Deutschlands älteste Internetbank IT-Störung treibt Netbank-Kunden zur Verzweiflung

Auch Tage nach dem Umbau bei der Netbank klagen Kunden noch über Probleme beim Onlinebanking. Die Bank will daher jetzt das Zeitfenster für Überweisungen verlängern.

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Quelle: dpa

Die Netbank war bei ihrer Gründung 1998 Deutschlands erste Internetbank, ist also ein Vorreiter auf dem Gebiet des digitalen Bankgeschäfts. Aufgebaut wurde das filiallose Geldinstitut nicht etwa von einem der vielen hip-revolutionären Finanz-Start-ups, die seit einigen Jahren die Bankenbranche durcheinanderwirbeln. Nein, die Netbank ist ein Produkt des ganz traditionellen Geldgewerbes, gegründet von sieben genossenschaftlichen Sparda-Banken. Sie bietet Konten, Kredite und Geldanlagen für Privatkunden an, betreut aber auch kleinere Geschäftskunden.

Die hinter der Netbank stehenden Sparda-Banken haben ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert als Finanzdienstleister für die Mitarbeiter des einst boomenden Eisenbahngewerbes. Damals waren die Spardas Pioniere, heute gehören sie zum finanziellen Establishment und Umfragen bescheinigen ihnen regelmäßig das höchste Kundenvertrauen in der Bankenbranche.

Ausgerechnet bei der wegweisenden Netbank plagen sich Kunden nun schon seit gut einer Woche mit IT-Problemen herum. Ursache für das Chaos ist eine Migration der Kundendaten von den Rechenzentren der Sparda-Banken auf eine dem privaten Bankensektor angehörige Bank. Die Netbank wurde nämlich 2015 von der Augsburger Aktienbank übernommen, die nicht zur genossenschaftlichen Säule des Bankensektors gehört, sondern zu den privaten Banken. Die Zusammenführung der Kundendaten fand am Wochenende vor dem 9. Oktober statt.

von Saskia Littmann, Jürgen Berke, Cornelius Welp

Am folgenden Montag begann dann für einen Teil der 140.000 Netbankkunden die Tortur. Insbesondere scheiterten Kontoabbuchungen per Lastschrift und schlug der für Überweisungen nötige Versand von mobilen Transaktionsnummern auf die Mobiltelefone von Kunden der Bank fehl.

„Eine solche Migration von Kundendaten von einer ehemals genossenschaftlichen Bank auf eine private Bank hat es im deutschen Bankensektor vorher noch nicht gegeben“, sagte ein Netbank-Sprecher der WirtschaftsWoche. Daher gebe es noch keine Praxiserfahrungen mit einem solchen Projekt.

So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell

Eine Netbank-Kundin berichtet der WirtschaftsWoche von bisher ungelösten massiven Störungen beim Onlinebanking. Sie hat dabei eine fast schon kafkaeske Odyssee durch die Instanzen erlebt: Dass ihr Geburtsdatum falsch in die Stammdaten ihres Kontos übertragen wurde, war da noch das geringste Problem. Denn am vergangenen Samstag, knapp eine Woche nach der Datenmigration wollte die Freiberuflerin laufende Überweisungen über ihr Netbank-Konto in Auftrag geben.

Sie ist dort wegen der sehr vorteilhaften Konditionen für ihre Zielgruppe bereits seit 2008 Kundin. Allerdings dauerte es Minuten, bis die für die Freigabe der Überweisung angeforderte Transaktionsnummer auf dem Smartphone der Kundin ankamen. Das digitale Überweisungsformular hatte sich in der Zwischenzeit deaktiviert, so dass der Auftrag fehlschlug. Solche Verzögerungen hatte die langjährige Kundin bisher nicht erlebt. Auch ein zweiter Versuch schlug fehl.

Überlastete Rufnummern und Sperrung

Also versuchte sie, mit dem Kundenservice Kontakt aufzunehmen. Da die Rufnummern der Netbank überlastet waren, blieb ihr nichts anderes übrig, als es über das elektronische Postfach in ihrem Onlinebanking zu probieren. Für die Absendung der Beschwerde war ebenfalls die Eingabe einer TAN erforderlich, deren Versand auf das Smartphone wie bei den Überweisungen zu spät erfolgte. Nach diesen insgesamt drei fehlgeschlagenen Transaktionen wurde die Kundin für das Onlinebanking gesperrt – das ist bei der Netbank aus Sicherheitsgründen üblich.

Die Kundin rief daraufhin den Kundendienst an und kam immerhin bei der Netbank-Mutter Augsburger Aktienbank durch. Dort entsperrte man sie zwar erfolgreich, doch wieder schlug der Versuch einer Überweisung fehl. Als die TAN dieses Mal erst 25 Minuten nach der Anforderung auf dem Smartphone landete, gab die Kundin entnervt auf. Und das alles eine Woche nach der Datenmigration.

Die Netbank bestätigt gegenüber der WirtschaftsWoche, dass nach drei Fehlversuchen aus Sicherheitsgründen eine Entsperrung nötig sei und spricht auch von einem erhöhten Aufkommen an Anrufen von Kunden. Von Sperrungen habe man aktuell aber noch nichts gehört. Die Netbank empfiehlt, bei Problemen einfach eine neue TAN anzufordern, die komme dann erfahrungsgemäß deutlich schneller auf dem Mobiltelefon an. Der TAN-Versand ist für die Kunden kostenlos. Störungen beim Versand von TANs könnten laut Netbank aber auch am Mobilfunknetz liegen, das der jeweilige Kunde nutze.

Wer die Homepage aufruft, sieht dort auf den ersten Blick keine Informationen zu dem IT-Chaos. Auf der Netbank-Homepage verbergen sich Informationen zur Umstellung und zu den Störungen unter dem Reiter Service in der Unterrubrik „Rund ums Banking“. Auch auf Facebook hat die Netbank über die Störungen informiert. In dem sozialen Netzwerk klagen auch aktuell noch Kunden, dass ihre Probleme nicht behoben seien.

Die Netbank hat der WirtschaftsWoche nach Veröffentlichung der ersten Version dieses Artikels mitgeteilt, mit Blick auf die von Verzögerungen beim Versand von SMS-TANs betroffenen Kunden das Zeitfenster für Überweisungen ab Mittwoch 7.00 Uhr von zwei auf fünf Minuten erweitern zu wollen. Für die Betroffenen dürfte die Erweiterung des Zeitfensters aber kaum eine Dauerlösung sein, schließlich will niemand minutenlang auf die Abwicklung einer Überweisung zu warten. Die Netbank empfiehlt daher, die neue Secure-App auf dem Smartphone zu installieren, mit der Überweisungen unabhängig vom SMS-Versand verifiziert werden können.

Neben dem verzögerten TAN-Versand wurden am Tag unmittelbar nach der Datenmigration auch Abbuchungen per Lastschrift von einigen Kundenkonten abgewiesen. Das bekamen zum Beispiel Kunden zu spüren, die das Geld für ihre Interneteinkäufe über den Bezahldienst PayPal von ihrem Netbank-Konto abbuchen ließen.

Dieses Problem wurde aber bereits am Folgetag gelöst und lag laut Netbank auch daran, dass die für die Weiterleitung der Abbuchungen verantwortliche Großbank Änderungen nicht sauber umgesetzt hatte. Gebühren für Rücklastschriften will die Bank ihren Kunden ersetzen und dafür mit den betroffenen Kunden individuell Kontakt aufnehmen.

Das mag am Ende ein Trost sein. Doch die betroffenen Kunden müssen jetzt erst mal ihre verunsicherten Gläubiger beruhigen und ihnen erklären, dass es kein Problem mit ihren Finanzen gibt sondern „nur“ mit ihrem Onlinebanking.

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