




Das von Anshu Jain und Jürgen Fitschen bei ihrem Antritt als Chefs der Deutschen Bank ausgerufene Projekt Kulturwandel ist bisher reichlich wolkig geblieben. Angesichts der Flut von Prozessen und Skandalen, mit denen das Institut seit Monaten unfreiwillig auf sich aufmerksam macht, hat es das Stadium des So-nicht-mehr-weiter kaum verlassen. Das soll sich nun ändern. Dazu hat eine vor Monaten eingesetzte Kommission unter Leitung des früheren BASF-Chefs Jürgen Hambrecht nun einen Bericht zur Vergütungspraxis in dem Institut vorgelegt. Die daraus abgeleiteten Erkenntnisse sollen einer der zentralen Bausteine für künftigen sein.
Hambrecht zeigt sich bei der Vorstellung erst einmal überrascht, wie kompliziert die Materie doch ist. In der chemischen Industrie sei die Produktion komplett durchreguliert, bei den Banken die Entlohnung, sagt er. Seine anschließende Botschaft gar nicht so revolutionär: Im Grunde ist das, was er vorgefunden hart, gar nicht so schlimm, wie es die Berichte über Bonusexzesse nahelegen.
Es ist denn auch keine Kulturrevolution, sondern eine Arbeit am Detail, die der Ex-Chemiemanager vorschlägt. Und die, daran lässt er keinen Zweifel, braucht Zeit. Denn, das ist Hambrechts oberste Maxime, die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bank darf auf keinen Fall leiden. Bei so viel Verständnis ist es kein Wunder, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner und Personalvorstand Stephan Leithner herzlich bei Hambrecht bedanken.
Rechtsstreitigkeiten der Deutschen Bank
Die Deutsche Bank sieht sich mit diversen Klagen vor allem in den USA und in Deutschland konfrontiert. Eine Übersicht über die Vorwürfe und Verfahren allein seit Anfang 2011, von denen einzelne bereits abgeschlossen sind.
Der Bundesgerichtshof gibt der Deutschen Bank im März 2011 eine schallende Ohrfeige: Sie muss an einen hessischen Mittelständler mehr als eine halbe Million Euro Schadenersatz zahlen. Diesen Betrag hatte der Kläger mit einem komplizierten Zinsswap-Geschäft verloren, das die Bank nach Auffassung des BGH „bewusst zulasten des Anlegers“ konstruiert hatte. In der Folge einigt sie sich mit zahlreichen Kommunen und Unternehmen nach Angaben von Anwälten auf Vergleiche.
In den US-Untersuchungen zur Rolle der Wall Street in der Finanzkrise erhebt ein Senatsausschuss am 13. April 2011 schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Bank und Goldman Sachs. Der Deutschen Bank wird vorgeworfen, umstrittene Finanzprodukte aufgelegt zu haben. So habe sie unter anderem einen milliardenschweren verbrieften Hypothekenkredit (CDO) namens „Gemstone 7“ geschnürt und verkauft, bevor der Markt abstürzte. Der zuständige Händler habe gewusst, dass das Paket minderwertige Assets enthalte.
Die EU-Wettbewerbshüter knöpfen sich Ende April 2011 den Handel für Kreditausfallversicherungen (CDS) vor, mit dem sich Investoren und Spekulanten gegen Pleiten von Staaten und Firmen absichern. Die Kartellermittlungen richten sich gegen 16 Investmentbanken, darunter die Deutsche Bank.
Die Deutsche Bank bestätigt Anfang Mai 2011, dass die Stadt Los Angeles eine Klage gegen das Institut im Zusammenhang mit umstrittenen Zwangsräumungen eingereicht hat. Die Bank sei über Tochterunternehmen einer der größten „Slumlords“ der Millionenmetropole, heißt es in der Klageschrift, die Entschädigungszahlungen von mehreren hundert Millionen Dollar nach sich ziehen könnte. Sie habe Hunderte Anwesen verfallen lassen und Menschen zu Unrecht aus ihrem Heim vertrieben.
Die US-Aufsichtsbehörde Federal Housing Finance Agency (FHFA) verklagt am 2. September 2011 17 Banken wegen umstrittener Hypothekengeschäfte, darunter die Deutsche Bank. Die Behörde wirft ihnen vor, beim Verkauf von mit Hypotheken unterlegten Wertpapieren falsche Angaben gemacht zu haben. Der Klageschrift zufolge werden finanzielle Schäden auf Hypotheken-Anleihen über insgesamt fast 200 Milliarden Dollar geltend gemacht - davon entfallen mehr als 14 Milliarden auf die Deutsche Bank. Das Geldhaus weist die Vorwürfe als unbegründet zurück.
Laut „Financial Times“ nehmen die britischen Behörden von der Deutschen Bank und anderen Instituten zusammengestellte Wertpapiere im September 2011 wegen Betrugsverdachts unter die Lupe. Die Untersuchung des Serious Fraud Office (SFO) solle Beweise dafür liefern, dass die Banken ihren Kunden beim Verkauf von forderungsbesicherten Wertpapieren in Großbritannien falsche Informationen geliefert hätten. Laut SFO-Direktor Richard Alderman sind die Ermittlungen schwierig, da die Behörde den Instituten eine Betrugsabsicht nachweisen müsse.
Die Staatsanwaltschaft München durchsucht am 14. November 2011 Vorstandsbüros und die Rechtsabteilung im Zusammenhang mit dem Kirch-Prozess. Gegen den damals noch amtierenden Vorstandschef Josef Ackermann werde wegen des Verdachts auf Prozessbetrug ermittelt. Auch gegen den damaligen Aufsichtsratschef Clemens Börsig, Ex-Vorstandschef Rolf Breuer und den früheren Personalchef Tessen von Heydebreck werde ermittelt. Die Bank und die Betroffenen halten die Beschuldigungen für haltlos und das Vorgehen der Staatsanwaltschaft für unverhältnismäßig.
Die Pleite der US-Finanzfirma MF Global hat für die Deutsche Bank ein juristisches Nachspiel. Zwei US-Pensionsfonds verklagen im November 2011 Abteilungen des Frankfurter Instituts sowie sechs weiterer Geldhäuser, die MF Global bei der Erstellung von Anleihe-Angeboten unterstützt haben. Die Kläger werfen den Banken vor, in den Prospekten Probleme verschwiegen zu haben, die schließlich zum Kollaps des Brokerhauses geführt haben. Mit der Klage nehmen die Fonds vor allem finanzstarke Institute ins Visier, um ihre Verluste nach dem MF-Global-Zusammenbruch auszugleichen.
Sechs Händler werden wegen eines 230 Millionen Euro schweren Umsatzsteuerkarussells mit CO2-Verschmutzungszertifikaten am 21. Dezember 2011 in Frankfurt zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Handel wurde über die Deutsche Bank abgewickelt. Unter den 170 Beschuldigten im Visier der Staatsanwaltschaft sind auch sieben Mitarbeiter der Bank. Gegen sie gibt es noch keine Anklagen, die Bank hat aber 310 Millionen Euro Umsatzsteuerforderungen aus dem CO2-Handel abgeschrieben.
Eine Schadenersatzklage der BayernLB gegen die Deutsche Bank wegen Verlusten mit verbrieften Häuserkrediten (RMBS) in den USA wird am 19. April 2012 bekannt. Die Bank habe beim Verkauf falsche Angaben zur Qualität des Portfolios gemacht, klagt die Landesbank. Viele Banken legen Klage wegen der RMBS ein, um keine Fristen zu versäumen.
Die Deutsche Bank legt ihren wichtigsten Streit mit der US-Regierung um faule Hypotheken in den USA am 10. Mai 2012 bei. Die Bank zahlt in einem Vergleich 202 Millionen Dollar. Die US-Regierung hatte dem Geldhaus und dessen einstiger Immobilientochter MortgageIT vorgeworfen, sich mit falschen Angaben zu faulen Krediten den Zugang zu einem Regierungsprogramm erschlichen zu haben, das für Hypotheken bürgte.
Der milliardenschwere Schadenersatzprozess um die Pleite des Münchener Medienunternehmers Leo Kirch geht im Mai 2012 auf die Zielgerade. Er hatte dem ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer die Schuld am Zusammenbruch seines Imperiums vor mehr als zehn Jahren gegeben. Nach Kirchs Tod betreiben seine Erben den Prozess weiter. Ein vom Gericht vorgeschlagener Vergleich, nach dem die Deutsche Bank rund 800 Millionen Euro gezahlt hätte, ist kurz vorher gescheitert.
Am 6. Juli 2012 wird bekannt, dass die Finanzaufsicht Bafin bei der Deutschen Bank eine Sonderprüfung wegen ihrer möglichen Verwicklung in die Affäre um die Manipulation des Londoner Interbanken-Zinssatzes Libor eingeleitet hat. Weltweit wird in der Sache gegen 16 der 22 Institute ermittelt, die Daten für die Berechnung des Libor geliefert haben. Auch der Euribor-Zinssatz soll manipuliert worden sein.
Die „New York Times“ berichtete am 18. August, dass die US-Behörden die Rolle der Deutschen Bank im Umgang mit Geldern aus dem Iran, dem Sudan und anderen von Sanktionen betroffenen Staaten prüft. Es geht um Geschäfte vor dem Jahr 2008. Die Deutsche Bank ist eine der letzten globalen Finanzfirmen, die unter die Lupe genommen wird. Die Untersuchungen sind aber noch in einem frühen Stadium. Die Bank hat nach eigenen Angaben alle Geschäfte mit dem Iran 2007 eingestellt.
Quelle: Reuters
Nach den Vorwürfen eines ehemaligen Analysten, der der Bank vorwarf, die Bilanz gefälscht und Milliardenverluste versteckt zu haben, kommt es zur Razzia. Am 11. Dezember stürmen Dutzende Polizisten die Deutsche-Bank-Zentrale, verhaften Angestellte und nehmen Ermittlungen auf. Das Brisante: Ausgerechnet der als Vorzeigebanker geltende Co-Chef Jürgen Fitschen rückte ins Visier der Ermittlungen.
Im Zuge der Razzia wurden neue Vorwürfe gegen die Deutsche Bank bekannt. Beim Handel mit Emissionsrechten, sogenannten CO2-Zertifikaten, soll das Institut bewusst die anfallende Umsatzsteuer vorenthalten haben. Ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung musste der Kirch-Verhandlung fernbleiben, weil er wegen des CO2-Falls vorübergehend im Gefängnis sitzt.
Die entsprechende Steuererklärung im Jahr 2009 hat Co-Vorstandschef Fitschen unterschrieben. Von Seiten der Bank heißt es, Fitschen habe das Papier nur durch Zufall unterschrieben und sei für die Vorwürfe nicht verantwortlich.
Am 14. Dezember 2012 kommt es nach zehn Jahren das sensationelle Urteil des Oberlandesgerichts im Streit mit den Erben des Medienmanagers Leo Kirch: Die Deutsche Bank muss Schadenersatz für Verluste in Folge der Pleite des Kirch-Imperiums 2002 zahlen. Die Höhe der Wiedergutmachung sollen zwei Gutachter bestimmen, für deren Benennung beide Seiten bis Ende Januar Vorschläge unterbreiten können. Die Kirch-Seite hatte die Bank in diesem Verfahren auf mehr als zwei Milliarden Euro verklagt. Eine Revision gegen das Urteil ist nicht zugelassen.
Nach der Razzia am 14. Dezember 2012 hätten die Behörden den Konzern aufgefordert, umfangreiche Dokumente zu rund 40 Mitarbeitern zu liefern, um zu klären, inwieweit die Bank an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war, berichtet der "Spiegel". Diese Daten seien jedoch laut Staatsanwaltschaft absichtlich verzögert und unvollständig gesichert übergeben worden, hieß es. So seien 20.000 E-Mails gelöscht und zu neun Mitarbeitern gar keine Mail-Konten übergeben worden.
Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen soll sich in einem Telefonat mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier über den Polizeieinsatz beschwert haben. Der habe sich jedoch geweigert, in laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu intervenieren.
Die vermuteten Exzesse fehlen aus Sicht der Kommission auf allen Ebenen: Die Aufsichtsratsvergütung, so Hambrecht, ist bei der Deutschen Bank in der Höhe unterdurchschnittlich. Sie ist allenfalls etwas kompliziert. Das ändert Achleitner gleich mit klaren Worten. Künftig gibt es nur noch feste Gehälter, drei Viertel davon bar, ein Viertel in Aktien.
Die Vorstandsvergütung reißt ebenfalls nicht nach oben aus. Im Jahr 2012 haben Jain und Fitschen jeweils 4,8 Millionen Euro bekommen, auch das weniger als ein durchschnittlicher Dax-Chef, der allerdings allein. Der gesamte Vorstand bekommt rund 26 Millionen – wobei noch die Zahlungen an die ausgeschiedenen Hugo Bänziger, Hermann-Josef Lamberti und Josef Ackermann dabei sind. Allerdings hat die Deutsche Bank auch ein weit unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt.