Deutsche Bank Was läuft schief, Herr Achleitner?

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"Auf den Tisch hauen halte ich für ein Zeichen von Schwäche"

Anders als bei anderen Instituten hatten die Manipulationen bei der Deutschen Bank bisher kaum personelle Folgen im gehobenen Management. Ist das das richtige Signal für eine bessere Zukunft?

Es wäre voreilig, sich hierzu zu äußern, solange nicht alle Untersuchungen abgeschlossen sind. Wir werden das abwarten und angemessen reagieren.

Die meisten Fehler sind im Investmentbanking passiert, das Co-Chef Anshu Jain viele Jahre geleitet hat. Wann sind die Aufräumarbeiten fertig?

Ich vergleiche die aktuelle Situation gerne mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Sie hat enorme Fortschritte gebracht, hatte aber auch aus heutiger Sicht nur schwer erträgliche Begleiterscheinungen wie Kinderarbeit und rücksichtlose Umweltzerstörung. Seit Ende des 20. Jahrhunderts haben wir eine finanzielle Revolution erlebt, und auch hier sind einige Phänomene aus heutiger Sicht kaum mehr nachvollziehbar. Wir müssen das gewissenhaft aufarbeiten, dürfen dabei aber nicht immer die Maßstäbe von heute anlegen. Einige Verhaltensweisen waren schlicht der Zeit geschuldet. Ich möchte nichts beschönigen. Aber wir sollten Menschen auch zugestehen, dass sie die neuen Gegebenheiten verstehen und sich ändern.

Die Deutsche-Bank-Doppelspitze in Zitaten

Sie sehen sich als Teamspieler und Sparringspartner. Müssten Sie nicht mal auf den Tisch hauen und klar sagen, dass es so nicht weitergeht?

Wer auf den Tisch haut, hat im Zweifel schon viele wesentliche Entwicklungen verpasst. Jeder hat seinen eigenen Stil, ich persönlich halte auf den Tisch hauen eher für ein Zeichen von Schwäche. Ich denke, dass wir bei der Deutschen Bank die richtige Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle gefunden haben.

Haben Sie die Aufgabe unterschätzt?

Wer sich einer solchen Aufgabe in solch turbulenten Zeiten stellt, erlebt zwangsläufig schwierige Situationen. Ich bin auch ein Mensch mit Emotionen, manche Dinge haben mich enttäuscht oder wütend gemacht. Ich bin aber überzeugt davon, dass die Deutsche Bank eine wichtige Institution für Europa ist. Und ich will, dass sie dieser Rolle gerecht werden kann.

Andere Aufsichtsratvorsitzende haben oft eine Vielzahl von Mandaten, Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Deutsche Bank. Ist die Aufgabe ein Vollzeitjob?

Eine effektive Kontrolle ist umso zeitaufwendiger, je größer die Umbrüche in einer Branche sind. Da sind Finanzunternehmen aktuell sicher nicht mit der Industrie vergleichbar. Kontrolle beschränkt sich nicht mehr auf Ereignisse der jüngsten Vergangenheit, sie muss auch künftige Entwicklungen, etwa bei der Regulierung, möglichst gut antizipieren. Das ist ein enormer Aufwand. Wir haben deshalb im Aufsichtsrat die fachliche Expertise gestärkt und sieben Ausschüsse eingesetzt. Unsere Kontrollgremien haben sich im vergangenen Jahr 63 Mal getroffen. Das dürfte in Deutschland ein Rekord sein.

Sie haben auch die Führungsgremien der Bank aufgestockt, in den Vorstand ziehen zwei neue Mitglieder ein, das Group Executive Committee hat statt 12 inzwischen 22 Mitglieder. Ist das wirklich erforderlich?

Ich halte es für sinnvoll, wenn in der Führung möglichst viel unterschiedliche Kompetenz vertreten ist. Die Herausforderungen werden schließlich nicht geringer, wir stehen erst am Anfang einer Zeitenwende.

Inwiefern?

Wir reden viel darüber, wie die Digitalisierung über unsere Zukunft entscheidet. Ich halte die Finanzierung aber für eine genauso wichtige Dimension. Europa steht vor gigantischen Herausforderungen, und wir müssen uns fragen, wie die sich finanziell lösen lassen. Wir müssen eigentlich nicht nur über Industrie 4.0 diskutieren, sondern auch über Finanzierung 4.0.

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