
Aufsichtsratschef Paul Achleitner hat sich vor der Hauptversammlung der Deutschen Bank am 21. Mai hinter die neue Strategie des Instituts gestellt. „Ob eine Strategie gut ist oder nicht, können Sie nicht an kurzfristigen Reaktionen des Aktienmarkts fest machen. Mit der Weichenstellung kehrt die Deutsche Bank zu ihren Wurzeln zurück, das ist wahrlich kein trivialer Weg“, sagte Achleitner im Interview mit der WirtschaftsWoche.
Achleitner verteidigte auch den Entschluss, sich von der Postbank zu trennen. „Außerhalb eines großen Finanzkonzerns hat die Postbank deutlich bessere Chancen. Die Trennung ist die eindeutig bessere Option – auch für die Postbank“, sagte er. Die Abgabe der Postbank lockere auch nicht die deutschen Wurzeln des Instituts. „Wir bekräftigen unseren Anspruch, eine in Deutschland stark verankerte Bank zu sein“, sagte Achleitner. Das Privatkundengeschäft bleibe auch künftig ein wichtiger Bestandteil der Bank.





Im Vorfeld der Hauptversammlung vermied Achleitner ein klares Bekenntnis zu den Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Der US-Aktionärsberater ISS hatte kürzlich empfohlen, den Vorstand der Bank nicht zu entlasten. „Es ist legitim, dass Eigentümer ihre Bedenken, Einschätzungen und Empfehlungen äußern. Wir profitieren davon, wenn wir uns mit anderen Meinungen auseinandersetzen“, sagte der Aufsichtsratschef der WirtschaftsWoche. „Ich werde keine Personaldiskussion führen, weder in die eine oder andere Richtung. Unsere Aufgabe als Aufsichtsrat besteht darin, alle Entwicklungen kritisch zu begleiten und zur richtigen Zeit die richtigen Schlüsse zu ziehen.“
Die wichtigsten Aufsichtsräte der Deutschen Bank
Der frühere Allianzvorstand steht seit 2012 an der Spitze des Aufsichtsrats. Er hat den aktuellen Strategieprozess angestoßen und erklärt, dass es „keine Denkverbote“ gibt.
Der Verdi-Chef ist zum Schrecken vieler Deutschbanker 2013 in das Gremium eingezogen. Seine Machtbasis ist die Postbank, wo die Gewerkschaft stark vertreten ist. Ein Verkauf allein des Bonner Instituts würde die Position von Verdi in der Deutschen Bank schwächen.
Der Brite war früher Topmanager bei der Schweizer UBS . Er ist ein kritischer Kontrolleur vor allem von Co-Chef Anshu Jain, grundsätzlich aber dem Investmentbanking zugeneigt.
Die US-Amerikanerin war Finanzchefin bei JP Morgan. Die Schwäche der Deutschen Bank ist aus ihrer Perspektive offensichtlich.
Die Chefin des britischen Vermögensverwalters Alliance Trust rückte 2011 als erste Frau auf der Kapitalseite in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank.
Der Betriebsratsvorsitzende der Postbank wird auf eine möglichst schonende Behandlung des Bonner Instituts Wert legen. Dessen beschäftigte streiken gerade, weil sie um ihre Arbeitsplätze fürchten.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende arbeitet seit rekordverdächtigen 46 Jahren bei der Deutschen Bank und gilt als bedächtige Integrationsfigur – auch im Lager der nicht einheitlich auftretenden Arbeitnehmer. Für ihn zählt vor allem, dass möglichst wenige Arbeitsplätze wegfallen.
Der frühere SAP-Chef ist bereits seit 15 Jahren Mitglied des Kontrollgremiums und hat dort alle strategischen Wenden und Kehrtwenden mitgemacht.
Die unabhängige Arbeitnehmervertreterin ist seit 2008 Mitglied des Aufsichtsrats. Gewählt ist sie über die Deutsche Bank, für deren Interessen wird sie sich einsetzen.
Der frühere Siemens-Chef ist ein enger Vertrauter von Aufsichtsratschef Achleitner, in München teilt er sich mit ihm sogar ein Büro. Er wird Achleitners Präferenzen folgen.
Der Chef der kleinen Gewerkschaft DBV wird vermutlich die Lösung präferieren, die die wenigsten Arbeitsplätze kostet. Die DBV ist in der Deutschen Bank stärker, anders als seine Verdi-Kollegen geht es ihm dann nicht vor allem um die Postbank.
Der Eon-Chef kennt die Situation, dass ein Unternehmen durch politische Vorgaben umgebaut werden muss, aus seinem eigenen Konzern bestens. Er wird darauf achten, dass die Deutsche Bank auch künftig für deutsche Großunternehmen da ist.
Der Rechtsanwalt ist ein enger Vertrauter von Paul Achleitner. Als Vorsitzender des Integritätsausschusses muss er sich heute nicht nur mit der künftigen Strategie der Bank, sondern auch mit den Folgen des Libor-Vergleichs und des betrügerischen Handels mit CO2-Zertifikaten beschäftigen.
Der ehemalige Haniel-Vorstand ist ein Mann der Deutschen Industrie. Für die soll die Deutsche Bank auch künftig da sein. Ob man dazu Filialen der Postbank braucht.
Auf die Frage, ob die beiden Vorstandsvorsitzenden unersetzbar seien, antwortete Achleitner: „Wer ist das schon? Es geht um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen.“ Er arbeite mit den beiden Co-Chefs daran, wieder eine geachtete und respektierte Bank zu sein.
Jürgen Fitschen steht derzeit wegen versuchten Prozessbetrugs in München vor Gericht. „Wir beobachten und beurteilen den Fortgang des Verfahrens genau. Das tun wir ganz nüchtern, ohne Rücksicht auf persönliche Wünsche und Sympathien. Natürlich würden wir uns freuen, wenn am Ende ein Freispruch steht“, sagte Achleitner dazu.
Weitere personelle Konsequenzen aus der Manipulation der Referenzsätze Libor und Euribor schloss er nicht aus. Der Aufsichtsrat werde abwarten, bis alle Untersuchungen abgeschlossen sind und dann angemessen reagieren. Die Abschlussberichte der britischen und US-amerikanischen Aufsichtsbehörden gäben dazu keinen Anlass. „Dass die Bank nicht in der Lage war, alle Anforderungen immer unmittelbar zu erfüllen, ist sehr bedauerlich. Eine aktive Blockadehaltung hat der Aufsichtsrat bisher aber nicht erkennen können“, sagte Achleitner.