Die Bilanz der Deutschen Bank gilt bei Investoren als „Black Box“, die kein Vertrauen verdient. Sorgen macht vor allem der Derivatebestand des Instituts. Auf 42.000 Milliarden Euro summieren sich die abgeleiteten Wetten und Absicherungen auf Zinsen und Währungen, bei denen die Deutsche Bank Kontraktpartner ist. Das Derivatebuch ist damit gut 15-mal so groß wie das deutsche Bruttoinlandsprodukt.
Doch täuscht diese Megasumme. Beispiel: Wer am letzten Bundesligaspieltag 100 Euro auf einen Sieg des 1. FC Köln bei Bayern München wettete, hatte Aussicht auf eine 1700-Euro-Rückzahlung. Da es nur zu einem Unentschieden für die Domstädter reichte, kassierten Siegwetter nichts. Der Kontraktwert lag bei 1700 Euro, verloren gingen dem Wetter aber nur 100 Euro, also knapp sechs Prozent.
Der riesige Umfang des Derivatebuchs bei der Deutschen Bank erklärt sich zudem daraus, dass viele Kontrakte sich gegenseitig aufheben – damit ist das tatsächliche Risiko deutlich kleiner. Ende Dezember lagen die Marktwerte aller Derivate bei 1019 Milliarden Euro – also bei 2,5 Prozent des Derivatebestandes (von 42.000 Milliarden Euro). Diese 1019 Milliarden bezeichnen das maximale Risiko bei einem Kollateralschaden an Märkten. Selbst wenn es dazu nicht kommt, sorgt der große Umfang von Finanzwetten für Unruhe. Kunden könnten bestehende Verträge auflösen. In Einzelfällen soll das derzeit passieren, Verluste fielen dabei aber kaum an, heißt es in der Bank.
Die riskanteste Bank der Welt
Besonders heikel könnte das Derivatebuch werden, wenn die Deutsche Bank wider Erwarten pleitegeht. Die Deutsche Bank ist nicht nur dreimal so groß wie Lehman, sondern auch besonders eng mit anderen Instituten verwoben. Deshalb hat der IWF sie die riskanteste Bank der Welt genannt. Die Ansteckung könnte vor allem über Derivate laufen. Allerdings werden heute zahlreiche Kontrakte nicht mehr bilateral, sondern mit einer zwischengeschalteten Sicherung abgewickelt. Bei diesem sogenannten Clearing hinterlegen die Vertragspartner Sicherheiten bei einem Dritten, etwa bei einer Tochter der Deutschen Börse. Immerhin 37 Prozent aller Deutsche-Bank-Derivate gingen zuletzt über ein solches Clearing, das vor Lehman praktisch nicht existierte.
In der Krise entschieden Aufseher und Politiker meist in dramatischen Treffen am Wochenende über Untergang oder Fortbestand einer Bank. Heute sind sie vorbereitet, die Abläufe streng vorgezeichnet. Im Ernstfall müsste Elke König, die Chefin der europäischen Abwicklungsbehörde (SRB), den Abwicklungsplan bei der EU-Kommission einreichen. Die hat 24 Stunden, um über den Plan zu entscheiden. Ein Abwicklungsfonds des SRB soll mögliche Verluste abfedern.
Einlagen bis 100.000 Euro sind garantiert
Die Lehman-Pleite infizierte das Finanzsystem Ende 2008 vor allem durch den Zusammenbruch des Interbankenmarkts. Vor der Finanzkrise liehen sich die Institute dort untereinander viele Milliarden – mal für eine Nacht, mal für eine Woche, mal für drei Monate. Heute spielt dieses Geschäft bei der Finanzierung nur noch eine sehr kleine Rolle. Die Folgen wären weniger dramatisch.
Trotzdem würde eine Pleite zu üblen Verwerfungen führen. Als Erste würden Aktionäre ihr Geld verlieren. Auch Sparer kämen nicht ungeschoren davon. Nur Einlagen bis 100.000 Euro sind durch die europäische Einlagensicherung garantiert. Die Deutsche Bank verfügt noch über weitere Sicherheitsnetze, die aber eher theoretischer Natur sind: Schon die Pleite der deutschen Lehman-Niederlassung etwa hatte den Sicherungsfonds der privaten Banken gesprengt.
Ob ein Insolvenzverfahren in der Praxis wirklich geordnet abliefe, ist offen. Aufseher selbst äußerten schon mal Zweifel. Kürzlich erneuerte eine Analystenstudie den Befund. „Die Nagelprobe für die neuen Regeln steht noch aus“, schrieben die Autoren. Sie arbeiten für die Deutsche Bank.