr erschienen. Er ist seitdem um die später veröffentlichten Jahreszahlen und um Eindrücke von der Pressekonferenz aktualisiert worden. Zudem stand einer ersten Fassung, die Bank habe ihre neue Strategie 2018 beschlossen. Tatsächlich hat die Bank die neue Strategie erst 2019 beschlossen. Wir bitten um Entschuldigung für den Fehler!

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