Deutsche Bank Wie John Cryan die Deutsche Bank retten soll

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Cryan verzichtet auf Insignien der Macht

Achleitner hätte sich wohl gerne mehr Zeit gelassen, aber unvorbereitet war er nicht. Es ist auffällig, dass Cryan vor fast genau einem Jahr als Europachef der Investmentgesellschaft Temasek aus Singapur aufgehört hat. Oft müssen Top-Manager exakt so lange warten, bis sie bei der Konkurrenz antreten dürfen.

Dabei wirkt der Mann aus Harrogate in Yorkshire nicht wie die ersehnte Lichtgestalt. Er tritt unspektakulär auf, verzichtet auf Insignien der Macht, seine Anzüge wirken wie von der Stange. Bei der UBS hat er meist in der Kantine gegessen, Unterlagen in einer alten schwarzen Ledertasche verstaut. Cryan pflegt den feinsinnigen Humor, er liebt Musik, besonders die Oper, unterstützt daheim ein kleines Orchester.

Beruflich ist Cryan ein Mann, der in die Tiefe bohrt, unglaublich fleißig, „seine Vorlagen waren immer besonders detailliert und hatten die meisten Fußnoten“, sagt einer, der mit ihm gearbeitet hat. Zu Terminen erscheint er bestens vorbereitet und erwartet das von seinen Gesprächspartnern. Wenn die ihn enttäuschen, wird er nicht laut, ist aber sehr kurz angebunden.

Bei der UBS hat Cryan in Ruhe aufgeräumt

Obwohl eher ein Mann des Ausgleichs und der leisen Töne, kann er sich durchsetzen. Bei der UBS hat er 2007 den Verkauf der niederländischen ABN Amro arrangiert. Vor allem ist er als Aufräumer eingesprungen, als die Not am größten war. Ende 2008 übernahm er den Posten als Finanzchef, die Bank war in eine schwere Schieflage geraten, die Schweizer Aufsicht fürchtete um die Existenz der UBS, im Zürcher Bankenviertel brannten Autoreifen. „Das hat er extrem ruhig und extrem gut gemacht“, sagt ein UBS-Banker. Cryan hat aufgeräumt, frisches Kapital besorgt, die Hilfe des Schweizer Staats hat die UBS längst zurückgezahlt, mit Gewinn für den Steuerzahler.

Auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bank ist er nicht als Weichling aufgefallen, mit dem Anwalt Georg Thoma zählt er zu den Kontrolleuren, die ihre Arbeit besonders ernst nehmen und Konflikte mit dem Vorstand nicht scheuen. So hat sich Cryan Anfang 2014 für eine Kapitalerhöhung eingesetzt, als Jain diese noch ablehnte. Cryan setzte sich durch und behielt recht. „In der Deutschen Bank werden sie auch seine harte Seite kennenlernen“, sagt ein Weggefährte.

Harte Schnitte werden ihm leichter fallen als Jain. Da er keinem Lager angehört, nimmt man ihm eher ab, dass er nicht von vornherein parteiisch agiert.

Cryan ist jetzt die letzte Chance für Aufsichtsratschef Achleitner und den Anspruch der Deutschen Bank, auch künftig weltweit eine wichtige Rolle zu spielen. Mit Jain verliert die Führung der Bank auch den Verantwortlichen für die Altlasten, es gibt jetzt keine Ausreden mehr. Achleitner muss darauf achten, dass Jains Nachlass nicht zu seinem wird. Cryan wird Zeit brauchen, die er eigentlich nicht hat. Weitere Unfälle kann er, kann sich die Bank nicht mehr leisten.

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