
Jeder ist ersetzbar. Das ist an sich eine triviale Erkenntnis. Bedeutsam wird sie dann, wenn sie der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank formuliert. Das hat Paul Achleitner in der vergangenen Ausgabe der WirtschaftsWoche getan. Seine Botschaft war nur maßvoll verschlüsselt und wurde entsprechend verstanden: Anshu Jain und Jürgen Fitschen sind an der Spitze der Bank nicht alternativlos. So wie bisher geht es nicht mehr lange weiter. Im Zweifel ginge es auch anders. Auch auf der Hauptversammlung des Instituts machte der Chefkontrolleur deutlich, dass er zwar hinter dem Führungsduo steht, seine Geduld aber endlich ist.
Das ist angesichts der bisherigen Misserfolge der beiden Co-Chefs verständlich. Achleitner muss schon deshalb Distanz demonstrieren, um sich selbst nicht zu beschädigen. Doch Abstand allein reicht nicht mehr. Für Jain und Fitschen ist es nicht fünf vor zwölf. Ihre Zeit ist abgelaufen. Sie sollten gehen.
Die wichtigsten Aufsichtsräte der Deutschen Bank
Der frühere Allianzvorstand steht seit 2012 an der Spitze des Aufsichtsrats. Er hat den aktuellen Strategieprozess angestoßen und erklärt, dass es „keine Denkverbote“ gibt.
Der Verdi-Chef ist zum Schrecken vieler Deutschbanker 2013 in das Gremium eingezogen. Seine Machtbasis ist die Postbank, wo die Gewerkschaft stark vertreten ist. Ein Verkauf allein des Bonner Instituts würde die Position von Verdi in der Deutschen Bank schwächen.
Der Brite war früher Topmanager bei der Schweizer UBS . Er ist ein kritischer Kontrolleur vor allem von Co-Chef Anshu Jain, grundsätzlich aber dem Investmentbanking zugeneigt.
Die US-Amerikanerin war Finanzchefin bei JP Morgan. Die Schwäche der Deutschen Bank ist aus ihrer Perspektive offensichtlich.
Die Chefin des britischen Vermögensverwalters Alliance Trust rückte 2011 als erste Frau auf der Kapitalseite in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank.
Der Betriebsratsvorsitzende der Postbank wird auf eine möglichst schonende Behandlung des Bonner Instituts Wert legen. Dessen beschäftigte streiken gerade, weil sie um ihre Arbeitsplätze fürchten.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende arbeitet seit rekordverdächtigen 46 Jahren bei der Deutschen Bank und gilt als bedächtige Integrationsfigur – auch im Lager der nicht einheitlich auftretenden Arbeitnehmer. Für ihn zählt vor allem, dass möglichst wenige Arbeitsplätze wegfallen.
Der frühere SAP-Chef ist bereits seit 15 Jahren Mitglied des Kontrollgremiums und hat dort alle strategischen Wenden und Kehrtwenden mitgemacht.
Die unabhängige Arbeitnehmervertreterin ist seit 2008 Mitglied des Aufsichtsrats. Gewählt ist sie über die Deutsche Bank, für deren Interessen wird sie sich einsetzen.
Der frühere Siemens-Chef ist ein enger Vertrauter von Aufsichtsratschef Achleitner, in München teilt er sich mit ihm sogar ein Büro. Er wird Achleitners Präferenzen folgen.
Der Chef der kleinen Gewerkschaft DBV wird vermutlich die Lösung präferieren, die die wenigsten Arbeitsplätze kostet. Die DBV ist in der Deutschen Bank stärker, anders als seine Verdi-Kollegen geht es ihm dann nicht vor allem um die Postbank.
Der Eon-Chef kennt die Situation, dass ein Unternehmen durch politische Vorgaben umgebaut werden muss, aus seinem eigenen Konzern bestens. Er wird darauf achten, dass die Deutsche Bank auch künftig für deutsche Großunternehmen da ist.
Der Rechtsanwalt ist ein enger Vertrauter von Paul Achleitner. Als Vorsitzender des Integritätsausschusses muss er sich heute nicht nur mit der künftigen Strategie der Bank, sondern auch mit den Folgen des Libor-Vergleichs und des betrügerischen Handels mit CO2-Zertifikaten beschäftigen.
Der ehemalige Haniel-Vorstand ist ein Mann der Deutschen Industrie. Für die soll die Deutsche Bank auch künftig da sein. Ob man dazu Filialen der Postbank braucht.
Vertrauen ist der Anfang von allem. Mit diesem Slogan warb die Deutsche Bank in den Neunzigerjahren um Kunden. Die aktuelle Führung hat von Anfang an wenig Vertrauen besessen, und selbst das hat sie inzwischen verloren. Die Öffentlichkeit hält sie für Schurken, viele Aktionäre glauben nicht mehr, dass sie die Skandale der Vergangenheit entschlossen aufklären und ihre Ziele für die Zukunft erreichen. Bei der Hauptversammlung stimmten nur 61 Prozent für ihre Entlastung – eine Blamage.
Der von ihnen ausgerufene Kulturwandel ist intern bei vielen zur Lachnummer verkommen. Ihr Absturz ist so gewaltig, dass er schon wieder ungerecht ist. Anshu Jain gilt zu Recht als einer der schlausten Investmentbanker seiner Generation, und kaum ein Banker besaß bei deutschen Unternehmen ein ähnlich untadeliges Ansehen wie Jürgen Fitschen. Das zählt nicht mehr. Die beiden sind in einer Abwärtsspirale gefangen, der sie nicht mehr entkommen können. Auch der am späten Mittwochabend verkündete Vorstandsumbau kann diese kaum stoppen.
Ihnen noch eine Chance zu geben ist ein Fehler. Denn es ist rätselhaft, wie Jain und Fitschen diese nutzen könnten. Selbst wenn sich alle Vorwürfe gegen sie in Luft auflösen und sie die Bank auf den Weg des wirtschaftlichen Erfolgs führen, könnten sie die internen Risse in dem tief gespaltenen Institut kaum mehr kitten. Der Lagerkampf ist mit dem Abgang von Privatkundenvorstand Rainer Neske nicht zu Ende. Seine Leute sind noch da, und die neue Strategie verlangt ihnen weitere Opfer ab.
In ein paar Wochen wird die Bankführung verkünden, wie viele Tausend Mitarbeiter in den Filialen gehen müssen. Gleichzeitig stehen die Milliarden für die nächsten Strafzahlungen schon bereit. Die kürzlich halbherzig verkündete neue Strategie böte die Chance zu einem personellen Neuanfang. Und damit für neuen Realismus. Das Ende der Ära Josef Ackermanns war von einer grotesken Nachfolgedebatte überschattet. In der wurde die Position des Deutsche-Bank-Chefs derart aufgeplustert, dass kaum ein Sterblicher sie noch ausfüllen konnte. Dabei hatte sich Ackermann in der Finanzkrise um die Bank verdient gemacht, aber so toll, wie er glaubte, war er dann auch wieder nicht.
Jetzt trennt sich die Bank von der Postbank und einigen gewagteren Sparten der Investmentbank. Mit der bilanziellen Schrumpfkur schrumpft auch das Anforderungsprofil weiter zusammen. Der künftige Chef muss nicht mehr gleichermaßen Schalterbeamte und Hasardeure im Händlerraum begeistern. Er muss gut mit großen Unternehmen können, sich auf den Kapitalmärkten und mit der Regulierung auskennen und in der Politik nicht gänzlich unbeliebt sein.
Solche Manager gibt es. Die Schweizer Credit Suisse hat kürzlich den in Afrika geborenen Versicherungsmanager Tidjane Thiam auf den Chefposten gesetzt. Es geht also. Sie müssten nur endlich wollen.