Hingegen macht sich John Cryan noch relativ rar – zumindest in der Berliner Öffentlichkeit. Er hatte einen kurzen Auftritt bei dem Neujahrsempfang seines Instituts in Berlin, überließ dann aber Fitschen die Bühne. Mittlerweile hat er seine Antrittsbesuche bei der Kanzlerin Angela Merkel und bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble absolviert. Finanzkreise versichern, dass Cryan mit Merkel und Schäuble regelmäßig Kontakt hat. Ob Bankenunion, Auswirkungen der Bankenregulierung oder jüngst der Brexit – die Bank sei ein gesuchter Gesprächspartner. Expliziter Wunsch Cryans sei es, diese Funktion auszubauen.
Dabei weiß der Brite, dass noch viel zu tun ist. Und er geht offensiv damit um. In seiner ersten großen öffentlichen Rede als alleiniger Vorstandschef am 21. Juni auf dem Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrates sagte er: „Das Vertrauen, das damals verloren gegangen ist, mussten und müssen wir erst mühsam wieder aufbauen.“ Er verstehe, „dass die Gesellschaft und besonders die Politik in Deutschland erst sehen wollen, ob wir uns insgesamt tatsächlich verbessert haben“, so Cryan in seiner komplett auf Deutsch vorgetragenen Rede. Es liege ihm persönlich am Herzen, „dass wir unser Verhältnis zur Gesellschaft insgesamt und natürlich auch zur Politik wieder verbessern“. Personell ist es auf Vorstandsebene fast zu einem kompletten Revirement gekommen, das soll das Vertrauen weiter stärken.
Unverstandene Äußerungen zu Banken-Rettungsprogramm
Von den Erwartungen Berlins an die Bank hat Cryan auch ein Verständnis. „Mein Eindruck ist, dass man in Berlin eine internationale Bank möchte, die deutsche Unternehmen weltweit begleiten kann. Aber nicht unbedingt eine internationale Bank in dem Sinne, dass wir in aller Herren Länder vor Ort Geschäfte mit einheimischen Kunden machen“, sagte er in einem Gespräch mit dem „Spiegel“.
Und natürlich müssten die Banken „noch stabiler werden, damit die Branche mögliche Krisen verlässlich aus eigener Kraft übersteht, ohne den Staat zu belasten“, sagte Cryan in Berlin. Keine drei Wochen später fordert der Deutsche Bank-Chefökonom David Folkerts-Landau ein 150 Milliarden Euro schweres Rettungsprogramm, um angeschlagene europäische Banken zu rekapitalisieren. Private Gläubiger sollten sich daran nicht beteiligen. „Mit solchen Äußerungen werden die Risiken einer Bankenkrise nicht kleiner“, quittierte Schäuble verärgert diesen Vorschlag.
Verwundert wird in Berlin auch der rhetorische Schwenk der Deutschen Bank bei der Banken-Regulierung registriert. „Ich kann mich noch als EU-Parlamentarier daran erinnern, wie die Deutsche Bank in puncto Regulierung für globale Regeln gekämpft hat. Jetzt will man von gleichen Wettbewerbsregeln nichts mehr wissen, da die US-Institute im Vorteil sind“, bringt der CSU-Parlamentarier Radwan seine Kritik auf den Punkt.
Tatsächlich plädiert Cryan jetzt für europäische Regeln: „Wir in Europa sollten selbstbewusst genug sein, Regeln aufzustellen, die zu uns passen“, sagte Cryan in Berlin. So hätten US-Banken es leichter als europäische Institute, die Verschuldungsquote Leverage Ratio einzuhalten. Während die US-Banken Baufinanzierungen an staatliche Institute weiterleiten könnten, blieben sie bei europäischen Banken auf der Bilanz.
„Diese Argumentation ist ja eigentlich auch ein Eingeständnis, dass sich die Deutsche Bank aus dem Konzert der Global Player verabschiedet hat“, bemerkt ein deutschen Bankenchef.
SPD-Politiker Schneider baut schon mal vor: „Ich habe zwar Verständnis, wenn Cryan die unterschiedliche Regulierung von Banken zwischen den USA und Europa als Wettbewerbshindernis sieht. Ein Regulierungsdumping darf es aber nicht geben.“
Die Gesprächsthemen werden Merkel, Schäuble und Cryan also nicht ausgehen. Aber es wird Zeit vergehen, bis Cryan über eine ähnliche Reputation in den höchsten politischen Kreisen verfügen wird, wie sie ein Kollege aus der Versicherungsbranche genießt. Vielleicht kann sich Cryan ja mal Rat holen beim scheidenden Vorstandschef von Munich Re, Nikolaus von Bomhard. Kommt die Rede auf ihn, bekommt man im Bundesfinanzministerium glänzende Augen.