Finanzmetropole Frankfurt Banges Warten auf Londons Banker

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Nicht stärker, sondern schwächer?

Markus Frank arbeitet daran, möglichst viele Haken zu gewinnen, mit Manschettenknöpfen und einem Anzug aus der Maßkonfektion wirkt er wie der passende Ansprechpartner für Banker mit Abwanderungsgedanken. In seinem großflächigen Büro flutet das Licht aus einem Metallstrahler an die hohe Decke, an den Wänden hängen Ansichten der Stadt in kühlem Schwarz-Weiß. „Was in Großbritannien passiert, ist das Ergebnis einer traurigen Entwicklung“, sagt der Wirtschaftsdezernent. „Die Welt ist so unsicher geworden, da müsste Europa eigentlich näher zusammenrücken.“ Es ist anders gekommen, und das bedauert Frank im Laufe des Gesprächs so oft, dass es fast wirkt, als wolle er sich für die Aktivitäten seiner Stadt entschuldigen. Als wäre ihm ein allzu aggressives Werben für den Standort ein wenig peinlich. Tatsächlich hat sich die Stadt für ein defensives Vorgehen entschieden. „Wir suchen den Kontakt, führen persönliche Gespräche und bauen so Vertrauen auf“, sagt der CDU-Politiker. Mit einer vom hessischen Wirtschaftsminister Tarek al-Wazir geführten Delegation ist er im August nach London geflogen, den Trip wertet er als Erfolg. „Unser zurückhaltender Auftritt kommt gut an“, meint Frank, der auch festgestellt hat, dass „die Lebensqualität in London sehr hoch ist. Die Leute wollen eigentlich nicht weg.“

Teurer Ausblick: Spitzenmieten im Monat für obere Etagen in Bürotürmen. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Aber sie müssen halt, vielleicht jedenfalls, und dann sollen sie in Frankfurt willkommen sein. „Das sind Leistungsträger, denen müssen wir den roten Teppich ausrollen“, sagt Frank. Dass es in der Stadt Vorbehalte gegen einen Zuzug von Bankern gibt, dass die Mieten schon jetzt hoch sind und dann weiter steigen dürften, lässt Frank nicht gelten. „Wir wollen für Wachstum sorgen und die Stadt attraktiver machen“, sagt er. „Und dafür gibt es keine Obergrenze.“

Er legt sich persönlich ordentlich ins Zeug, verteilt bei jeder Gelegenheit Visitenkarten, sucht über alle Wege den Zugang. Und bringt immer wieder die gleichen Argumente vor. Die Nähe zur EZB und der Versicherungsaufsicht EIOPA, die internationalen Schulen, die angesehene Universität, die kurzen Wege in der Stadt und zum Flughafen, das im Vergleich zu London niedrige Preisniveau, die „tolle Lebensqualität“. Und die lange Tradition als Finanzplatz.

Dass die heimischen Institute aktuell schwere Zeiten durchmachen, sorgt ihn durchaus. „Aber es gibt für sie keine Alternative zur Restrukturierung“, sagt er. Umso wichtiger ist das Werben in London. „Wenn wir uns nicht anstrengen, kann es sein, dass wir in ein paar Jahren nicht stärker, sondern schwächer dastehen als heute.“

Die Deutsche Bank kann ihm da bis auf Weiteres wenig helfen. „Wir erwarten weiter eine Abnahme der Erträge, aber wir arbeiten hart dagegen an“, sagte ihr Chef John Cryan vor wenigen Tagen. Das ist eine noch immer ungewohnt defensive Haltung für den Chef eines Instituts, das sich noch vor Kurzem an der Weltspitze wähnte und nun gegen den Abstieg kämpft. Eine ähnlich bittere Erfahrung wollen Frank und seine Mitstreiter ihrer Stadt ersparen.

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