Bevor sich der neue Co-Chef der Deutschen Bank John Cryan das erste Mal halbwegs öffentlich zu Wort meldet, atmet er hörbar tief durch. Dabei geht es eigentlich um einen Routinetermin. In einer Telefonkonferenz mit Analysten beantworten er und der ebenfalls neue Finanzvorstand Marcus Schenck die Fragen der Analysten zum Halbjahresergebnis des Instituts.
Doch dieses Mal ist die Aufmerksamkeit besonders groß: Cryan gilt als Hoffnungsträger, er soll zumindest andeuten, wie er das angeschlagene Institut wieder auf Vordermann bringen will.
Er und Schenck finden klare Worte, beschönigen wenig und können offenbar gar nicht entschlossen genug demonstrieren, wie entschlossen sie zum radikalen Bruch mit der wenig rühmlichen Vergangenheit sind. Ab jetzt, so ihre Botschaft, gehen die Uhren bei der Deutschen Bank anders. Ab jetzt wird nicht mehr nur angekündigt, sondern umgesetzt. „Es geht nicht länger um Worte, sondern um Taten“, sagt Cryan.
Die wichtigsten Aufsichtsräte der Deutschen Bank
Der frühere Allianzvorstand steht seit 2012 an der Spitze des Aufsichtsrats. Er hat den aktuellen Strategieprozess angestoßen und erklärt, dass es „keine Denkverbote“ gibt.
Der Verdi-Chef ist zum Schrecken vieler Deutschbanker 2013 in das Gremium eingezogen. Seine Machtbasis ist die Postbank, wo die Gewerkschaft stark vertreten ist. Ein Verkauf allein des Bonner Instituts würde die Position von Verdi in der Deutschen Bank schwächen.
Der Brite war früher Topmanager bei der Schweizer UBS . Er ist ein kritischer Kontrolleur vor allem von Co-Chef Anshu Jain, grundsätzlich aber dem Investmentbanking zugeneigt.
Die US-Amerikanerin war Finanzchefin bei JP Morgan. Die Schwäche der Deutschen Bank ist aus ihrer Perspektive offensichtlich.
Die Chefin des britischen Vermögensverwalters Alliance Trust rückte 2011 als erste Frau auf der Kapitalseite in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank.
Der Betriebsratsvorsitzende der Postbank wird auf eine möglichst schonende Behandlung des Bonner Instituts Wert legen. Dessen beschäftigte streiken gerade, weil sie um ihre Arbeitsplätze fürchten.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende arbeitet seit rekordverdächtigen 46 Jahren bei der Deutschen Bank und gilt als bedächtige Integrationsfigur – auch im Lager der nicht einheitlich auftretenden Arbeitnehmer. Für ihn zählt vor allem, dass möglichst wenige Arbeitsplätze wegfallen.
Der frühere SAP-Chef ist bereits seit 15 Jahren Mitglied des Kontrollgremiums und hat dort alle strategischen Wenden und Kehrtwenden mitgemacht.
Die unabhängige Arbeitnehmervertreterin ist seit 2008 Mitglied des Aufsichtsrats. Gewählt ist sie über die Deutsche Bank, für deren Interessen wird sie sich einsetzen.
Der frühere Siemens-Chef ist ein enger Vertrauter von Aufsichtsratschef Achleitner, in München teilt er sich mit ihm sogar ein Büro. Er wird Achleitners Präferenzen folgen.
Der Chef der kleinen Gewerkschaft DBV wird vermutlich die Lösung präferieren, die die wenigsten Arbeitsplätze kostet. Die DBV ist in der Deutschen Bank stärker, anders als seine Verdi-Kollegen geht es ihm dann nicht vor allem um die Postbank.
Der Eon-Chef kennt die Situation, dass ein Unternehmen durch politische Vorgaben umgebaut werden muss, aus seinem eigenen Konzern bestens. Er wird darauf achten, dass die Deutsche Bank auch künftig für deutsche Großunternehmen da ist.
Der Rechtsanwalt ist ein enger Vertrauter von Paul Achleitner. Als Vorsitzender des Integritätsausschusses muss er sich heute nicht nur mit der künftigen Strategie der Bank, sondern auch mit den Folgen des Libor-Vergleichs und des betrügerischen Handels mit CO2-Zertifikaten beschäftigen.
Der ehemalige Haniel-Vorstand ist ein Mann der Deutschen Industrie. Für die soll die Deutsche Bank auch künftig da sein. Ob man dazu Filialen der Postbank braucht.
Ziemlich schonungslos zählt er die Mängel auf, die dafür gesorgt haben, dass die Bank im internationalen Wettbewerb deutlich zurückgefallen ist. Das größte Problem sei nicht das Fehlen einer Strategie, sondern deren unzureichende Umsetzung und die Lasten der Vergangenheit. Die Bilanz der Bank findet Cryan „zu groß und zu kompliziert“, die IT „antiquiert, fragmentiert und lückenhaft“, die Entscheidungswege „zu kompliziert“. Cryan macht klar, dass er anders als sein Vorgänger Anshu Jain energisch dagegen vorgehen will und zu wirklich harten Schnitten entschlossen ist. Die Bank werde sich von Geschäften trennen, mit denen sie zu wenig verdient, ihre übergroße Bilanz aggressiver als bisher abbauen und die Kosten deutlich reduzieren. Nur so habe sie irgendwann auch wieder eine Wachstumsperspektive.
Cryans Antworten wirken ruhig, sachlich, ehrlich. So ehrlich, dass man sich fragt, wie da eigentlich eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Jügen Fitschen aussehen soll. Der bisherige Co-Chef, in dieser Rolle mitverantwortlich für die mangelnden Fortschritte der vergangenen drei Jahre, soll schließlich noch ein Jahr an Bord bleiben und die Bank gemeinsam mit Cryan führen. Seine Funktion dürfte eher repräsentativ sein: Cryan sagt es nicht ausdrücklich, aber es ist überdeutlich, dass er künftig bestimmt, wo es lang geht. Dabei macht er wenig Aufsehen um seine Person.
Durch den Weggang Jains sei eben eine Lücke im Management entstanden und es sei logisch gewesen, dass er sie ausfüllt. Große Versprechen gibt er nicht ab, konkret Zahlen nennt er nicht. Von denen wird es wohl auch im Oktober nur wenige geben, wenn die Bank Details zu ihrer neuen Strategie bekannt gibt. Neben der unsicheren Geschäftsentwicklung machen vor allem die unabsehbaren Rechtskosten konkrete Prognosen nahezu unmöglich. Wie viel die Bank hier letztlich zahlen muss, ist völlig offen. „Das ist eine frustrierende Antwort“, sagt Cryan. „Sie hat den Vorteil, dass sie wahr ist.“
Wahr soll künftig möglichst viel von dem werden, was der neue Chef ankündigt. „Wir wissen, dass Sie von unseren Ankündigungen etwas abziehen, weil wir nicht geliefert haben“, sagt Cryan zu den Analysten. Den verbalen Schlussstrich hätte er kaum deutlicher ziehen können. Mit der Vergangenheit hat er gleich zu Beginn offiziell gebrochen. Jetzt geht es um die Zukunft.