Die Bank sieht sich auf einem guten Weg. 48 Prozent ihres Geschäfts hat sie nach eigenen Angaben digitalisiert, bis Ende des Jahres sollen es 65 Prozent sein. „Das ist ein Prozess, den wir mit agilen Methoden gestalten“, sagt Ulrich Coenen, Leiter des Bereichs Unternehmerkunden. In diesem ging es bisher vor allem ums Privatkundengeschäft. So können Kunden ihre gesamte Baufinanzierung inklusive Wohnungssuche und Bewertung der Immobilie per App steuern. „Nur für die Unterschrift brauchen wir am Ende Papier“, sagt Coenen. In der Praxis sollen jedoch viele Kunden spätestens beim Einscannen von Dokumenten überfordert sein, sagt ein Banker.
Bei anderen Trendthemen stolpert die Bank der Konkurrenz hinterher. Überweisungen von Handy zu Handy etwa sind selbst bei den Sparkassen fortschrittlicher. Und während Kunden bei anderen Banken über Apps längst Einblick in ihre Konten bei anderen Instituten nehmen können, arbeitet die Commerzbank immer noch an dieser Funktion.
Die Schwierigkeiten halten sie nicht davon ab, immer neue Projekte anzuschieben. So arbeitet die Commerzbank laut Aufsichtsrats- und Finanzkreisen im polnischen Lodz derzeit an einer Plattform für eine internationale Onlinebank. Mit einer einheitlichen Oberfläche soll sich das neue Angebot in der jeweiligen Landessprache an Kunden innerhalb der EU richten. An solch grenzüberschreitenden Ideen haben schon mehrere Banken gearbeitet, realisiert haben sie bisher keine. Auch bei der Commerzbank soll noch nicht klar sein, ob das Angebot wirklich an den Start geht. Dafür müsse vor allem die Finanzierbarkeit geprüft werden.
Auch im Firmenkundengeschäft soll es jetzt digital vorangehen. Dabei seien die Terminals im Zahlungsverkehr teilweise so alt, dass das Einarbeiten neuer Mitarbeiter schon mal Wochen dauern könne, sagt ein Banker. Künftig sollen mehr Kunden über digitale Plattformen betreut werden und ihre Geschäfte selbst erledigen. Viele Banker zweifeln daran, dass den Unternehmern das wirklich lieber ist als das persönliche Gespräch mit dem Berater. „Wir werden so digital, wie die Kunden es wollen“, sagt dazu Jan-Philipp Gillmann, der die Digitalisierung des Geschäfts verantwortet. Mehr als 30.000 mittelständische Kunden wären bereits für das Firmenkundenportal freigeschaltet. Ziel müsse es sein, dass jeder Kunde dort zumindest angemeldet ist. „Deshalb haben wir den Vertrieb darauf ausgerichtet, unsere Kunden verstärkt mit unseren digitalen Angeboten vertraut zu machen“, sagt Gillmann.
Die Berater selbst will die Bank in ihrem „Digital Campus“ im Frankfurter Westen von den neuen Technologien begeistern. An den Wänden kleben farbige Post-its, auf kleinen Hockern sitzen einzelne Grüppchen. Mitarbeiter aus allen Breichen der Bank tauschen hier eine Zeit lang Anzug gegen Kapuzenpulli und nehmen die digitalen Erkenntnisse dann mit in ihre Standorte. Insgesamt müsse die Lernbereitschaft noch steigen, meint Banker Coenen: „Wir brauchen die unbedingte Liebe zur Technologie als Werkzeugkasten.“ Workshops machen auch die Vorstände zu Digitalexperten, regelmäßig finden deren Sitzungen im Campus statt.
Technisch allen voraus ist bisher Arno Walter, Chef der Commerzbank-Tochter comdirect, der gerne davon berichtet, wie er schon morgens im Badezimmer bei Amazons Alexa das Wetter erfragt.
Auch Michael Spitz sieht sich als Vorreiter. Irgendwann kann er seine Präsentation doch noch mit seinem iPhone steuern. Er spricht schnell, belegt seine Expertise mit Begriffen wie AI, R3 Corda und Hyperledger. Damit er dabei nicht durcheinanderkommt, hat er ein eigenes Digitallexikon bei sich, in dem jedes Fachwort erklärt wird und das er „seine Bibel“ nennt. Die Bibel ist ein Notizbuch – dick und analog.