Positive Nachrichten suchte man bei der Deutschen Bank zuletzt vergebens. Insofern war es auch für die Analysten das natürlichste der Welt, für das dritte Quartal rote Zahlen zu prognostizieren. Zu groß schien die Unsicherheit um die drohende Milliardenstrafe in den USA. Bank-Chef John Cryan straft sie nun Lügen und verkündet stattdessen einen Gewinn nach Steuern von immerhin 278 Millionen Euro. Im Vergleich zum Vorjahr, in dem Deutschlands größte Bank im dritten Quartal einen Verlust von über sechs Milliarden Euro einfuhr, steht das Institut also rein zahlenmäßig besser da. Damals drückte der gerade erst im Amt angetretene Cryan mit milliardenschweren Abschreibungen das Ergebnis.
Die Zahlen zeigten die Stärke der Bank, erklärte Vorstandschef John Cryan. Insbesondere der Wertpapierhandel sei wieder besser gelaufen, die Bank komme mit ihrer Umstrukturierung voran. Trotzdem offenbaren die Zahlen die Schwachpunkte der Bank sehr deutlich. Das schlimmste: die Unsicherheit bleibt, die Zahlen schwanken stark und als Anleger weiß man nie, was man erwarten kann. Die Bank bleibt eine Black Box mit vielen dunklen Wolken. Auf eine gute Nachricht können schnell mehrere schlechte folgen.
So wurden auch die überraschend positiven Zahlen getrübt, weil die Bank of England britische Banken aufforderte, ihre Engagements bei der Deutschen Bank sowie italienischen Instituten wie der Krisenbank Monte dei Paschi offenzulegen. Die gemeinsame Nennung dürfte den Frankfurtern bitter aufstoßen.
Der Überblick zeigt, wo die Risiken liegen:
Rechtsstreitigkeiten
Ganz klar, die vielen Prozesse, die sich die Bank aufgehalst hat, belasten weiter. Obwohl Cryan fortwährend in den USA verhandelte, kam es bisher zu keiner Einigung mit den dortigen Behörden. Wie hoch die Strafe ausfallen wird, die die Deutsche Bank für Geschäfte mit faulen Hypothekenkrediten in den USA zahlen muss, ist also weiterhin unklar. Ursprünglich hatte die Justiz 14 Milliarden Dollar gefordert. Cryan erklärte, die Verhandlungen hätten "höchste Priorität". Ob eine Einigung vor den US-Wahlen am 8. November überhaupt noch möglich ist, will die Bank nicht kommentieren.
Die Bank hat ihre Rücklagen für Rechtsstreitigkeiten vorsorglich um 500 Millionen auf nun 5,9 Milliarden Euro erhöht. Kommt es hart auf hart, dürfte das allerdings nicht reichen, denn neben dem Streit um die Hypothekenkredite gelten Ermittlungen wegen eines Geldwäscheverdachts in Russland als gefährlich. Auch da hat die forderungsfreudige US-Justiz ihre Finger mit im Spiel, da auch US-Dollar in Russland gewaschen worden sein sollen.
Kapital
Solange die Strafen, die die Bank zahlen muss, nicht ausgelotet sind, bleibt ihre Kapitalausstattung unsicher. Derzeit erreichen die Frankfurter eine harte Kernkapitalquote von 11,1 Prozent. Bis Ende 2018 will die Bank die Quote auf 12,5 Prozent erhöhen, im Vergleich zu US-Konkurrenten ist ihre Kapitalausstattung dünner. Etwas gestärkt wird die Kapitaldecke unter anderem durch den Verkauf der Beteiligung an der chinesischen Bank Hua Xia und der Lebensversicherungstochter Abbey Life, viele Analysten rechnen aber trotzdem damit, dass das Institut um eine Kapitalerhöhung nicht herum kommen wird.
Hohe Abflüsse trüben das Bild
Liquidität
Die Liquidität einer Bank ist so etwas wie ihre Achillesferse und sagt viel über das Vertrauen der Investoren aus. Im Ernstfall schmilzt sie deutlich schneller dahin als das Kapital. Zwar ist die Liquiditätsquote der Bank weiterhin komfortabel hoch, allerdings zogen Investoren in den drei Monaten von Juli bis September Milliarden von der Bank ab, die Liquiditätsreserven sind insgesamt um 23 Milliarden Euro gesunken. Allein in der Vermögensverwaltung und dem Geschäft mit Privat- und Geschäftskunden flossen im vergangenen Quartal neun Milliarden Euro ab, bei institutionellen Fonds waren es noch mal acht Milliarden. Die Bank betont, dass die Abflüsse vor allem in die zweite Septemberhälfte fallen, in der die drohende US-Strafe zu Spekulationen um die Stabilität der Bank führten. Seit dem habe sich die Situation wieder stabilisiert, erklärt Finanzvorstand Marcus Schenck. Das zeigt, wie verletzlich das große Institut ist und wie schnell Gerüchte aus einem winzigen Loch, durch das Liquidität abfließt, ein gefährliches Leck machen können.
Das sagten Experten zur drohenden US-Strafe für die Deutsche Bank (vor der Entscheidung)
"Die Deutsche Bank wird diese Strafe nicht ohne Kapitalerhöhung bezahlen können. Das Eigenkapital von derzeit gut 60 Milliarden Euro sollte nicht weiter sinken. Das würde das Vertrauen in die Solidität weiter erschüttern. Die Gewinne der Bank sind derzeit so niedrig, dass sie kaum ausreichen werden, die Lücke zu füllen. Jetzt rächt sich, dass Bankenaufsicht und Bankenregulierer in den letzten Jahren nicht auf eine stärkere Erhöhung des Eigenkapitals der Deutschen Bank gedrängt haben."
"Jetzt kommt es mit Blick auf die Bank und die Beschäftigten darauf an, dass die Rechtsstreitigkeiten und damit verbundenen Unsicherheiten schnell gelöst werden. Wir erwarten, dass man einen angemessenen Kompromiss finden wird."
"Ich rechne damit, dass die Deutsche Bank am Ende vier bis 5,5 Milliarden Dollar bezahlen muss - das ist etwas mehr als bisher erwartet. Da wir im US-Wahlkampf sind, kann die Summe aber auch höher ausfallen - etwa sechs oder sieben Milliarden Dollar. Auch der Streit der EU mit Apple und Google kann durchaus dazu führen, dass die Summe höher ausfällt als vergleichbare Strafzahlungen von US-Banken.
Alles über sieben Milliarden Dollar wäre für die Deutsche Bank sehr gefährdend. Die Deutsche Bank müsste sich dann Gedanken machen, ob sie im normalen Geschäft noch mehr Risiken abbauen kann. Wenn alle Stricke reißen, müsste die Deutschen Bank ihre Kronjuwelen verkaufen - die Vermögensverwaltung - oder eine Kapitalerhöhung in Angriff nehmen. Die Deutsche Bank muss die Probleme in jedem Fall aus eigener Kraft bewältigen. Ich bin ziemlich sicher, dass es keine Staatshilfen geben wird.
Die deutsche Politik sollte sich nicht in die Verhandlungen über die Höhe der Strafe einmischen. Frankreich hat einst Öl ins Feuer gegossen, als es bei einer Milliarden-Strafe für BNP Paribas in den USA intervenierte. Das hat nichts gebracht, sondern die ganze Sache nur noch verschärft."
"Wenn die Strafe am Ende fünf Milliarden Euro oder mehr beträgt, wird die Deutsche Bank nicht um eine Kapitalerhöhung herumkommen. Investoren wollen nicht, dass die Kapitalquote der Bank zu nah an den Mindestanforderungen der Regulierer liegt."
"Wir erwarten, dass das mögliche Verhandlungsergebnis deutlich unterhalb des ersten Vergleichsvorschlags liegen wird. Eine Strafzahlung von rund 2,5 Milliarden Dollar würden wir als akzeptables Ergebnis einstufen. Eine Strafzahlung oberhalb der bestehenden Rückstellungen würde die Wahrscheinlichkeit einer Kapitalerhöhung unseres Erachtens erhöhen."
"Das Justizministerium hat die Deutsche Bank dazu auserkoren, ihren Teil beim Stopfen des enormen US-Haushaltsdefizits beizutragen."
"Angesichts der prekären Finanzlage einiger europäischer Banken, von denen die Deutsche eine des risikobehaftetsten und systemrelevantesten ist, ist dies verstörend und wirkt kurzsichtig und unnötig strafend." Selbst ein Drittel der angedrohten Strafe von 14 Milliarden Dollar wäre eine schwere Last für eine Firma mit einem Börsenwert von rund 18 Milliarden Euro. "Gigantische Forderungen unterminieren Banken, drohen einige der am meisten globalisierten, systemrelevanten Institute zu destabilisieren, just als ein Cocktail neuer Regulierungen und ultra-niedriger Zinsen die Ertragskraft zerstören. Es gibt Spekulationen um eine neue Ära der 'Auge-um-Auge'-Handelskriege. Die Deutsche Bank könnte der Prügelknabe für den Angriff der EU-Kommission auf Apple sein."
Erträge und Kosten
Große Fortschritte macht die Bank vor allem auf der Kostenseite, hier zeigen die Sparmaßnahmen langsam Wirkung. Das gilt auch für den Personalaufwand, der aufgrund der sinkenden Mitarbeiterzahl deutlich rückläufig ist. Trotzdem kündigte Cryan einen verschärften Sparkurs an, angesichts der niedrigen Zinsen sei nicht davon auszugehen, dass das Umfeld sich schon bald bessere. Insgesamt hat die Bank ihre Erträge gegenüber dem Vorjahr leicht um zwei Prozent gesteigert. Pfeiler des Erfolgs war unter anderem der Anleihehandel, der ein Plus von 14 Prozent abwarf. Viele Investmentbanken profitierten nach dem Brexit-Voting in Großbritannien von den volatilen Märkten. Ein regelmäßiges Ertragsplus können Anleger hier also nicht einkalkulieren.
Auch die Vermögensverwaltung (Deutsche Asset Management) sieht nach einem Pfeiler des Geschäfts aus, hier konnten die Nettoerträge um satte 30 Prozent gesteigert werden. Zieht man allerdings den Beitrag des so gut wie verkauften Versicherers Abbey Life heraus, sinken die Nettoerträge aufgrund der Abflüsse um acht Prozent. Die Bank kommt zwar mit ihrer Kostenstrategie voran, einen dauerhaften Ertragsbringer bleibt sie aber schuldig.
Postbank
Für Unruhe sorgt weiterhin die Postbank. Offiziell erklärt die Deutsche Bank weiterhin, ein Verkauf der Postbank sei Teil ihrer Strategie, daran habe sich nichts geändert. Es bestehe kein Druck, ein Verkauf zu jedem Preis komme also nicht in Frage. Zuletzt tauchten allerdings auch aufgrund der schlechten Marktsituation immer wieder Gerüchte auf, die Bank könnte ihr eigenes und das Privat- und Firmenkundengeschäft der Postbank integrieren und unter einer Holding parallel zur Investmentbank weiterführen. Auch das sorgt nicht nur bei Mitarbeitern der Postbank, sondern auch bei Investoren weiter für Unruhe.
Insgesamt sind es für die Deutsche Bank schwarze Zahlen mit bitterem Beigeschmack, die die Anleger nicht überzeugen können. Der Aktienkurs rangierte am Donnerstagmittag trotz des Gewinns nur bei einem leichten Plus. Zu viele schlechte Nachrichten folgen auf wenige gute, und die Unsicherheit ob der drohenden US-Strafe bleibt hoch.