




Es schien, die Stadtväter von Mailand wollten sich Hoffnung machen, als sie zu Weihnachten im Rathaus ein Bild des französischen Barockmalers Georges de la Tour ausstellten. Zu sehen war der Heilige Joseph in einem bedrückend dunklen Raum, gekrümmt und mit sorgenvollem Gesicht. Doch das Jesuskind spendete mit einer Kerze Trost und Licht.
Und tatsächlich, Trost und Licht widerfahren der norditalienischen Finanzmetropole nun auch. Nach zähen Verhandlungen, die 2010 vor Gericht begonnen hatten, einigte sich die Stadtverwaltung im März mit einem Konsortium aus mehreren Banken auf einen Vergleich. Die Institute müssen der Kommune 450 Millionen Euro ersetzen. Die Italiener fühlten sich von den Geldhäusern über den Tisch gezogen, weil diese bei der Absicherung einer 1,7 Milliarden Euro schweren Kommunalanleihe Provisionen verschwiegen hätten. „Mailand gilt als Modell im Derivate-Streit“, jubelt der Vizepräsident des Stadtrats, Davide Corritore. Nun hoffen auch andere italienische Kommunen, Millionen einfordern zu können.
Der Alltag der Bad Banks
Was die Lombarden so begeistert, ist ein kleiner Ausschnitt eines viel größeren Geschäfts, das nach dem Höhepunkt der Finanzkrise seit 2009 den Alltag einer bis dahin so gut wie unbekannten Branche in Deutschland bestimmt: den Alltag der Bad Banks. Diese – zu Deutsch – schlechten Banken repräsentieren die Töchter oder Abteilungen, in die die Institute ihre Schrottpapiere ausgelagert haben. Den teuren Kompromiss mit Mailand muss beispielsweise die FMS Wertmanagement mittragen. Die öffentlich-rechtliche Bad Bank mit dem kryptisch wohlklingenden Nahmen dient der im Zuge der Finanzkrise verstaatlichten Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) als Schrottplatz für wacklige Papiere und Kredite, deren Gesamtwert sich derzeit auf 160 Milliarden Euro beläuft. Was der Kompromiss von Mailand die FMS Wertmanagement kostete, will das Institut nicht sagen. Der Deal sei „vorteilhaft“, weil er Prozessrisiken beseitige.
Retten, was zu retten ist
Fünf Banken haben in Deutschland inzwischen ihre Krisenpapiere und Randgeschäfte in Bad Banks abgeschoben. Der Gesamtwert der Schrottportfolios beläuft sich aktuell auf die sagenhafte Summe von etwa 430 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch Bilanzreste der Immobilientochter Eurohypo, die die Commerzbank auf Geheiß der EU-Kommission abwickeln muss. Die Summe entspricht den Krediten, die Deutschlands drittgrößte Bank, die staatliche KfW, zurzeit vergeben hat – mit einem entscheidenden Unterschied: Bei den 430 Milliarden Euro der Bad Banks handelt es sich um Forderungen, von denen niemand weiß, wie viel davon jemals zurückkommt. Sicher ist nur, dass die Bad Banks den Auftrag haben, die gigantischen Fehlinvestitionen und -spekulationen ihrer Mutterinstitute aus der Zeit vor der Finanzkrise möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit abzubauen. Schrumpfen, Verluste minimieren, Kunden wie die Stadt Mailand ruhigstellen, kurz: retten, was zu retten ist. So lautet das einfache Geschäftsmodell des unschönen neuen Bankentyps.
Ein Ende der Selbstabwicklung ist nicht abzusehen. Zwar haben die Bad Banks ihre Bestände in den gut zwei Jahren ihres Bestehens deutlich reduziert. Doch auf die Abwickler bei Commerzbank und der WestLB-Bad-Bank EAA kommt neuer bilanzieller Abraum zu. Zudem sind im Portfolio der HRE-Abwicklungsanstalt neue Risiken aufgetaucht, die ursprünglich niemand auf der Liste hatte.
Die Zeche, so viel steht fest, zahlt zu einem großen Teil der Staat. Mit jeder Abwicklung einer Altlast, sei es der Notverkauf von Papieren an Investoren, die Kündigung bestehender Engagements, der Rückzug aus Märkten im Ausland oder das Abtreten von Kunden an Wettbewerber, entscheiden die Bad-Banker, wie viel am Ende beim Steuerzahler hängen bleibt.