Das Thema zog. Vor zahlreichen Gästen jüngeren Alters debattierte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jens Spahn, mit dem Mitgründer des Zahlungsdienstleisters Paypal, Peter Thiel. Es ging darum, wie „Innovationen die Zukunft retten können“ und welche Rolle Banken dabei spielen. Und auch darum, wie Fintechs allmählich Banken das Wasser abgraben. „Paypal wurde vor 17 Jahren gegründet und hat einen höheren Börsenwert als die Deutsche Bank“, sagte Spahn auf der Veranstaltung Anfang Juni. „Was aber derzeit auch nicht so schwer ist“, fügte er unter dem Gelächter der Gäste im prächtigen Matthias-Erzberger-Saal des Ministeriums an.
Gewinnrückgang erwartet
Die Aktie notiert am Dienstag bei 12,74 Euro, nur 1,50 Euro über ihrem Allzeittief. Am Mittwoch legt die Bank Quartalszahlen vor und Analysten erwarten einen Rückgang der Erlöse um 15 Prozent, der Gewinn könnte knapp über null oder auch tief im Minus liegen – die von Reuters befragten professionellen Beobachter sind sich uneinig. Auch bei den von der Bank selbst zusammengestellten Schätzungen ist die Spreizung groß.
Spott aus Berlin kann die Deutsche Bank in diesen Wochen also nicht gebrauchen. Die Häme kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Hauptstadt derzeit ein neues Kapitel in der Beziehung zur Deutschen Bank aufgeschlagen wird. War die Bank lange Zeit der Buhmann der Politik, der bei vielen Finanztricksereien dabei war – 6000 juristische Verfahren und Rückstellungen für Rechtsrisiken in Höhe von 5,4 Milliarden Euro legen ein beredtes Zeugnis davon ab – so dreht sich allmählich der Wind. Der tiefe Groll im Regierungsviertel weicht allmählich der Sorge um die Zukunft der Bank.
Auf einen Blick: Probleme bei der Deutschen Bank
Im Ranking der wertvollsten Banken der Welt (nach Marktkapitalisierung in Milliarden Euro) landet die Deutsche Bank mit 40 Milliarden Euro auf Rang 40.
Zum Vergleich: Die Industrial and Commercial Bank of China belegt mit 265 Milliarden Euro den ersten, Wells Fargo (USA) mit 259 Milliarden Euro den zweiten Platz.
Auswahl, gerundet; Stand: 11.05.2015; Quelle: Bloomberg
Die meisten für 2015 ausgegebenen Ziele haben Jürgen Fitschen und Anshu Jain nicht erreicht: Statt bei unter 65 Prozent liegt das Verhältnis von Kosten zu Erträgen bei 84 Prozent, statt einer Nachsteuerrendite von zwölf erzielte die Bank zuletzt drei Prozent, im Investmentbanking waren es fünf statt der avisierten 15 Prozent. Der Vorsteuergewinn im Privatkundengeschäft war 2014 weniger als halb so hoch wie geplant.
2,2 Milliarden Euro zahlte die Deutsche Bank wegen Manipulation von Libor und Euribor.
Co-Chef Fitschen steht derzeit in München wegen versuchten Prozessbetrugs vor Gericht.
Die Manipulation von Libor und Euribor setzt Co-Bankchef Jain unter Druck.
„Ich begrüße, dass nach dem Banken-Bashing der vergangenen Jahre in der Politik allmählich eine andere Wahrnehmung einkehrt. Die deutsche Volkswirtschaft braucht mindestens eine große Bank, die Unternehmen ins Ausland begleiten kann und alle Facetten des Bankgeschäfts beherrscht“, sagt der Vizefraktionschef der Union, Michael Fuchs, dem Handelsblatt. „Das ist nun mal gerade die Deutsche Bank.“ Die Augen vor der jüngsten Vergangenheit des größten deutschen Instituts verschließt er dabei nicht. Natürlich müsse man nicht darüber diskutieren, dass bei der Deutschen Bank in der Vergangenheit gerade im Investmentbanking „gravierende Fehler“ gemacht wurden, so der Politiker.
Kulturwandel sei kein Lippenbekenntnis
„Fehler“, übrigens, die sich immer noch in der Bilanz bemerkbar machen und dazu beigetragen haben, dass die Bank im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Rekordverlust in Höhe von 6,8 Milliarden Euro auswies. Auch der stellvertretende Fraktionschef der SPD, Carsten Schneider, wünscht sich eine „stabile Deutsche Bank“, da die deutsche Volkswirtschaft eine international vernetzte Bank brauche. Der SPD-Politiker sieht Vorstandschef John Cryan in der Verantwortung, „ein neues Geschäftsmodell umzusetzen, das nicht mehr vom Handel getrieben ist“.
Dabei geht Unions-Vize Fuchs davon aus, dass für Cryan der Kulturwandel kein Lippenbekenntnis sei. Dabei ist Kulturwandel so zu verstehen, dass für die Bank stets das Interesse des Kunden im Vordergrund steht, ohne die gesetzlichen Vorgaben zu missachten. Nach der Sommerpause will Fuchs den Bank-Chef treffen. Bereits der ehemalige Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen, habe viel dazu beigetragen, das „schlechte Image der Deutschen Bank zu verbessern“. Er gehe davon aus, dass das im Bundeskanzleramt auch so gesehen werde, meint der gut vernetzte Politiker.
„Wo bleibt die Besserung?“
Beim Thema Kulturwandel ist SPD-Finanzexperte Schneider jedoch deutlich skeptischer eingestellt als sein Koalitionskollege. „Die Bank hat in den vergangenen Jahren viel angekündigt, ohne zu liefern. Da bin ich ein gebranntes Kind“, so Schneider. Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan traut dem Bekenntnis nicht. „Ich habe Zweifel an dem schnellen proklamierten Kulturwandel der Deutschen Bank. Die Geldwäscheaktivitäten in Russland geben da einem schon zu denken. „Wo bleibt die Besserung?“, fragt Radwan.
Investoren abgeschreckt
Das fragen sich offensichtlich auch die Anleger. „Wenn Investoren von einem nachhaltigen Geschäftsmodell ohne Casino bei der Deutschen Bank überzeugt wären, stünde der Aktienkurs nicht dort, wo er steht“, bemerkt der Sozialdemokrat Schneider. In einem Interview mit dem „Spiegel“ hat das Cryan bestätigt. „Die rechtlichen Auseinandersetzungen schrecken immer noch viele Investoren ab“, sagte er. Gleichzeitig tritt er dem Eindruck entgegen, die Deutsche Bank könnte ein Übernahmekandidat sein. Die Deutsche Bank sei immer noch ein großes Institut, zudem dürften Regulierer gegen einen Zusammenschluss großer Institute sein.
Wo die Deutsche Bank überall Ärger hat
Im Juni wurde bekannt, dass Ermittler rund um den Globus dem Verdacht nachgehen, russische Kunden könnten über die Deutsche Bank Rubel-Schwarzgeld im Wert von mindestens sechs Milliarden Dollar gewaschen haben. Die Bank hat versprochen, zur Aufarbeitung der Affäre mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Mehrere Mitarbeiter in der Moskauer Niederlassung wurden deshalb vor die Tür gesetzt, darunter auch der ehemalige Chef-Händler in Russland, Tim Wiswell.
Inzwischen hat die Affäre eine neue Dimension erreicht: Das US-Justizministerium und die Finanzbehörde von New York (DFS) prüfen laut einem Medienbericht, ob die Bank gegen Sanktionen verstoßen hat. Dabei gehe es auch um die Frage, ob Geschäfte mit Vertrauten von Russlands Präsident Wladimir Putin gemacht wurden und ob die Bank intern geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um solche Verstöße zu verhindern.
Schon länger steht die Deutsche Bank im Verdacht, gegen Sanktionen verstoßen zu haben, die die USA gegen Länder wie den Iran verhängt haben. Die Gespräche über einen Vergleich laufen, wie Insider berichten. Intern gab es zuletzt die Hoffnung, dass dieses Thema zeitnah abgeschlossen werden kann. Die Bank hat betont, sie habe sich bereits 2007 aus Iran-Geschäften zurückgezogen. Einige andere Finanzinstitute mussten für Vergleiche in der Sache bereits tief in die Tasche greifen: Die französische BNP Paribas zahlte knapp neun Milliarden Dollar, die Commerzbank 1,45 Milliarden Dollar.
Ende 2013 zahlte die Deutsche Bank 1,4 Milliarden Euro für die Beilegung ihres größten Rechtsstreits im Zusammenhang mit fragwürdigen Hypothekengeschäften in den USA. Das Institut soll vor der Finanzkrise beim Verkauf von Wertpapieren, die mit Hypotheken unterlegt sind, falsche Angaben gemacht haben. Andere Verfahren, die die amerikanischen Federal Housing Finance Agency (FHFA) gegen die Deutsche Bank und weitere Häuser angestrengt hatte, sind aus dem Vergleich jedoch ausgeklammert. Auch andere Klagen liegen noch auf dem Tisch und könnten potenziell viel Geld kosten.
Die Bank ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts München mitverantwortlich für die Pleite des Medienkonzerns im Jahr 2002. Grund ist ein Interview des damaligen Bankchefs Rolf Breuer, in dem dieser Zweifel an Kirchs Kreditwürdigkeit gesät hatte. Anfang 2014 einigten sich die Streitparteien in einem Vergleich zwar auf Schadenersatz von 925 Millionen Euro. Doch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen einzelne Spitzenmanager der Bank wegen versuchten Prozessbetrugs liefen weiter. Die Staatsanwaltschaft München erhob schließlich Anklage gegen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen sowie die früheren Spitzenmanager Josef Ackermann, Rolf Breuer und Clemens Börsig. Prozessauftakt war im April, das Verfahren zieht sich. Die Ermittlungen wurden zudem auf den heutigen Rechtsvorstand Stephan Leithner und die Anwälte der Bank ausgeweitet.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Bank wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Betrug mit CO2-Verschmutzungsrechten. Rund 500 bewaffnete Polizisten und Steuerfahnder hatten deshalb Ende 2012 den Hauptsitz der Bank in Frankfurt und andere Büros durchsucht. Co-Chef Fitschen und der langjährige Finanzvorstand Stefan Krause gehörten zu ursprünglich 25 Mitarbeitern der Bank, gegen die in der Affäre wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde. Denn Fitschen und Krause hatten die auf dem CO2-Betrug basierende Steuererklärung unterzeichnet. Im August diesen Jahres erhob die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt schließlich gegen acht beteiligte Kundenbetreuer und Händler der Deutschen Bank Anklage wegen "bandenmäßiger Steuerhinterziehung".
Wegen der Manipulation wichtiger Referenzzinssätze wie Euribor und Libor musste die Deutsche Bank viel Geld abdrücken. Die EU-Kommission verhängte Ende 2013 eine Strafe von 1,7 Milliarden Euro gegen sechs Großbanken, davon entfiel mit 725 Millionen Euro der Löwenanteil auf das Frankfurter Geldhaus. Die Behörden in Großbritannien und den USA brummten der Bank eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar auf. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hat in ihrem Bericht zur Zinsaffäre eine Reihe von Top-Managern scharf angegriffen und ihnen zu laxe interne Kontrollen beziehungsweise eine mangelnde Aufklärung der Tricksereien vorgeworfen. Darunter war auch Co-Vorstandschef Anshu Jain, der im Frühsommer sein Amt zur Verfügung stellte. Einen Zusammenhang zwischen dem Rücktritt und dem BaFin-Bericht wies die Bank allerdings zurück.
Mit vier mutmaßlich in den Zinsskandal verwickelten Händlern hat sich die Deutsche Bank in Frankfurt nach langem Hin und Her auf einen Vergleich geeinigt, der ebenfalls Geld kostete.
Ob das Zinskapitel wirklich abgeschlossen ist, ist offen. In den USA könnten auch Sammelklagen von Anlegern gegen die Bank zugelassen werden. Sie müssen aber eindeutig nachweisen, dass ihnen durch die Manipulationen Nachteile entstanden sind.
Aufseher, darunter auch die BaFin, gehen dem Verdacht nach, dass Banken am billionenschweren Devisenmarkt ebenfalls getrickst haben. Einige internationale Großbanken haben in der Sache bereits milliardenschwere Vergleiche geschlossen. Die Deutsche Bank als einer der größten Devisenhändler der Welt nicht. Sie hat Finanzkreisen zufolge aber mehrere Händler vom Dienst suspendiert. Sie stehen offenbar im Verdacht, an Referenzkursen gedreht zu haben. Die Deutsche Bank hat erklärt, dass sie zur Aufklärung des Skandals mit verschiedenen Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet und zudem eine interne Untersuchung gestartet hat. Diese Untersuchung ergab nach Angaben aus Finanzkreisen, dass es bislang keinerlei Hinweise auf Tricksereien bei den großen Währungen Euro, Dollar, Pfund und Yen gibt, wohl aber vereinzelt beim russischen Rubel und dem argentinischen Peso.
Vom Haken sind die Frankfurter aber nicht: In der US-Niederlassung der Bank installierte die New Yorker Finanzaufsicht DFS einen Kontrolleur, der sich Finanzkreisen zufolge nun schon seit einigen Monaten das elektronische Devisenhandelssystem genauer anschaut. Demnach sind Algorithmen der Plattform "Autobahn" Teil der Ermittlungen.
Amerikanische und deutsche Aufseher gehen zudem dem Verdacht nach, dass Geldhäuser den viel beachteten Marktindex für Swap-Geschäfte (Isdafix) zu ihren Gunsten beeinflusst haben. Sie haben auch dazu Informationen von der Deutschen Bank angefordert.
Das US-Justizministerium ermittelt seit mehr als fünf Jahren gegen Finanzinstitute in der Schweiz wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Am Haken haben die Behörden seit 2013 auch die Deutsche Bank. Deren Schweizer Tochter erstatte Selbstanzeige. Finanzkreisen zufolge hat sich die Deutsche Bank bei den US-Behörden gemeldet, weil sie den Verdacht hegte, einige US-Kunden könnten ihr Vermögen in der Schweiz vor dem heimischen Fiskus versteckt haben. Seither würden Daten an die USA geliefert und Anfragen beantwortet. Eine Strafzahlung könne die Bank damit aber wohl nicht abwenden, sondern nur auf einen Rabatt hoffen. Eine Entscheidung steht noch aus. Das Bußgeld kann sich auf bis zu 50 Prozent der versteckten Gelder belaufen.
Tatsächlich wurde das Institut in diesem Jahr abgestraft. Seit Jahresbeginn halbierte sich der Kurs nahezu auf zuletzt gut 13 Euro, wobei die größte Erschütterung vom Brexit-Votum der Briten ausging. An der Börse ist das Institut nur noch rund 18 Milliarden Euro wert. Die Deutsche Bank ist stark in London vertreten, und noch ist nicht absehbar, wie sie die Folgen verkraftet. Jetzt wird mit zweiten Quartal mit einem drastischen Gewinneinbruch gerechnet, was die Unruhe vergrößern dürfte. Hinzu kommt, dass die Deutsche Bank-Tochter in den USA erneut durch den Stresstest fiel und der Internationale Währungsfonds (IWF) die Deutsche Bank unter den globalen Instituten als weltweit größtes Systemrisiko ansieht.
In Hintergrundgesprächen zeigen sich Vertreter des Bundesfinanzministeriums nicht überrascht über die Einschätzung des IWF. Die Deutsche Bank sei sehr vernetzt, absolut systemrelevant, aber als gefährlichste Bank der Welt sehe man sie auch nicht. So äußern sich Vertreter des BMF gegenüber Abgeordneten.
Offiziell gibt sich das BMF zugeknöpft, wenn es um die Deutsche Bank geht. Zu einzelnen Banken äußere man sich nicht, heißt es. Aber hinter den Kulissen werden Sorgen eingeräumt. Für diejenigen in der Politik, die die Stärke der Deutschen Bank immer als ein „deutsches Interesse“ angesehen haben, „ist es natürlich heftig, wenn der Börsenwert ständig sinkt und ein Investor wie Soros gegen die Deutsche Bank wettet“, glaubt Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen. Die Deutsche Bank „war für viele ja selbst noch ein Inbegriff von Solidität und Stabilität, als die vielen Betrugsfälle öffentlich wurden“, so Schick.
John Cryan regelmäßig in Kontakt mit Merkel und Schäuble
In der Politik gibt es keine Berührungsängste. Am 10. Juni sprach Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf einer Veranstaltung der Deutschen Bank „dbAcess German, Swiss and Austrian Conference“ in Berlin: Mit dabei: Privatkundenvorstand Christian Sewing. Er hat von Fitschen im Vorstand die regionale Verantwortung für Deutschland übernommen. Sewing und die im Vorstand für die Einhaltung der Regulierungsregeln verantwortliche Französin Sylvie Matherat haben in diesem Jahr häufiger das Gespräch mit der Politik gesucht. Finanzvorstand Marcus Schenck begleitete kürzlich die beiden Bankverbands-Chefs von Deutschland und Frankreich bei einem Besuch Schäubles. Thema-Regulierung.
Cryan scheut die Öffentlichkeit
Hingegen macht sich John Cryan noch relativ rar – zumindest in der Berliner Öffentlichkeit. Er hatte einen kurzen Auftritt bei dem Neujahrsempfang seines Instituts in Berlin, überließ dann aber Fitschen die Bühne. Mittlerweile hat er seine Antrittsbesuche bei der Kanzlerin Angela Merkel und bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble absolviert. Finanzkreise versichern, dass Cryan mit Merkel und Schäuble regelmäßig Kontakt hat. Ob Bankenunion, Auswirkungen der Bankenregulierung oder jüngst der Brexit – die Bank sei ein gesuchter Gesprächspartner. Expliziter Wunsch Cryans sei es, diese Funktion auszubauen.
Dabei weiß der Brite, dass noch viel zu tun ist. Und er geht offensiv damit um. In seiner ersten großen öffentlichen Rede als alleiniger Vorstandschef am 21. Juni auf dem Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrates sagte er: „Das Vertrauen, das damals verloren gegangen ist, mussten und müssen wir erst mühsam wieder aufbauen.“ Er verstehe, „dass die Gesellschaft und besonders die Politik in Deutschland erst sehen wollen, ob wir uns insgesamt tatsächlich verbessert haben“, so Cryan in seiner komplett auf Deutsch vorgetragenen Rede. Es liege ihm persönlich am Herzen, „dass wir unser Verhältnis zur Gesellschaft insgesamt und natürlich auch zur Politik wieder verbessern“. Personell ist es auf Vorstandsebene fast zu einem kompletten Revirement gekommen, das soll das Vertrauen weiter stärken.
Unverstandene Äußerungen zu Banken-Rettungsprogramm
Von den Erwartungen Berlins an die Bank hat Cryan auch ein Verständnis. „Mein Eindruck ist, dass man in Berlin eine internationale Bank möchte, die deutsche Unternehmen weltweit begleiten kann. Aber nicht unbedingt eine internationale Bank in dem Sinne, dass wir in aller Herren Länder vor Ort Geschäfte mit einheimischen Kunden machen“, sagte er in einem Gespräch mit dem „Spiegel“.
Und natürlich müssten die Banken „noch stabiler werden, damit die Branche mögliche Krisen verlässlich aus eigener Kraft übersteht, ohne den Staat zu belasten“, sagte Cryan in Berlin. Keine drei Wochen später fordert der Deutsche Bank-Chefökonom David Folkerts-Landau ein 150 Milliarden Euro schweres Rettungsprogramm, um angeschlagene europäische Banken zu rekapitalisieren. Private Gläubiger sollten sich daran nicht beteiligen. „Mit solchen Äußerungen werden die Risiken einer Bankenkrise nicht kleiner“, quittierte Schäuble verärgert diesen Vorschlag.
Verwundert wird in Berlin auch der rhetorische Schwenk der Deutschen Bank bei der Banken-Regulierung registriert. „Ich kann mich noch als EU-Parlamentarier daran erinnern, wie die Deutsche Bank in puncto Regulierung für globale Regeln gekämpft hat. Jetzt will man von gleichen Wettbewerbsregeln nichts mehr wissen, da die US-Institute im Vorteil sind“, bringt der CSU-Parlamentarier Radwan seine Kritik auf den Punkt.
Tatsächlich plädiert Cryan jetzt für europäische Regeln: „Wir in Europa sollten selbstbewusst genug sein, Regeln aufzustellen, die zu uns passen“, sagte Cryan in Berlin. So hätten US-Banken es leichter als europäische Institute, die Verschuldungsquote Leverage Ratio einzuhalten. Während die US-Banken Baufinanzierungen an staatliche Institute weiterleiten könnten, blieben sie bei europäischen Banken auf der Bilanz.
„Diese Argumentation ist ja eigentlich auch ein Eingeständnis, dass sich die Deutsche Bank aus dem Konzert der Global Player verabschiedet hat“, bemerkt ein deutschen Bankenchef.
SPD-Politiker Schneider baut schon mal vor: „Ich habe zwar Verständnis, wenn Cryan die unterschiedliche Regulierung von Banken zwischen den USA und Europa als Wettbewerbshindernis sieht. Ein Regulierungsdumping darf es aber nicht geben.“
Die Gesprächsthemen werden Merkel, Schäuble und Cryan also nicht ausgehen. Aber es wird Zeit vergehen, bis Cryan über eine ähnliche Reputation in den höchsten politischen Kreisen verfügen wird, wie sie ein Kollege aus der Versicherungsbranche genießt. Vielleicht kann sich Cryan ja mal Rat holen beim scheidenden Vorstandschef von Munich Re, Nikolaus von Bomhard. Kommt die Rede auf ihn, bekommt man im Bundesfinanzministerium glänzende Augen.