Deutsche Bank/Commerzbank-Fusion geplatzt Alle Banken brauchen jetzt einen Plan B

Deutsche Bank und Commerzbank haben ihre Gespräche zu einem möglichen Zusammenschluss beendet. Quelle: imago images

Deutsche Bank und Commerzbank haben ihre Fusion abgesagt. Wie geht es nun weiter? Fünf Thesen zur Zukunft der deutschen Großbanken.

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Es ist ein Ende ohne Schrecken. Die Idee eines Zusammenschlusses von deutscher Bank und Commerzbank hatte von Anfang an wenig Anhänger. Tatsächlich sprach offensichtlich viel dagegen und wenig dafür. Durch die offizielle Absage können sich nun all jene bestätigt fühlen, die es von Beginn an besser wussten. Und sich dann fragen, woran der Deal denn nun wirklich gescheitert ist. Dass die Banken bei ihrer sechswöchigen gegenseitigen Prüfung Dinge entdeckt haben, die sie vorher nicht wussten, ist ziemlich unwahrscheinlich. Dass die Transaktion enorm komplex werden würde, war etwa von Anfang an klar.

Der Abbruch der Gespräche ist endgültig. Beteiligte haben klar gemacht, dass es keinen weiteren Anlauf geben wird. Es kann aber auch nicht einfach so weiter gehen wie vorher. Dass sich beide Banken überhaupt aneinander angenähert haben, zeigt, dass dringend etwas passieren muss. Aber was? Fünf Thesen zur Zukunft der beiden großen Institute:

1. Die Deutsche Bank braucht weiterhin eine starke Investmentbank

Topmanager des angeschlagenen Branchenprimus sind von Anfang an auf Distanz gegangen. Schon zu Beginn der Gespräche machten sie klar, dass ihre Bank den Zusammenschluss nicht unbedingt nötig habe, sondern rein betriebswirtschaftlich durchrechnen werde. Tatsächlich wäre der Nutzen für die Deutsche Bank überschaubar gewesen. Gestärkt hätte er vor allem das Privatkundengeschäft, in dem Deutsche Bank und Postbank zusammen aber bereits 20 Millionen Kunden haben. Das sollte reichen, um das Geschäft in Deutschland auf Dauer ausreichend effektiv betreiben zu können.

Wesentlich attraktiver wären die Mittelstandskunden der Commerzbank gewesen, von denen sich allerdings viele bewusst gegen die Deutsche Bank entschieden haben und vermutlich abgewandert wären. Den größten Vorteil hätten deshalb die Einlagen der Commerzbankkunden als stabile und günstige Quelle der Finanzierung gebracht. Der Preis dafür wäre allerdings enorm hoch gewesen. Die Integration von Personal und IT-Systemen hätte Jahre gedauert und in dieser Zeit große Teile der Ressourcen blockiert. Die kann die Bank nun nutzen, um ihr digitales Angebot zu modernisieren und voranzutreiben.

Trotzdem kann es für die Deutsche Bank nicht einfach so weiter laufen, wie bisher. Seit Jahren versucht sie Investoren vergeblich davon zu überzeugen, dass sie ein funktionierendes Geschäftsmodell hat. Ihre mickrigen Gewinne sprechen ziemlich eindeutig dagegen, im ersten Quartal 2019 schrieb das Investmentbanking deutliche Verluste. Trotzdem hält vor allem Aufsichtsratschef Paul Achleitner grundsätzlich daran fest, dass die Zukunft des Instituts im internationalen Investmentbanking liegt. Das wird ihm von vielen als Größenwahn angekreidet, ist im Kern aber richtig. Denn Kapitalmarktkompetenz und internationale Präsenz sind die einzigen Alleinstellungsmerkmale, die das Institut gegenüber heimischen Konkurrenten hat. Anpassungen sind hier trotzdem überfällig, dürfen diesen Status aber nicht gefährden. Sonst bleibt die Bank in einer Abwärtsspirale gefangen, in der die Erträge noch stärker sinken als die Kosten.

2. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat sich emanzipiert

Es gibt Leute, die Christian Sewing im Kern immer noch für den Azubi halten, der er vor 30 Jahren mal in einer Filiale in Bielefeld war. Der Deutsche-Bank-Chef, so berichten sie, sei ziemlich harmoniebedürftig und tue alles, um insbesondere dem Aufsichtsratsvorsitzenden Achleitner zu gefallen. So habe er sich in erster Linie und wider besseres Wissen überhaupt nur ihm zuliebe auf die Gespräche eingelassen. Tatsächlich ist Sewing nicht der knallharte Durchgreifer, als den ihn manche gerne darstellen wollen. Die Geschichte stimmt so trotzdem allenfalls ansatzweise. Denn auch Achleitner hatte kein Interesse an einer Transaktion ohne vernünftige wirtschaftliche Grundlage. Es wäre ihm aber sicher recht gewesen, wenn sich diese irgendwie hätte herstellen lassen. Dass Sewing von Anfang an als skeptischer galt, dürfte ihm in Zukunft helfen. Denn dadurch, dass er sich nicht auf die angebliche Zwangsfusion eingelassen hat, gewinnt er an Statur. Die kann bei den anstehenden internen Umbauten gar nicht groß genug sein.

3. Die Commerzbank bleibt ein Übernahmekandidat

„Die Alternative, nichts zu tun, gibt es nicht“. Mit diesem Satz ließ sich Commerzbank-Chef Martin Zielke vor kurzem im Intranet der Bank zitieren – und er könnte dem Nordhessen nun das Leben erschweren. Zielke galt als Befürworter und Treiber einer Fusion, nach den gescheiterten Gesprächen wird die Bank nicht einfach zum Tagesgeschäft übergehen können. Viele Beobachter halten sie langfristig allein für nicht überlebensfähig. Dabei hat sie im Jahr 2018 mit 865 Millionen Euro deutlich mehr verdient als die Deutsche Bank. Der Aktienkurs spiegelt die Zweifel aber eindeutig wider. Während das Papier der Deutschen Bank nach Abbruch der Fusionsgespräche mehr als 3,5 Prozent zulegte, rutschte die Aktie der Commerzbank deutlich ab.

Offiziell erklärt die Bank, dass sie bei ihrer Strategie bleibt. „Wir werden unser Wachstum gemeinsam mit unseren Kunden vorantreiben und konsequent in die Zukunft investieren“, heißt es in einer Stellungnahme. Zielke selbst hat allerdings klar gemacht, dass sich nötige Investitionen nur mit deutlich höheren Marktanteilen rechnen werden. Trotz Willkommensprämie für Privatkunden und günstigen Konditionen für Firmenkunden wird die Bank diese allein nicht erreichen. Die Wachstumsstrategie geht nur auf, wenn in absehbarere Zeit die Zinsen steigen. Eine Wende ist nicht in Sicht. Dafür drohen bei schwächerer Konjunktur vermehrte Kreditausfälle. Bei den Fusionsgesprächen sollen Zweifel an der Kreditqualität aufgekommen sein.

Denkbar bleibt deshalb ein Verkauf an einen internationalen Interessenten. Schon während der Gespräche zwischen Sewing und Zielke sollen die niederländische Großbank ING und die Unicredit aus Italien Interesse angemeldet haben, auch die französische BNP wird immer wieder als möglicher Käufer gehandelt. Im Vergleich mit einer Hochzeit mit der Deutschen Bank würden sich die Partner einer europäischen Fusion besser ergänzen. Das sollen unter anderem die Aufseher von BaFin und Bundesbank so sehen. Auch der Bund, der seit der Finanzkrise mit 15 Prozent an der Bank beteiligt ist, dürfte bereit sein, sich bei einem entsprechenden Angebot von seinem Anteil zu trennen. Manche Beobachter rechnen noch in diesem Jahr mit einer Transaktion.

4. Auch das Finanzministerium braucht einen Plan B

Olaf Scholz gilt als der eigentliche Initiator der Fusionspläne, gemeinsam mit seinem Staatssekretär Jörg Kukies soll er sie ausgeheckt und dann auf Biegen und Brechen durchzusetzen versucht haben. Das ist übertrieben, gerne gesehen hätte Berlin den Zusammenschluss aber schon. Trotz des Scheiterns der Gespräche ist Häme nun fehl am Platz. Denn grundsätzlich ist es gut, dass der Finanzminister den Handlungsbedarf erkannt hat. Der besteht fort – schon weil der Bund weiter größter Aktionär der Commerzbank bleibt und auch weil die beiden deutschen Großbanken nach zehn Jahren Aufschwung angeschlagen dahin dümpeln. Eine Fusion hätte nur bei den Symptomen der Krankheit und nicht bei den Ursachen angesetzt. Zu denen zählt neben krassen Managementfehlern auch die Struktur des deutschen Bankenmarkts. Die abgesagte Fusion bietet nun die Chance, sich grundsätzlich mit diesen zu befassen.

5. Arbeitsplätze werden trotzdem abgebaut

Auf den ersten Blick scheint es so, als könnten die insgesamt rund 141.000 Mitarbeiter der Deutschen Bank und der Commerzbank aufatmen. Schließlich wären durch die Bankenhochzeit wohl mindestens 30.000 Arbeitsplätze weggefallen. Der Betriebsrat der Commerzbank zeigt sich entsprechend erleichtert. „Dieser Deal wäre für die Mitarbeiter ein Desaster gewesen“, sagt Betriebsrätin Gabriele Seum.

Mit mehr als einer Atempause dürfen die Beschäftigten aber wohl nicht rechnen. Denn beide Institute dürften die Zahl ihrer Mitarbeiter in den kommenden Jahren deutlich reduzieren. Ihre Kosten gelten vor allem im internationalen Vergleich als deutlich zu hoch, auch deshalb fällt ihre Profitabilität überaus mickrig aus. Die Commerzbank kam zuletzt auf eine Eigenkapitalrendite von 3,4 Prozent, die Deutsche Bank erreichte gerade mal 0,5 Prozent. Wie tief die Einschnitte ausfallen könnten, zeigt eine Modellrechnung von Michael Grote, der an der Frankfurt School of Finance & Management zu Fusionen und Übernahmen forscht. Würden alle Banken in Deutschland so effizient arbeiten wie die Direktbank ING, bräuchten sie statt aktuell 500.000 nur rund 260.000 Angestellte – auch wenn sie weiter auf Filialen setzen würden.

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