
Paul Achleitner ist gefordert wie nie. Der frühere Finanzvorstand der Allianz muss beweisen, dass die großen Hoffnungen berechtigt waren, die sein Amtsantritt als Aufsichtsratschef der Deutschen Bank 2012 geweckt hatte. Da stand er für einen Neuanfang, weil er unbelastet von den Verfehlungen des Instituts vor der Finanzkrise war. Zudem ist Achleitner ein umgänglicher Teamspieler – anders als sein Vorgänger Clemens Börsig, der sich heftig mit dem damaligen Vorstandschef Josef Ackermann über dessen Nachfolge gestritten hatte.
Die Hoffnungen haben sich bisher kaum erfüllt. Ihre Ziele für das Jahr 2015 haben die Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen verfehlt. Vom Anspruch, eine der fünf wertvollsten Banken der Welt zu werden, ist das Institut weit entfernt. Achleitner selbst hat deshalb Ende 2014 eine Strategiedebatte angestoßen. Als deren Ergebnis wird die Deutsche Bank die ab 2008 übernommene Postbank abgeben und das Investmentbanking deutlich verkleinern.
Immer wieder überschatten Sünden der Vergangenheit den Neuanfang. Zuletzt musste die Bank umgerechnet 2,2 Milliarden Euro für die Manipulation der Referenzzinsen Libor und Euribor zahlen. Es herrscht viel Unruhe in der Bank. Am Montag wurde bekannt, dass der enttäuschte Privatkundenvorstand Rainer Neske das Institut verlässt. Seine Sparte verliert im Rahmen der neuen Strategie massiv an Bedeutung.
Angesichts der zahlreichen Baustellen bei der Bank hat der einflussreiche Aktionärsberater ISS empfohlen, den Vorstand auf der Hauptversammlung am Donnerstag nicht zu entlasten, auch der Investor und Aktionärsberater Hermes fordert offenbar Veränderungen im Vorstand. Achleitner hat die Vorstandschefs stets gestützt. Bisher.
Zur Person
Paul Achleitner, 58, ist seit Ende Mai 2012 Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank. Zuvor war er Unternehmensberater bei Bain & Company, Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs und Finanzvorstand der Allianz. Seine Frau, die Wirtschaftsprofessorin Ann-Kristin Achleitner, sitzt in mehreren Aufsichtsräten.
WirtschaftsWoche: Herr Achleitner, nach Monaten der Suche hat die Deutsche Bank kürzlich ihre neue Strategie präsentiert – und enttäuscht. Investoren hatten mehr erwartet, der Aktienkurs ist eingebrochen. Was ist falsch gelaufen?
Paul Achleitner: Ob eine Strategie gut ist oder nicht, können Sie nicht an kurzfristigen Reaktionen des Aktienmarkts festmachen. Es geht hier um die ganz grundsätzliche Frage, was die Deutsche Bank künftig ausmacht. Die Antwort ist das Ergebnis eines sehr detaillierten und tief greifenden Prozesses. Der Vorstand hat eine Vielzahl von Optionen und Fragen geprüft, die langfristig für die Bank wichtig sind. Wir stehen hinter der Entscheidung, der Aufsichtsrat hat sich einstimmig dafür ausgesprochen.
Die Frage, wofür die Deutsche Bank künftig steht, haben Sie kaum beantwortet. Es bleibt der Eindruck, dass Sie zwar an einigen Stellen etwas abschneiden, aber im Grunde so weitermachen wie bisher.
Der Eindruck täuscht. Mit der strategischen Weichenstellung kehrt die Deutsche Bank zu ihren Wurzeln zurück, das ist wahrlich kein trivialer Weg. Seit ihrer Gründung 1870 finanziert und unterstützt diese Bank große Unternehmen international. Später hat sie dies durch die Vermögensverwaltung und Kreditvergabe an Privatpersonen und Unternehmen ergänzt. Natürlich muss sie sich den veränderten Bedürfnissen ihrer Kunden anpassen. Finanzierung findet heute stärker über den Kapitalmarkt statt, Privatkunden erledigen ihre Transaktionen deutlich öfter digital. Darauf mussten wir reagieren, und das haben wir getan.
Die wichtigsten Aufsichtsräte der Deutschen Bank
Der frühere Allianzvorstand steht seit 2012 an der Spitze des Aufsichtsrats. Er hat den aktuellen Strategieprozess angestoßen und erklärt, dass es „keine Denkverbote“ gibt.
Der Verdi-Chef ist zum Schrecken vieler Deutschbanker 2013 in das Gremium eingezogen. Seine Machtbasis ist die Postbank, wo die Gewerkschaft stark vertreten ist. Ein Verkauf allein des Bonner Instituts würde die Position von Verdi in der Deutschen Bank schwächen.
Der Brite war früher Topmanager bei der Schweizer UBS . Er ist ein kritischer Kontrolleur vor allem von Co-Chef Anshu Jain, grundsätzlich aber dem Investmentbanking zugeneigt.
Die US-Amerikanerin war Finanzchefin bei JP Morgan. Die Schwäche der Deutschen Bank ist aus ihrer Perspektive offensichtlich.
Die Chefin des britischen Vermögensverwalters Alliance Trust rückte 2011 als erste Frau auf der Kapitalseite in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank.
Der Betriebsratsvorsitzende der Postbank wird auf eine möglichst schonende Behandlung des Bonner Instituts Wert legen. Dessen beschäftigte streiken gerade, weil sie um ihre Arbeitsplätze fürchten.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende arbeitet seit rekordverdächtigen 46 Jahren bei der Deutschen Bank und gilt als bedächtige Integrationsfigur – auch im Lager der nicht einheitlich auftretenden Arbeitnehmer. Für ihn zählt vor allem, dass möglichst wenige Arbeitsplätze wegfallen.
Der frühere SAP-Chef ist bereits seit 15 Jahren Mitglied des Kontrollgremiums und hat dort alle strategischen Wenden und Kehrtwenden mitgemacht.
Die unabhängige Arbeitnehmervertreterin ist seit 2008 Mitglied des Aufsichtsrats. Gewählt ist sie über die Deutsche Bank, für deren Interessen wird sie sich einsetzen.
Der frühere Siemens-Chef ist ein enger Vertrauter von Aufsichtsratschef Achleitner, in München teilt er sich mit ihm sogar ein Büro. Er wird Achleitners Präferenzen folgen.
Der Chef der kleinen Gewerkschaft DBV wird vermutlich die Lösung präferieren, die die wenigsten Arbeitsplätze kostet. Die DBV ist in der Deutschen Bank stärker, anders als seine Verdi-Kollegen geht es ihm dann nicht vor allem um die Postbank.
Der Eon-Chef kennt die Situation, dass ein Unternehmen durch politische Vorgaben umgebaut werden muss, aus seinem eigenen Konzern bestens. Er wird darauf achten, dass die Deutsche Bank auch künftig für deutsche Großunternehmen da ist.
Der Rechtsanwalt ist ein enger Vertrauter von Paul Achleitner. Als Vorsitzender des Integritätsausschusses muss er sich heute nicht nur mit der künftigen Strategie der Bank, sondern auch mit den Folgen des Libor-Vergleichs und des betrügerischen Handels mit CO2-Zertifikaten beschäftigen.
Der ehemalige Haniel-Vorstand ist ein Mann der Deutschen Industrie. Für die soll die Deutsche Bank auch künftig da sein. Ob man dazu Filialen der Postbank braucht.
Die Diskussion ist doch nicht in erster Linie durch die Wünsche der Kunden, sondern auf Druck der Regulierer in Gang gekommen. Die Bank wirkt getrieben, etwa beim Beschluss zur Abspaltung der Postbank.
Natürlich findet eine strategische Neuausrichtung nicht im luftleeren Raum statt, sondern muss auch veränderte Rahmenbedingungen berücksichtigen. Und selbstverständlich hat die Regulierung da eine wichtige Rolle gespielt. Bei der Deutschen Bank muss das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Bilanzsumme angesichts ihrer globalen Bedeutung künftig bei fünf Prozent liegen. Die Postbank dagegen konkurriert mit Wettbewerbern, bei denen drei Prozent ausreichen. Das ist für sie ein klarer Nachteil, außerhalb eines großen Finanzkonzerns hat sie deutlich bessere Chancen. Deshalb haben wir uns für die Trennung entschieden, auch wenn uns dieser Schritt sicher nicht leichtgefallen ist.