
Rainer Neske geht, und das ist richtig so. Der Privatkundenvorstand hat bei der Debatte um die Zukunft der Deutschen Bank so eindeutig den Kürzeren gezogen, dass sein Verbleiben im Amt schon überrascht hätte. Mit der Abspaltung der Postbank und deutlichen Einschnitten im Filialnetz der Deutschen Bank wird die von ihm seit vielen Jahren geleitete Sparte trotz anderslautender Bekenntnisse der Bankführung zum bloßen Anhängsel eines Finanzgroßkonzerns degradiert.
Neske hatte sich für ein anderes Zukunftsprogramm und dabei vor allem für noch stärkere Einschnitte in dem aus seiner Sicht zu riskanten Investmentbanking eingesetzt. Es ist kein Wunder, dass er damit bei seinen Kollegen im Vorstand nicht durchkam.
Sein Abgang ist der Schlusspunkt einer länger absehbaren Entwicklung. Schon kurz nach Antritt der Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen berichteten Insider, dass Neske öfter in Streit mit Jain und damit zunehmend in die Isolation gerate. Mal ging es um die aus seiner Sicht zu schleppende Aufarbeitung vergangener Skandale, mal um Details der künftigen Strategie. Obwohl Neske die größte Zahl von Mitarbeitern repräsentierte, konnte er sich in dem vor allem von Gefolgsleuten der Vorstandschefs dominierten Gremium oft nicht durchsetzen.
Der Abschied ist auch der Ausdruck seines persönlichen Bedeutungsverlusts. Gerne hätte Neske wohl zumindest Jürgen Fitschen als Teil der Doppelspitze beerbt. Das Ziel ist für ihn in den vergangenen drei Jahren allerdings in unerreichbare Ferne gerückt. Neben persönlichen Differenzen haben dafür auch die enttäuschenden Fortschritte bei der Integration der Postbank gesorgt. Die einmal ausgegebenen Ziele hat die Bank bei weitem nicht erreicht, die Postbankkunden haben sich kaum für die Angebote der Deutschen Bank interessiert, das IT-Großprojekt „Magellan“ blieb in einem frühen Stadium stecken.
Neske wird der Deutschen Bank fehlen
Neske könnte allerdings darauf verweisen, dass schlicht zu wenig Geld da war, um die Integration noch entschlossener voranzutreiben. Statt in die Zukunft musste die Bank Milliarden für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten ausgeben. Die hatten dem Institut nicht Neskes Leute, sondern die ungleich besser bezahlten Investmentbanker eingebrockt.
Dabei hat der bodenständige Neske deutlich früher als die Kollegen in London und New York auf den Vertrauensverlust in Folge der Finanzkrise reagiert. Jahre bevor die neue Bankführung anfing, über die Notwendigkeit eines „Kulturwandels“ zu schwadronieren, hatte der Privatkundenvorstand ihn schon umgesetzt. Der Fokus auf die Kundenzufriedenheit, die Prüfung von Produkten auf Reputationsrisiken, die Kopplung der variablen Vergütung der Bankmitarbeiter an längerfristige Ziele – all das, was Jain und Fitschen heute als revolutionäre Errungenschaften anpreisen, ist in Neskes Geschäftszweig seit vielen Jahren alltägliche Praxis.
Eigentlich hätte er so zu einem Mann der Zukunft werden können. Doch die geänderten Machtverhältnisse in der Bank machten ihn zum Vertreter der Vergangenheit. Fast sieben Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers ist das eine bittere Ironie. Neske wird der Bank fehlen – als kompetenter Manager und als Gegengewicht zu denen, die dort jetzt den Kurs bestimmen.