Deutsche-Bank-Prozes Gericht versetzt Staatsanwaltschaft einen Dämpfer

Auch 2016 muss sich der Co-Chef Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, gemeinsam mit Ackermann, Breuer und Co auf viele Prozesstage im Münchner Landgericht einstellen. Allerdings werden zwölf Zeugen nicht mehr geladen.

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Der Co-Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, im Oktober im Verhandlungssaal im Landgericht München. Quelle: dpa

Im Prozess gegen Deutsche-Bank -Co-Chef Jürgen Fitschen und frühere Topmanager des Instituts hat das Landgericht München der Staatsanwaltschaft einen weiteren Dämpfer versetzt. Der Vorsitzende Richter Peter Noll bezeichnete am Dienstag zwölf Zeugen der Anklage als überflüssig, darunter den US-Medienmogul Rupert Murdoch und mehrere Banker. Eine Vernehmung sei "zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich" oder "für die Entscheidung ohne Bedeutung", verlas der Richter aus seiner zehnseitigen Begründung. Zugleich machte er noch einmal deutlich, dass er hohe Hürden für eine Verurteilung der Manager wegen versuchten Prozessbetrugs sieht. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen im Fitschen-Prozess.

Wo die Deutsche Bank überall Ärger hat

Wie ist der Stand der Dinge in dem Prozess?

Seit Ende April muss Fitschen als amtierender Co-Chef der Deutschen Bank zusammen mit seinen beiden Vorgängern Ackermann und Breuer fast jeden Dienstag ins Münchner Landgericht kommen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Managern vor, im Jahr 2011 mit zwei weiteren Angeklagten Richter des Oberlandesgerichts München angelogen zu haben. Damit wollten sie laut Anklage verhindern, dass die Deutsche Bank den Erben des Medienunternehmers Leo Kirch Schadenersatz für die Pleite des Unternehmens zahlen musste. Versuchten Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall nennen die Ankläger das. Fitschen und die anderen Angeklagten bestreiten dies. Um die Vorwürfe aufzuklären, haben die Richter bereits Dutzende Zeugen befragt und zahlreiche Dokumente gesichtet.

Warum dauert das Verfahren so lange?

Nach der ersten Terminplanung der Richter sollte der Prozess eigentlich schon im September abgeschlossen sein. Die Staatsanwaltschaft stellte aber mehrere Beweisanträge, in denen sie die Vernehmung weiterer Zeugen forderte. Dadurch wurden zusätzliche Verhandlungstermine nötig. Danach hoffte Richter Peter Noll auf einen Abschluss vor Weihnachten - aber auch daraus wurde nichts, weil immer noch Zeugenvernehmungen ausstehen. Nun sind Termine bis zum Februar festgelegt. „Vielleicht bewahrheitet sich ja der alte Slogan: Am Aschermittwoch ist alles vorbei“, sagte Noll vor wenigen Wochen.

Inzwischen wackelt auch dieser Zeitplan, denn die Staatsanwaltschaft hat wieder einen neuen Beweisantrag gestellt und viele weitere in Planung. „Da ist noch sehr, sehr viel zu tun“, sagte Oberstaatsanwältin Christiane Serini am Dienstag. Bei einigen Verteidigern sorgte das für genervte Gesichter: Sie hatten der Staatsanwaltschaft mehrmals Prozessverschleppung vorgeworfen.

Die Auf- und Absteiger im Deutsche-Bank-Vorstand
Der Co-Chef der Deutschen Bank, John Cryan, steht seit 1. Juli an der Spitze des Instituts – davor war er bereits zwei Jahre im Aufsichtsrat tätig. Der Ex-Finanzvorstand der Schweizer Großbank UBS hat zuletzt die Bilanz der Bank durchforstet und riesigen Abschreibungsbedarf entdeckt: Im dritten Quartal ist ein Verlust von mehr als sechs Milliarden Euro angefallen. Das Großreinemachen ist ein Baustein eines Neuanfangs bei der Deutschen Bank – am 18. Oktober 2015 folgte ein zweites Element: ein umfassender Umbau des Vorstands. Quelle: Presse
Der Vorstand wird von derzeit acht auf künftig zehn Mitglieder erweitert – dafür werden der erweiterte Vorstand, das „Group Executive Committee“, sowie etliche Ausschüsse abgeschafft. Zu den neuen starken Männern wird Jeff Urwin zählen. Er leitet ab Januar 2016 die umstrukturierte Unternehmenskunden- und Investmentbank (Corporate & Investment Banking) und zieht dann auch in den Vorstand ein. Der Manager war zuvor einer der Leiter des globalen Bankings der US-Großbank JP Morgan. Bislang stand Urwin noch Colin Fan zur Seite, doch Fan wird die Bank verlassen. Urwin hat bislang von New York aus gearbeitet – ob das auch nach der Berufung in den Vorstand so bleibt, hat die Deutsche Bank nicht mitgeteilt. Auch wenn er schon lange in den USA arbeitet – Urwin ist wie sein Chef John Cryan ein Brite. Quelle: imago images
Der bisherige Chef des globalen Aktiengeschäfts, Garth Ritchie, führt ab sofort alle Handelsaktivitäten, die früher dem Investmentbanking zugeordnet waren. Dazu zählen sämtliche Wertpapiere wie Anleihen und Kreditausfallversicherungen sowie auch Devisen. Die Einheit trägt jetzt die Bezeichung „Global Markets“ und wird von Ritchie ab Januar 2016 auch im Vorstand repräsentiert werden. Ritchie arbeitet seinem Profil beim Karriereportal LinkedIn zufolge seit 19 Jahren für die Bank. Sein Büro ist in London. Quelle: dpa
Seit Mai leitet der zuvor für Rechtsfragen zuständige Christian Sewing den Privat- und Geschäftskundenbereich der Deutschen Bank. Ihm wird im Zuge des Konzernumbaus ein weiteres Aufgabengebiet zugeschlagen: die Betreuung vermögender Privatkunden. Dieses Segment gehörte bislang zur Vermögensverwaltung Deutsche Asset & Wealth Management. Quelle: dpa
Das Asset Management – also die Betreuung von institutionellen Anlegern und das Geschäft mit Fonds („DWS“) – übernimmt der Brite Quintin Price. Zum 1. Januar 2016 wird er sein Amt antreten und dann auch in den Vorstand einziehen. Price ist bislang für den weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock tätig. Er leitete dort unter anderem das Geschäft für Fonds mit sogenannten Alpha-Strategien. Quelle: Jonas Melzer
Sylvie Matherat zieht in den Vorstand ein. Die Französin (Bild aus dem Jahr 2008) war einst Direktoriumsmitglied der französischen Zentralbank und trägt künftig den Titel „Chief Regulatory Officer “. Damit ist sie für die Kontaktpflege zu Aufsichtsbehörden zuständig. Das Ressort Matherats umfasst auch die Regeleinhaltung („Compliance“) und den Kampf gegen die Finanzkriminalität. Matherat ist damit seit fast zwanzig Jahren die erste Frau im Vorstand der Deutschen Bank. Vor ihr hatte Ellen Schneider-Lenné von 1988 bis 1996 dem Gremium angehört. Quelle: dpa
Als zweite Frau wird Kimberly „Kim“ Hammonds in den Vorstand einziehen. Die ehemalige IT-Chefin des Flugzeugherstellers Boeing arbeitet seit 2013 für die Deutsche Bank. Die Amerikanerin erhält den Titel „Chief Operating Officer “ und wird vor allem für die Modernisierung der technischen Infrastruktur der Bank die Verantwortung tragen. Sie kann allerdings erst mit einiger Verzögerung in den Vorstand einziehen. Sie muss zunächst Erfahrung im Kreditgeschäft erwerben, wie es das Kreditwesengesetz für Vorstandsmitglieder vorsieht. Spätestens im Oktober 2016 soll sie dann in das Gremium einrücken. Quelle: Presse

Muss Fitschen mit einer Verurteilung rechnen?

Aus Sicht seines Anwalts Hanns Feigen ganz sicher nicht. „Das wird ein Freispruch ohne Wenn und Aber“, sagte er vor wenigen Tagen. Die Staatsanwaltschaft habe sich verrannt und werde mit ihren Vorwürfen einen Totalschaden erleiden. Auch die Verteidiger der anderen Angeklagten sind zuversichtlich. Die Staatsanwaltschaft hingegen ist weiterhin von ihrer Anklage überzeugt. Allerdings war Fitschen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in der Gruppe der fünf Angeklagten keine treibende Kraft. Er habe im Gegensatz zu den anderen vor dem Oberlandesgericht nicht aktiv falsch ausgesagt - jedoch auch nichts dagegen unternommen, sie an Falschaussagen zu hindern.

Wie ist die Stimmung im Gerichtssaal?

Anfangs war sie gespannt, später gereizt - inzwischen ist sie vergiftet: Von Beginn an kam es zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigern zu Wortgefechten, die über das normale Maß in einem Strafprozess hinausgehen. Vor zwei Wochen eskalierte der Streit derart, dass die Deutsche Bank ihre Kooperation mit der Staatsanwaltschaft aufkündigte und eine Entschuldigung verlangte. Auslöser waren neue Vorwürfe der Ankläger: Die Bank, so ihr Verdacht, bereite Mitarbeiter womöglich gezielt auf Zeugenaussagen in dem Verfahren vor. „Mock Trial“ heißt diese Praxis in den USA.

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