Der Gründer des früher als AWD firmierenden Finanz-Strukturvertriebs, Carsten Maschmeyer, dürfte sich verwundert die Augen reiben: Ausgerechnet einer, der angeblich vom Finanzvertriebs-Konkurrenten DVAG für eine Rufmordkampagne gegen AWD und Maschmeyer bezahlt worden sein soll, pflegt nun tatkräftig Maschmeyers Image. Zeitungen quer durch die Republik titeln übers Wochenende: "Maschmeyer: Opfer einer Rufmordkampagne?"
Handelnde Personen und ihre Organisationen
Deutschlands größter Finanzvertrieb. Er konzentriert sich vor allem auf Versicherungsprodukte der AachenMünchener.
Quelle: Handelsblatt
Ein Finanzvertrieb, der der DVAG seit Mitte der 1990er Jahre mächtig Konkurrenz machte. Der AWD wurde 2007 an die Swiss Life verkauft und heißt heute „Swiss Life Select“.
Früherer Mitarbeiter des Finanzvertriebs AWD. Er wechselt 2003 die Seiten und schließt einen Vertrag mit dem DVAG. Offiziell soll er als Controller dort arbeiten. Aber Schabirosky behauptet, er sei für eine Kampagne gegen seinen bisherigen Arbeitgeber bezahlt worden.
Vorstand und später Aufsichtsratsvorsitzender der DVAG. Zuvor war er Kanzleramtsminister unter Bundeskanzler Helmut Kohl.
Gründer und über Jahre die Führungsfigur des AWD.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass der für aggressive Verkaufsmethoden bekannte AWD (mittlerweile als Tochter des Schweizer Versicherungskonzerns Swiss Life als Swiss Life Select aktiv) eigentlich ganz harmlos gewesen sei. Nur falsche, manipulierte Infos hätten einen anderen Eindruck erweckt. So wirken jedenfalls die Aussagen von Stefan Schabirosky in seinem neuen Buch "Mein Auftrag: Rufmord", die von zahlreichen Medien aufgegriffen werden – bessere Werbung können sich Buchautoren kaum wünschen.
Schabirosky zeichnet ein Bild von sich selbst als großen Strippenzieher: Reihenweise seien Journalisten auf der Suche nach einer kritischen Enthüllungsstory über den AWD und Maschmeyer auf ihn und seine Infos hereingefallen. Am Ende habe Maschmeyer 2008 aufgegeben und, entnervt von all den falschen Anschuldigungen, seine AWD-Anteile verkauft. Dabei sei das alles nur eine Kampagne gewesen, finanziert vom Konkurrenten DVAG, über einen mit 6000 Euro Monatsgehalt dotierten Vertrag.
Bekannt wird sein Gebaren nur, weil die DVAG ihm nicht den angeblich in Aussicht gestellten Millionen-Jackpot zahlen wollte, obwohl er – so insinuiert Schabirosky – mit seinen Anschuldigungen Maschmeyer letztlich doch zum Aufgeben gebracht habe. Die DVAG weist all das zurück: Schabirosky habe weder Weisungen noch Aufträge erhalten. Vielmehr habe ihn die DVAG 2008 sogar wegen seines persönlichen Rachefeldzugs herausgeworfen.
Ist der „Selfmade-Millionär“ Opfer eine Schmutzkampagne geworden?
Eigentlich erscheint das nebensächlich. Viel wichtiger ist: Die Medien laufen Gefahr, diesmal wirklich auf Schabirosky reinzufallen. Denn dessen angebliche Infos an Journalisten waren auf keinen Fall der einzige Grund für massive Kritik am AWD. Die gab es lange vor dem Ausscheiden von Schabirosky 2003 vom AWD. Ein Aussteiger aus dem AWD-Führungszirkel, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte gegenüber der WirtschaftsWoche, dass die Informationen von Schabirosky 2004 bei Führungstreffen überhaupt kein Thema gewesen seien.
Der verlustreiche Drei-Länder-Fonds, den der AWD früher vertrieben hatte, sei schon vor Schabiroskys Ausscheiden öffentliches Thema und Schabirosky hierbei irrelevant gewesen. Es sei völlig anmaßend, wenn er behaupten würde, Einfluss auf das AWD-Schicksal genommen zu haben.
Ein weiteres Kapitel in einer langen Geschichte von Rachefeldzügen
Klagen von Anlegern lagen tatsächlich lange vor den angeblich auf Schabirosky zurückgehenden Berichten auf dem Tisch. So hatte etwa der Anlegeranwalt Gerhart Baum schon im Frühjahr 2003 angekündigt, mindestens 200 solcher Klagen einreichen zu wollen.
Carsten Maschmeyer - eine Chronik
Carsten Maschmeyer wird in Bremen geboren.
Quelle: Handelsblatt
Maschmeyer bricht sein Studium an der Medizinischen Hochschule Hannover ab, nachdem er durch seine parallele Arbeit bei der Vermögensberatung OVB einen großen Teil des Unterrichts verpasst hat.
Maschmeyer steigt mit 900.000 DM Anfangskapital in den AWD, den Allgemeinen Wirtschaftsdienst ein, hilft bei dessen Aufbau und übernimmt bald die Leitung des Unternehmens. Der AWD bietet Versicherungen und andere Finanzprodukte an.
Stiftung Warentest warnt vor der AWD, bei der über 42 Millionen DM an Investorengeldern verschwunden sein sollen. Vor dem Entschädigungspool, den die AWD plant rät die Stiftung ebenfalls ab.
Maschmeyer schaltet eine Anzeige zu Gunsten Gerhard Schröders, dem Ministerpräsidenten Niedersachsens und späteren Bundeskanzler mit dem Inhalt: „Ein Niedersachse muss Kanzler werden.“
Der AWD geht unter der Führung des Vorstandsvorsitzender Carsten Maschmeyer an die Börse. Der Wert einer Aktie liegt bei 56,01 DM.
Durch die Einführung der Riesterrente erschließt sich ein neuer Markt für Finanzdienstleister wie den AWD.
Ein weiteres Vorsorgeprodukte wird eingeführt, die Basisrente, oder Rürup-Rente genannt nach dem Ökonomen Bert Rürup. Dieses Produkt sollte allen Erwerbstätigen ein steuerbegünstigtes Sparen ermöglichen, wie in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes angeregt. Auch dieses Produkt wird von Finanzdienstleistern verkauft.
Nach der Bundestagswahl kauft Maschmeyer Gerhard Schröder die Rechte an dessen Biografie ab.
Maschmeyer verkauft den AWD an den Swiss Life-Konzern. An diesem Konzern hält der Unternehmer Anteile und wird dort Mitglied des Verwaltungsrats.
Maschmeyer versucht eine feindliche Übernahme des Konkurrenten MLP. Diese Übernahme scheitert.
Bert Rürup und Carsten Maschmeyer gründen eine Beratungsfirma, die 2013 aufgelöst wird.
Carsten Maschmeyer verringert zunächst seine Anteile an Swiss Life auf etwa drei Prozent, um sie später ganz zu veräußern.
In seinem Buch „Selfmade – erfolg reich leben“ erteilt Maschmeyer dem Leser Ratschläge zu Erfolgsstrategien.
In seinem neuen Werk, „Die Millionärsformel“, konzentriert sich Maschmeyer auf Konzepte zur Bildung von Vermögen.
Der AWD sei lange Zeit als "Strukturvertrieb" und "Drückerkolonne" verrufen, schrieb der Berliner "Tagesspiegel" vor dem AWD-Börsengang im Oktober 2000. Der AWD stehe schon vor den ersten Börsennotierungen der Aktie "im Kreuzfeuer der Kritik", stellte die WirtschaftsWoche damals fest, und berichtete von "Millionenärger" mit dem Drei-Länder-Fonds.
Es wäre also nun die Ironie der Geschichte, wenn ausgerechnet ein angeblicher Rufmörder nun zu Maschmeyers Rufretter würde. Sein Buch ist vielmehr ein weiteres Kapitel in einer langen Geschichte von Rachefeldzügen und Kampagnen, die in der Tat den wenig regulierten Grauen Kapitalmarkt und die Welt der Finanz-Strukturvertriebe prägen. Hier gehörte und gehört es oft zum Alltag, Konkurrenten mit mehr oder weniger fundierten Informationen zu attackieren.
Manche zwielichtigen Internetportale haben diese Strategie perfide perfektioniert, in einer Art Schutzgeld-Erpressung. Sie veröffentlichen kritische Informationen, es sei denn, die jeweiligen Adressaten ihrer Kritik bringen sie mit mehr oder weniger verdeckten Geldzahlungen zum Schweigen.
Doch selbst auf diesen Portalen sind nicht alle attackierten Unternehmen in Wirklichkeit Unschuldslämmer. Viele haben tatsächlich Dreck am Stecken - auch wenn man ihnen zugutehalten kann, dass sie offenbar nicht auf Erpressungsversuche eingegangen sind, wenn die Informationen bekannt werden.
Insofern sollten die Informationen von Buchautor Schabirosky als das gewertet werden, was sie sind: Ein Grund mehr, Finanz-Strukturvertriebe und Anbieter auf dem Grauen Kapitalmarkt im Allgemeinen kritisch zu beäugen.