Mit dem Fortschreiten seiner mittlerweile knapp dreijährigen Amtszeit wirkte Christian Sewing zunächst zunehmend müde und erschöpft. Bei der Vorlage der Zahlen für 2020 aber präsentierte sich der Chef der Deutschen Bank nun so richtig stolz. Der Einsatz, so seine Botschaft, hat sich gelohnt. Der erste Jahresgewinn seit 2014 ist für ihn ohne Zweifel auch ein persönlicher Triumph – über all jene, die seinen Aufruf zu mehr „Jägermentalität“ verspottet und die Bank als „irreparabel beschädigt“ eingestuft hatten. Trotz aller bleibenden Zweifeln im Detail zeigt sich: Deutschlands größtes Kreditinstitut ist nicht tot – und dank der Abwesenheit größerer Skandale riecht es derzeit nicht mal mehr komisch.
Anders als Sewing es betont erzielte die Bank den Erfolg nicht trotz, sondern wegen der Coronakrise. Sie hat den Finanzierungs- und Absicherungsbedarf ihrer Kunden in nicht vorhersehbare Höhen getrieben, zugleich haben politische Stützungen bisher verhindert, dass die Kreditausfälle auf ein bedrohliches Niveau steigen. So stieg die Risikovorsorge im Vergleich zum Vorjahr zwar um 147 Prozent, bewegt sich aber selbst damit noch auf historisch niedrigem Niveau. Bei vielen Wettbewerbern sieht es deutlich düsterer aus. Das liegt daran, dass sie im Investmentbanking weniger stark sind und gleichzeitig bei der Kreditvergabe in den vergangenen Jahren laxer agierten.
Da fällt es weniger ins Gewicht, dass Sewings ursprüngliche Pläne nur bedingt aufgegangen sind. Dass der Chef die Mitarbeiter im Privatkundengeschäft und der von ihm besonders protegierten Unternehmensbank ausdrücklich lobte, wirkte wie ein Trostpreis. Sie haben sich bemüht, aber angesichts niedriger Zinsen und moderat steigender Rückstellungen reichte das nur dafür, den Ertrag einigermaßen stabil zu halten.
Mit einem Vorsteuerergebnis von 3,1 Milliarden Euro waren die Investmentbanker allein dafür verantwortlich, dass die von Sewing so genannte „Kernbank“ im vergangenen Jahr überhaupt profitabel war. Die ohnehin positiven Erwartungen hat die Sparte sogar noch übertroffen. Das hat auch die Tonalität des Chefs geändert. Während ihm der Erfolg in der Vergangenheit fast ein wenig peinlich zu sein schien, lobt er sie nun nach Kräften. Gleichzeitig betont er, dass die Sparte eine historische Zäsur hinter sich hat: „Wir haben uns auf unsere Stärken besonnen.“ So gebe es keinen Handel zum Selbstzweck mehr, zudem solle das Wachstum soll nicht übermäßig forciert werden. Wie stark mit dem Erfolg auch die Boni gestiegen sind, verschweigt Sewing. Auf Jahressicht war die Vergütung in der Sparte nach den veröffentlichten Zahlen allerdings stabil.
Mit der steigenden Bedeutung der Investmentbank wächst auch das Gewicht ihrer Manager im Konzern. Das gilt vor allem für ihren in Deutschland nahezu unbekannten Chef Mark Fedorcik. Der US-Amerikaner fing schon vor gut 25 Jahren bei der Bank an, sie ist bis heute sein einziger Arbeitgeber. Als er Mitte 2019 die Nachfolge des umstrittenen Spartenchefs Garth Ritchie antrat, wirkte das fast wie eine Verlegenheitslösung. Schließlich lag das Geschäft da mehr oder weniger in Trümmern, anstelle der einst großen Ambitionen ging es scheinbar nur noch um Schadensbegrenzung. Auf dem Tiefpunkt erklärte Fedorcik intern immer wieder, dass die Bank nach der Aufgabe einiger Aktivitäten nun endlich eine klare Strategie habe. Intern und extern war die Skepsis groß, doch bisher ist die Rechnung aufgegangen.
Ähnlich wie Fedorcik sind viele führende Manager der Sparte seit vielen Jahren bei dem Institut und haben dessen Auf- und Abstieg hautnah miterlebt. Viele Jahre galt die vom langjährigen Chef Anshu Jain aufgebaute Truppe als mythenumrankte Milliardenmaschine. Dann ramponierten etliche Skandale das Bild, hohe Strafen führten die Bank an den Rand des Kollaps. Nun zeigt sich, dass die Milliardeninvestitionen nicht völlig umsonst waren. Ausdrücklich lobte Sewing die „einzigartige Infrastruktur unter europäischen Banken.“ Das ist ein Erfolg nicht nur für ihn: In der Ferne werden sich ehemalige Manager wie Jain und Josef Ackermann bestätigt fühlen. Denn schließlich färbt der sonnige Tag in Frankfurt auch ihre heute tiefschwarz wirkende Vergangenheit zumindest grau.
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