Auf den ersten Blick kommt die Mitteilung, die die Deutsche Bank am späten Freitagabend in die Welt hinausschickte, einer umfassenden Kapitulation gleich. Auch wenn noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen sein sollen, räumt Bankchef John Cryan erstmals offiziell ein, dass er einige zentrale Punkte seiner Agenda vermutlich nicht wird halten können.
So hatte der Brite immer wieder gesagt, dass eine Kapitalerhöhung vermutlich nicht erforderlich sei und er sie wenn irgend möglich vermeiden wolle. Nun erklärt die Bank, dass sie daran arbeitet, bis zu acht Milliarden Euro bei ihren Aktionären einzusammeln.
Auch an der – von ihm als Aufsichtsrat mit beschlossenen – Trennung von der Postbank hielt Cryan lange fest. Nun heißt es auch offiziell, dass die Bank die Re-Integration des Bonner Instituts prüft. Intern gilt dieser Schritt schon seit fast einem Jahr als wahrscheinliches Szenario. Und auch ein möglicher (Teil)Börsengang des Asset-Managements ist nun amtlich. Auch dem hatte Cryan lange eine Absage erteilt.
Sollte sich zudem bewahrheiten, dass die Bank das gerade erst in zwei Hälften getrennte Investmentbanking wieder zusammenlegt, wäre das Bild einer nahezu kompletten Kehrtwende vollständig. Für Cryan durchaus unangenehm: Schließlich hatte er die von seinen Vorgängern geerbte Strategie zu Beginn seiner Amtszeit gelobt und erklärt, dass es der Bank in der Vergangenheit weniger an Strategien als an deren Umsetzung gefehlt habe.
Das heißt aber nicht, dass die nun diskutierten Schritte falsch wären. Im Gegenteil: Im Grunde wird nun nur offiziell, was Beobachter ohnehin schon lange erwartet haben: Dass der Anfang 2015 beschlossene Weg nicht gangbar sein würde, war für die meisten ohnehin klar.
Für die Bank können die nun angedachten Maßnahmen durchaus sinnvoll sein: Eine Kapitalerhöhung galt schon lange als unausweichlich, nachdem die Bank die wichtigsten Rechtsfälle beigelegt hatte, wird sie die Unsicherheit weiter reduzieren.
Ein Szenario wie im vergangenen Herbst, als es ernste Bedenken um die Stabilität des Instituts gab, wäre damit bis auf Weiteres ausgeschlossen. Das ist auch im Sinne der Aktionäre. Dass das Anzapfen der Märkte funktioniert, dürfte außer Frage stehen. Schließlich hat das kürzlich erst bei der italienischen Unicredit geklappt.
Auch die Kehrtwende bei der Postbank dürfte sich langfristig auszahlen. Zwar hat das Hin und Her wohl bereits einen hohen dreistelligen Millionenbetrag gekostet, eine abermalige Kehrtwende würde die Milliardengrenze sprengen. Die Bank würde so aber Abschreibungen bei einem Börsengang vermeiden und mit der dann wohl unausweichlichen Komplett-Integration zudem dauerhaft ihre Finanzierungskosten senken. Denn dann dürfte sie anders als bisher auf die Einlagen der Postbank-Kunden zugreifen.
Noch sinnvoller wäre der Verbleib der Bonner Bank, wenn die Deutsche Bank perspektivisch mit der Commerzbank zusammen gehen sollte. Dann würde ein wirklich großer Spieler auf dem deutschen Privatkundenmarkt entstehen.
Auf jeden Fall käme Cryan mit diesen Schritten bei der schwierigen Sanierung der Bank entscheidend voran. Die ist von Anfang an seine Mission gewesen. Dass sie in absehbarer Zeit beendet sein könnte, zeigen zwei Personalien: Offenbar sollen die beiden Vorstände Marcus Schenck und Christian Sewing offiziell zu Cryans Stellvertretern aufrücken.
Inoffiziell gelten sie schon lange als mögliche Nachfolger eines Chefs, der trotz des offenkundigen Scheiterns letztlich ziemlich erfolgreich sein könnte.