Die Entscheidung der EZB, die Zinsen auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent zu belassen, hat Anleger am Donnerstag nicht aus der Reserve gelockt. Dax und EuroStoxx50 dümpelten mit einem Plus von je 0,1 Prozent auf 12.437 beziehungsweise 3493 Punkte vor sich hin. Für Gesprächsstoff sorgte eine Flut an Bilanzzahlen unter anderem von Deutscher Bank und Volkswagen.
Mit Spannung warteten Investoren nun auf die um 14.30 Uhr beginnende Pressekonferenz mit EZB-Chef Mario Draghi. Sie erhoffen sich vor allem Hinweise darauf, wie lange die umstrittenen Anleihenkäufe noch fortgesetzt werden sollen. Zudem stehen Aussagen zu dem von US-Präsident Donald Trump entfachten Handelsstreit und Folgen für die Weltwirtschaft im Fokus.
Ein Ende des Anleihekaufprogramms sei weiterhin im Herbst möglich, erklärte Volkswirt Ralf Umlauf von der Landesbank Helaba. Eine erste Zinserhöhung könne dann im Laufe des Jahres 2019 ins Kalkül gezogen werden. "Wir rechnen damit, dass es die EZB mit der geldpolitischen Wende nicht eilig hat, zumal der Anstieg der Verbraucherpreise noch nicht zufriedenstellend ist."
Das Wörterbuch der EZB: Die Schlüsselwörter der Notenbanker - und was sie bedeuten
Die Konjunktur verbessert sich.
Bezogen auf die Inflation, heißt dies, die EZB lässt sich von kurzfristigen Sprüngen durch höhere Ölpreise nicht beeindrucken. Erst wenn die Inflation, mehrere Monate lang bei zwei Prozent liegt, ist eine Zinserhöhung denkbar.
Die EZB ist mit ihrem geldpolitischen Kurs zufrieden. Keine Zinsänderungen.
Die EZB hält die Konjunkturlage für instabil. Die Zinsen bleiben niedrig.
Die EZB will die Finanzmärkte beruhigen und bereitet sich auf Interventionen vor, sollten sich Konjunktur und/oder Inflation anders als gewünscht entwickeln.
Die EZB hält ihren aktuellen Kurs für angemessen und plant in nächster Zeit keine Änderungen.
Diesen Begriff verwendet die EZB mit Blick auf Inflationsfaktoren, etwa Löhne und Kapazitätsauslastung. Erst wenn beide steigen, ist mit höheren Leitzinsen zu rechnen.
Die Geldmenge M3 (Bargeld, Sicht-, Termin- und Spareinlagen, Geldmarktfonds, Bankschuldverschreibungen) wächst zu schnell. Eine geldpolitische Straffung wird opportun.
Hier kommt meist ein warnender Unterton ins Spiel. Die EZB sieht Risiken für die Preisstabilität und ist geneigt, die Zinsen bald zu ändern.
Die EZB signalisiert, dass es aus ihrer Sicht noch zu früh ist, die Zinsen zu ändern.
Ein Signalwort. Auch an die eigene Adresse: Die EZB ist handlungsbereit. Beim nächsten Treffen ist mit einer Zinsänderung zu rechnen.
Steigerung von wachsam. Die EZB befindet sich in erhöhter Alarmbereitschaft. Es gibt eine starke Bereitschaft, die Zinsen zu ändern.
Der Euro schwächte sich etwas ab auf 1,2165 Dollar. Die Mehrzahl der Investoren spekuliere auf einen Anstieg der Gemeinschaftswährung zum US-Dollar, sagte Marktstratege Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets. Bei einem Richtungswechsel dürfte der Euro gehörig unter Druck geraten. Draghi könne mit Leichtigkeit genau diese Entwicklung einleiten. "Ein schwächerer Euro wäre genau das, was die EZB benötigt, um über steigende Importpreise die Inflationsraten der Eurozone wieder nach oben zu bewegen."
Vor allem in Deutschland ist die ultralockere Geldpolitik umstritten. BVR-Chefvolkswirt Andreas Bley kritisierte: „Die EZB hat erneut die Chance verpasst, eine Perspektive für den geldpolitischen Ausstieg aufzuzeigen. Bereits Anfang 2019 sollte die EZB den ersten Zinsschritt gehen.“
Mit viel billigem Geld versuchen die Währungshüter seit Jahren, der Konjunktur auf die Sprünge zu helfen und zugleich die Teuerung anzuheizen. Angestrebt wird Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent - weit genug entfernt von der Nullmarke. Trotz eines leichten Anstiegs im März auf 1,3 Prozent ist die Inflation im Euroraum weiterhin weit von diesem Ziel entfernt.
Bei der Zinsentscheidung im März hatten die Währungshüter auf die zuletzt übliche Formulierung verzichtet, dass die Notenbank ihre milliardenschweren Anleihenkäufe ausweiten könnte, sollten sich die Rahmenbedingungen verschlechtern. Volkswirte werteten das als Signal zur Vorbereitung der Finanzmärkte auf ein Ende der Geldflut.
Im Oktober hatte die EZB ihr gewaltiges Kaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen um neun Monate bis mindestens Ende September 2018 verlängert, das monatliche Volumen von Januar an aber auf 30 Milliarden Euro halbiert.
Ökonomen erwarten, dass die EZB gegen Ende dieses Jahres ihre Wertpapierkäufe einstellen wird. Mit steigenden Zinsen sollten Sparer aber frühestens 2019 rechnen. Allerdings profitieren andererseits Kreditnehmer vom Zinstief. Auf konkretere Hinweise zum weiteren Kurs der Zentralbank hoffen die Experten bei den nächsten EZB-Sitzungen im Juni (14.6. in Riga) oder Juli (26.7. in Frankfurt).