Im Prozess gegen Deutsche-Bank -Co-Chef Jürgen Fitschen und frühere Topmanager des Instituts hat das Landgericht München der Staatsanwaltschaft einen weiteren Dämpfer versetzt. Der Vorsitzende Richter Peter Noll bezeichnete am Dienstag zwölf Zeugen der Anklage als überflüssig, darunter den US-Medienmogul Rupert Murdoch und mehrere Banker. Eine Vernehmung sei "zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich" oder "für die Entscheidung ohne Bedeutung", verlas der Richter aus seiner zehnseitigen Begründung. Zugleich machte er noch einmal deutlich, dass er hohe Hürden für eine Verurteilung der Manager wegen versuchten Prozessbetrugs sieht. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen im Fitschen-Prozess.
Wo die Deutsche Bank überall Ärger hat
Im Juni wurde bekannt, dass Ermittler rund um den Globus dem Verdacht nachgehen, russische Kunden könnten über die Deutsche Bank Rubel-Schwarzgeld im Wert von mindestens sechs Milliarden Dollar gewaschen haben. Die Bank hat versprochen, zur Aufarbeitung der Affäre mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Mehrere Mitarbeiter in der Moskauer Niederlassung wurden deshalb vor die Tür gesetzt, darunter auch der ehemalige Chef-Händler in Russland, Tim Wiswell.
Inzwischen hat die Affäre eine neue Dimension erreicht: Das US-Justizministerium und die Finanzbehörde von New York (DFS) prüfen laut einem Medienbericht, ob die Bank gegen Sanktionen verstoßen hat. Dabei gehe es auch um die Frage, ob Geschäfte mit Vertrauten von Russlands Präsident Wladimir Putin gemacht wurden und ob die Bank intern geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um solche Verstöße zu verhindern.
Schon länger steht die Deutsche Bank im Verdacht, gegen Sanktionen verstoßen zu haben, die die USA gegen Länder wie den Iran verhängt haben. Die Gespräche über einen Vergleich laufen, wie Insider berichten. Intern gab es zuletzt die Hoffnung, dass dieses Thema zeitnah abgeschlossen werden kann. Die Bank hat betont, sie habe sich bereits 2007 aus Iran-Geschäften zurückgezogen. Einige andere Finanzinstitute mussten für Vergleiche in der Sache bereits tief in die Tasche greifen: Die französische BNP Paribas zahlte knapp neun Milliarden Dollar, die Commerzbank 1,45 Milliarden Dollar.
Ende 2013 zahlte die Deutsche Bank 1,4 Milliarden Euro für die Beilegung ihres größten Rechtsstreits im Zusammenhang mit fragwürdigen Hypothekengeschäften in den USA. Das Institut soll vor der Finanzkrise beim Verkauf von Wertpapieren, die mit Hypotheken unterlegt sind, falsche Angaben gemacht haben. Andere Verfahren, die die amerikanischen Federal Housing Finance Agency (FHFA) gegen die Deutsche Bank und weitere Häuser angestrengt hatte, sind aus dem Vergleich jedoch ausgeklammert. Auch andere Klagen liegen noch auf dem Tisch und könnten potenziell viel Geld kosten.
Die Bank ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts München mitverantwortlich für die Pleite des Medienkonzerns im Jahr 2002. Grund ist ein Interview des damaligen Bankchefs Rolf Breuer, in dem dieser Zweifel an Kirchs Kreditwürdigkeit gesät hatte. Anfang 2014 einigten sich die Streitparteien in einem Vergleich zwar auf Schadenersatz von 925 Millionen Euro. Doch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen einzelne Spitzenmanager der Bank wegen versuchten Prozessbetrugs liefen weiter. Die Staatsanwaltschaft München erhob schließlich Anklage gegen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen sowie die früheren Spitzenmanager Josef Ackermann, Rolf Breuer und Clemens Börsig. Prozessauftakt war im April, das Verfahren zieht sich. Die Ermittlungen wurden zudem auf den heutigen Rechtsvorstand Stephan Leithner und die Anwälte der Bank ausgeweitet.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Bank wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Betrug mit CO2-Verschmutzungsrechten. Rund 500 bewaffnete Polizisten und Steuerfahnder hatten deshalb Ende 2012 den Hauptsitz der Bank in Frankfurt und andere Büros durchsucht. Co-Chef Fitschen und der langjährige Finanzvorstand Stefan Krause gehörten zu ursprünglich 25 Mitarbeitern der Bank, gegen die in der Affäre wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde. Denn Fitschen und Krause hatten die auf dem CO2-Betrug basierende Steuererklärung unterzeichnet. Im August diesen Jahres erhob die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt schließlich gegen acht beteiligte Kundenbetreuer und Händler der Deutschen Bank Anklage wegen "bandenmäßiger Steuerhinterziehung".
Wegen der Manipulation wichtiger Referenzzinssätze wie Euribor und Libor musste die Deutsche Bank viel Geld abdrücken. Die EU-Kommission verhängte Ende 2013 eine Strafe von 1,7 Milliarden Euro gegen sechs Großbanken, davon entfiel mit 725 Millionen Euro der Löwenanteil auf das Frankfurter Geldhaus. Die Behörden in Großbritannien und den USA brummten der Bank eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar auf. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hat in ihrem Bericht zur Zinsaffäre eine Reihe von Top-Managern scharf angegriffen und ihnen zu laxe interne Kontrollen beziehungsweise eine mangelnde Aufklärung der Tricksereien vorgeworfen. Darunter war auch Co-Vorstandschef Anshu Jain, der im Frühsommer sein Amt zur Verfügung stellte. Einen Zusammenhang zwischen dem Rücktritt und dem BaFin-Bericht wies die Bank allerdings zurück.
Mit vier mutmaßlich in den Zinsskandal verwickelten Händlern hat sich die Deutsche Bank in Frankfurt nach langem Hin und Her auf einen Vergleich geeinigt, der ebenfalls Geld kostete.
Ob das Zinskapitel wirklich abgeschlossen ist, ist offen. In den USA könnten auch Sammelklagen von Anlegern gegen die Bank zugelassen werden. Sie müssen aber eindeutig nachweisen, dass ihnen durch die Manipulationen Nachteile entstanden sind.
Aufseher, darunter auch die BaFin, gehen dem Verdacht nach, dass Banken am billionenschweren Devisenmarkt ebenfalls getrickst haben. Einige internationale Großbanken haben in der Sache bereits milliardenschwere Vergleiche geschlossen. Die Deutsche Bank als einer der größten Devisenhändler der Welt nicht. Sie hat Finanzkreisen zufolge aber mehrere Händler vom Dienst suspendiert. Sie stehen offenbar im Verdacht, an Referenzkursen gedreht zu haben. Die Deutsche Bank hat erklärt, dass sie zur Aufklärung des Skandals mit verschiedenen Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet und zudem eine interne Untersuchung gestartet hat. Diese Untersuchung ergab nach Angaben aus Finanzkreisen, dass es bislang keinerlei Hinweise auf Tricksereien bei den großen Währungen Euro, Dollar, Pfund und Yen gibt, wohl aber vereinzelt beim russischen Rubel und dem argentinischen Peso.
Vom Haken sind die Frankfurter aber nicht: In der US-Niederlassung der Bank installierte die New Yorker Finanzaufsicht DFS einen Kontrolleur, der sich Finanzkreisen zufolge nun schon seit einigen Monaten das elektronische Devisenhandelssystem genauer anschaut. Demnach sind Algorithmen der Plattform "Autobahn" Teil der Ermittlungen.
Amerikanische und deutsche Aufseher gehen zudem dem Verdacht nach, dass Geldhäuser den viel beachteten Marktindex für Swap-Geschäfte (Isdafix) zu ihren Gunsten beeinflusst haben. Sie haben auch dazu Informationen von der Deutschen Bank angefordert.
Das US-Justizministerium ermittelt seit mehr als fünf Jahren gegen Finanzinstitute in der Schweiz wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Am Haken haben die Behörden seit 2013 auch die Deutsche Bank. Deren Schweizer Tochter erstatte Selbstanzeige. Finanzkreisen zufolge hat sich die Deutsche Bank bei den US-Behörden gemeldet, weil sie den Verdacht hegte, einige US-Kunden könnten ihr Vermögen in der Schweiz vor dem heimischen Fiskus versteckt haben. Seither würden Daten an die USA geliefert und Anfragen beantwortet. Eine Strafzahlung könne die Bank damit aber wohl nicht abwenden, sondern nur auf einen Rabatt hoffen. Eine Entscheidung steht noch aus. Das Bußgeld kann sich auf bis zu 50 Prozent der versteckten Gelder belaufen.
Wie ist der Stand der Dinge in dem Prozess?
Seit Ende April muss Fitschen als amtierender Co-Chef der Deutschen Bank zusammen mit seinen beiden Vorgängern Ackermann und Breuer fast jeden Dienstag ins Münchner Landgericht kommen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Managern vor, im Jahr 2011 mit zwei weiteren Angeklagten Richter des Oberlandesgerichts München angelogen zu haben. Damit wollten sie laut Anklage verhindern, dass die Deutsche Bank den Erben des Medienunternehmers Leo Kirch Schadenersatz für die Pleite des Unternehmens zahlen musste. Versuchten Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall nennen die Ankläger das. Fitschen und die anderen Angeklagten bestreiten dies. Um die Vorwürfe aufzuklären, haben die Richter bereits Dutzende Zeugen befragt und zahlreiche Dokumente gesichtet.
Warum dauert das Verfahren so lange?
Nach der ersten Terminplanung der Richter sollte der Prozess eigentlich schon im September abgeschlossen sein. Die Staatsanwaltschaft stellte aber mehrere Beweisanträge, in denen sie die Vernehmung weiterer Zeugen forderte. Dadurch wurden zusätzliche Verhandlungstermine nötig. Danach hoffte Richter Peter Noll auf einen Abschluss vor Weihnachten - aber auch daraus wurde nichts, weil immer noch Zeugenvernehmungen ausstehen. Nun sind Termine bis zum Februar festgelegt. „Vielleicht bewahrheitet sich ja der alte Slogan: Am Aschermittwoch ist alles vorbei“, sagte Noll vor wenigen Wochen.
Inzwischen wackelt auch dieser Zeitplan, denn die Staatsanwaltschaft hat wieder einen neuen Beweisantrag gestellt und viele weitere in Planung. „Da ist noch sehr, sehr viel zu tun“, sagte Oberstaatsanwältin Christiane Serini am Dienstag. Bei einigen Verteidigern sorgte das für genervte Gesichter: Sie hatten der Staatsanwaltschaft mehrmals Prozessverschleppung vorgeworfen.
Muss Fitschen mit einer Verurteilung rechnen?
Aus Sicht seines Anwalts Hanns Feigen ganz sicher nicht. „Das wird ein Freispruch ohne Wenn und Aber“, sagte er vor wenigen Tagen. Die Staatsanwaltschaft habe sich verrannt und werde mit ihren Vorwürfen einen Totalschaden erleiden. Auch die Verteidiger der anderen Angeklagten sind zuversichtlich. Die Staatsanwaltschaft hingegen ist weiterhin von ihrer Anklage überzeugt. Allerdings war Fitschen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in der Gruppe der fünf Angeklagten keine treibende Kraft. Er habe im Gegensatz zu den anderen vor dem Oberlandesgericht nicht aktiv falsch ausgesagt - jedoch auch nichts dagegen unternommen, sie an Falschaussagen zu hindern.
Wie ist die Stimmung im Gerichtssaal?
Anfangs war sie gespannt, später gereizt - inzwischen ist sie vergiftet: Von Beginn an kam es zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigern zu Wortgefechten, die über das normale Maß in einem Strafprozess hinausgehen. Vor zwei Wochen eskalierte der Streit derart, dass die Deutsche Bank ihre Kooperation mit der Staatsanwaltschaft aufkündigte und eine Entschuldigung verlangte. Auslöser waren neue Vorwürfe der Ankläger: Die Bank, so ihr Verdacht, bereite Mitarbeiter womöglich gezielt auf Zeugenaussagen in dem Verfahren vor. „Mock Trial“ heißt diese Praxis in den USA.