Schwarz. Tiefschwarz. Dunkelschwarz. Wenn John Cryan in den vergangenen Monaten die Lage der von ihm geführten Deutschen Bank beschrieb, zogen derart dunkle Wolken auf, dass kaum ein Lichtstrahl auf die Frankfurter Zwillingstürme fallen konnte. Ausgiebig listete der Brite Mängel und Versäumnisse auf - von der unzureichenden Umsetzung strategischer Initiativen über die hohen Kosten bis zur antiquierten EDV. In und um die einst so selbstbewusste Bank hat das für Missfallen gesorgt.
Zwar hat bisher kaum jemand Cryans Position ernsthaft in Frage gestellt, seine Fachkenntnisse sind über alle Zweifel erhaben und die neue Ehrlichkeit wird in der Deutschen Bank grundsätzlich auch honoriert. Doch ganz so heftig sollte die Selbstkritik dann doch nicht ausfallen. Cryan rede das Institut unnötig schlecht, so der Vorwurf, die Urteile über seine Kommunikation reichten quer durch die Bank von „unglücklich“ bis „katastrophal“.
Die Kritik hat sich der Brite offenbar zu Herzen genommen. Bei einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“ hat er nun die Trendwende probiert. Offenkundig will Cryan einiges gerade rücken. Das ist auch nötig, denn zu Beginn des Jahres ist die Aktie der Bank dramatisch abgestürzt. Zeitweise notierte sie niedriger als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise. In einem ungewöhnlichen Schritt veröffentlichte die Bank eine Mitteilung ihres Chefs, in der dieser das Geldhaus als „grundsolide“ bezeichnete. Geholfen hat das nur mäßig.
Wo die Deutsche Bank überall Ärger hat
Im Juni wurde bekannt, dass Ermittler rund um den Globus dem Verdacht nachgehen, russische Kunden könnten über die Deutsche Bank Rubel-Schwarzgeld im Wert von mindestens sechs Milliarden Dollar gewaschen haben. Die Bank hat versprochen, zur Aufarbeitung der Affäre mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Mehrere Mitarbeiter in der Moskauer Niederlassung wurden deshalb vor die Tür gesetzt, darunter auch der ehemalige Chef-Händler in Russland, Tim Wiswell.
Inzwischen hat die Affäre eine neue Dimension erreicht: Das US-Justizministerium und die Finanzbehörde von New York (DFS) prüfen laut einem Medienbericht, ob die Bank gegen Sanktionen verstoßen hat. Dabei gehe es auch um die Frage, ob Geschäfte mit Vertrauten von Russlands Präsident Wladimir Putin gemacht wurden und ob die Bank intern geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um solche Verstöße zu verhindern.
Schon länger steht die Deutsche Bank im Verdacht, gegen Sanktionen verstoßen zu haben, die die USA gegen Länder wie den Iran verhängt haben. Die Gespräche über einen Vergleich laufen, wie Insider berichten. Intern gab es zuletzt die Hoffnung, dass dieses Thema zeitnah abgeschlossen werden kann. Die Bank hat betont, sie habe sich bereits 2007 aus Iran-Geschäften zurückgezogen. Einige andere Finanzinstitute mussten für Vergleiche in der Sache bereits tief in die Tasche greifen: Die französische BNP Paribas zahlte knapp neun Milliarden Dollar, die Commerzbank 1,45 Milliarden Dollar.
Ende 2013 zahlte die Deutsche Bank 1,4 Milliarden Euro für die Beilegung ihres größten Rechtsstreits im Zusammenhang mit fragwürdigen Hypothekengeschäften in den USA. Das Institut soll vor der Finanzkrise beim Verkauf von Wertpapieren, die mit Hypotheken unterlegt sind, falsche Angaben gemacht haben. Andere Verfahren, die die amerikanischen Federal Housing Finance Agency (FHFA) gegen die Deutsche Bank und weitere Häuser angestrengt hatte, sind aus dem Vergleich jedoch ausgeklammert. Auch andere Klagen liegen noch auf dem Tisch und könnten potenziell viel Geld kosten.
Die Bank ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts München mitverantwortlich für die Pleite des Medienkonzerns im Jahr 2002. Grund ist ein Interview des damaligen Bankchefs Rolf Breuer, in dem dieser Zweifel an Kirchs Kreditwürdigkeit gesät hatte. Anfang 2014 einigten sich die Streitparteien in einem Vergleich zwar auf Schadenersatz von 925 Millionen Euro. Doch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen einzelne Spitzenmanager der Bank wegen versuchten Prozessbetrugs liefen weiter. Die Staatsanwaltschaft München erhob schließlich Anklage gegen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen sowie die früheren Spitzenmanager Josef Ackermann, Rolf Breuer und Clemens Börsig. Prozessauftakt war im April, das Verfahren zieht sich. Die Ermittlungen wurden zudem auf den heutigen Rechtsvorstand Stephan Leithner und die Anwälte der Bank ausgeweitet.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Bank wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Betrug mit CO2-Verschmutzungsrechten. Rund 500 bewaffnete Polizisten und Steuerfahnder hatten deshalb Ende 2012 den Hauptsitz der Bank in Frankfurt und andere Büros durchsucht. Co-Chef Fitschen und der langjährige Finanzvorstand Stefan Krause gehörten zu ursprünglich 25 Mitarbeitern der Bank, gegen die in der Affäre wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde. Denn Fitschen und Krause hatten die auf dem CO2-Betrug basierende Steuererklärung unterzeichnet. Im August diesen Jahres erhob die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt schließlich gegen acht beteiligte Kundenbetreuer und Händler der Deutschen Bank Anklage wegen "bandenmäßiger Steuerhinterziehung".
Wegen der Manipulation wichtiger Referenzzinssätze wie Euribor und Libor musste die Deutsche Bank viel Geld abdrücken. Die EU-Kommission verhängte Ende 2013 eine Strafe von 1,7 Milliarden Euro gegen sechs Großbanken, davon entfiel mit 725 Millionen Euro der Löwenanteil auf das Frankfurter Geldhaus. Die Behörden in Großbritannien und den USA brummten der Bank eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar auf. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hat in ihrem Bericht zur Zinsaffäre eine Reihe von Top-Managern scharf angegriffen und ihnen zu laxe interne Kontrollen beziehungsweise eine mangelnde Aufklärung der Tricksereien vorgeworfen. Darunter war auch Co-Vorstandschef Anshu Jain, der im Frühsommer sein Amt zur Verfügung stellte. Einen Zusammenhang zwischen dem Rücktritt und dem BaFin-Bericht wies die Bank allerdings zurück.
Mit vier mutmaßlich in den Zinsskandal verwickelten Händlern hat sich die Deutsche Bank in Frankfurt nach langem Hin und Her auf einen Vergleich geeinigt, der ebenfalls Geld kostete.
Ob das Zinskapitel wirklich abgeschlossen ist, ist offen. In den USA könnten auch Sammelklagen von Anlegern gegen die Bank zugelassen werden. Sie müssen aber eindeutig nachweisen, dass ihnen durch die Manipulationen Nachteile entstanden sind.
Aufseher, darunter auch die BaFin, gehen dem Verdacht nach, dass Banken am billionenschweren Devisenmarkt ebenfalls getrickst haben. Einige internationale Großbanken haben in der Sache bereits milliardenschwere Vergleiche geschlossen. Die Deutsche Bank als einer der größten Devisenhändler der Welt nicht. Sie hat Finanzkreisen zufolge aber mehrere Händler vom Dienst suspendiert. Sie stehen offenbar im Verdacht, an Referenzkursen gedreht zu haben. Die Deutsche Bank hat erklärt, dass sie zur Aufklärung des Skandals mit verschiedenen Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet und zudem eine interne Untersuchung gestartet hat. Diese Untersuchung ergab nach Angaben aus Finanzkreisen, dass es bislang keinerlei Hinweise auf Tricksereien bei den großen Währungen Euro, Dollar, Pfund und Yen gibt, wohl aber vereinzelt beim russischen Rubel und dem argentinischen Peso.
Vom Haken sind die Frankfurter aber nicht: In der US-Niederlassung der Bank installierte die New Yorker Finanzaufsicht DFS einen Kontrolleur, der sich Finanzkreisen zufolge nun schon seit einigen Monaten das elektronische Devisenhandelssystem genauer anschaut. Demnach sind Algorithmen der Plattform "Autobahn" Teil der Ermittlungen.
Amerikanische und deutsche Aufseher gehen zudem dem Verdacht nach, dass Geldhäuser den viel beachteten Marktindex für Swap-Geschäfte (Isdafix) zu ihren Gunsten beeinflusst haben. Sie haben auch dazu Informationen von der Deutschen Bank angefordert.
Das US-Justizministerium ermittelt seit mehr als fünf Jahren gegen Finanzinstitute in der Schweiz wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Am Haken haben die Behörden seit 2013 auch die Deutsche Bank. Deren Schweizer Tochter erstatte Selbstanzeige. Finanzkreisen zufolge hat sich die Deutsche Bank bei den US-Behörden gemeldet, weil sie den Verdacht hegte, einige US-Kunden könnten ihr Vermögen in der Schweiz vor dem heimischen Fiskus versteckt haben. Seither würden Daten an die USA geliefert und Anfragen beantwortet. Eine Strafzahlung könne die Bank damit aber wohl nicht abwenden, sondern nur auf einen Rabatt hoffen. Eine Entscheidung steht noch aus. Das Bußgeld kann sich auf bis zu 50 Prozent der versteckten Gelder belaufen.
"Ich sehe uns nicht im Verteidigungsmodus"
„Niemand hat einen ehrlicheren Blick auf die Bank geworfen als ich“, sagt Cryan gleich zu Beginn seines Vortrags. Das klingt, als wolle er seine Kritik der vergangenen Monate rechtfertigen. Offenbar hat er mittlerweile aber etwas genauer hingeschaut und dabei Zeichen der Hoffnung entdeckt. Jedenfalls verkündet er nun, dass die Bank deutlich besser sei, als sie von außen wahrgenommen werde.
Je intensiver er sich mit dem Institut beschäftige, desto mehr Potenzial und Willen zur Veränderung könne er entdecken. „Ich sehe uns nicht im Verteidigungsmodus“, erklärt Cryan.
Um das zu belegen, zählt er anschließend etliche Stärken der Bank auf. Das wirkt so, als habe er einfach mal alles zusammengetragen, was irgendwie gut läuft. Es sind einzelne Puzzleteile, die sich aber nicht zu einem erfreulichen Gesamtbild fügen. Die Bank hat den Stresstest der EZB gut bestanden, bei Börsengängen in den USA mitgewirkt, und viele lukrative Aufträge in der Unternehmensfinanzierung gewonnen. Besonders intensiv lobt Cryan die Transaktionsbank. Das Geschäft mit dem internationalen Zahlungsverkehr läuft gut, steuert mit 4,6 Milliarden Euro aber nicht mal 15 Prozent zu den gesamten Erträgen der Bank bei. Die großen Herausforderungen in den Kerngeschäften Investmentbanking und Privatkundengeschäft kommen nur am Rande vor.
„Wir haben ein funktionierendes Geschäftsmodell“, zieht Cryan ein optimistisches Fazit seiner ausgiebigen Auflistung. Wirklich belegt hat er das freilich noch nicht, und er selbst räumt auch ein, dass die Bank erst noch beweisen müsse, dass sie ausreichend profitabel sein könne.
Trotzdem markiert der Auftritt für ihn so etwas wie einen Wendepunkt. Cryan lässt etwas Licht ins Dunkel, er gibt ein zaghaftes Aufbruchssignal. Das ist wenig. Aber für die zutiefst verunsicherte Deutsche Bank ist das schon viel.