FinTech Die jungen Wilden müssen um Vertrauen kämpfen

Junge, digitale Finanzdienstleister elektrisieren die traditionelle Bankenwelt. Aber sind sie auch zuverlässig? Was dran ist am FinTech-Hype und wie Verbraucher und Firmenkunden davon profitieren können.

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Wie Verbraucher und Firmenkunden von jungen, digitalen Finanzdienstleistern profitieren. Quelle: Getty Images

Yassin Hankir zieht schon sein zweites FinTech-Start-up hoch. Savedroid heißt das aktuelle Baby, was so viel bedeutet wie Sparroboter. Die App für das Mobiltelefon soll den inneren Schweinehund im Nutzer an die kurze Leine nehmen und ihn zum Sparen anregen, wann immer die Möglichkeit dazu besteht.

Die rein finanzielle Dienstleistung des Sparkontos ist dabei nur ein Teil des Geschäftsmodells, erklären Hankir und sein Mitgründer Marco Trautmann am Konferenztisch im Savedroid Büro mitten im rauen Gutleutviertel nicht weit vom Frankfurter Hauptbahnhof. Strategie von Savedroid soll vielmehr sein, anhand der Kontobewegungen der Kunden deren Sparpotenzial zu erkennen. Beispiel: Der Handy- oder Energieversorgungsvertrag ist zu teuer und könnte gegen ein billigeres Angebot bei vergleichbarer Leistung getauscht werden.

Das sind die besten Fin-Tech-Start-ups
Das Münchener Start-up Gini wurde zum besten FinTech-Start-up 2015 gewählt. Quelle: Presse
Platz 2: WeltsparenDas 2012 gegründete Portal Weltsparen.de der Saving Global GmbH ist der erste Online-Marktplatz für europäische Festgelder. Bei ausgewählten Partnerbanken aus ganz Europa können Kunden online ihr Geld anlegen – mit deutlich attraktiveren Zinsen bis zu 2,5 Prozent. Auf dem Bild sind die Gründer Michael Stephan, Frank Freund und Tamaz Georgadze (von links) zu sehen. Quelle: Presse
Platz 3: Numbers 26Die moderne Banking-App von Maximilian Tayenthal (links im Bild) und Valentin Stalf soll das herkömmliche Girokonto ersetzen. Ihr Konto ist komplett kostenlos, kann per Smartphone und in Echtzeit bedient werden – und eine Mastercard gibt es noch dazu. Mit ihrem Angebot treten die beiden Unternehmer in direkte Konkurrenz zu den bestehenden Direktbanken – und werben mit der Einfachheit ihrer Produkte. Für den Firmennamen ist übrigens der berühmte bunte Zauberwürfel verantwortlich, der aus 26 einzelnen Würfeln besteht. „Das ist unsere Inspiration dafür, dass man auch das komplexe Bankensystem mit der richtigen Strategie einfach lösen kann“, erklären Tayenthal und Stalf ihre Firmenphilosophie. Quelle: Presse
Fairr.deDas Berliner Start-up Fairr.de gehört zu den übrigen Finalisten und hat sich auf Altersvorsorge spezialisiert. Fairr.de will sich in diesem Segment gegen die großen Banken behaupten. Die Kunden können online verschiedene Rentenprodukte abschließen – beispielsweise den „fairriester“, einen Riester-Fondssparplan mit ETFs und Anlageklassenfonds. Die Besonderheit dabei: Das Start-up verzichtet auf Abschlussprovisionen und wirbt mit niedrigen laufenden Kosten. Quelle: Presse
ExporoDas Crowdfunding-Portal Exporo ist eine Plattform für Immobilien und Immobilienprojekte. Das Hamburger Start-up vermittelt dabei Kapital zwischen Projektentwicklern und Anlegern – und ist mit einem Kapitalvolumen von mehr als 10 Millionen Euro in diesem Segment deutschlandweit führend. Im Dezember 2014 startete Exporo sein erstes Projekt in der Hamburger Feldbrunnenstraße (Foto). Mehr als 440 private Geldgeber haben sich mit Summen ab 500 Euro beteiligt – so konnte diese Immobilien-Schwarmfinanzierung innerhalb von nur 14 Wochen realisiert werden. Quelle: Presse
FinoBei Fino Digital können Kunden innerhalb von acht Minuten ihr Konto wechseln – per Mausklick, ganz ohne Schreibaufwand. Seit Herbst 2015 ist das Portal von Fino-Gründer Florian Christ (Bild) im Netz zu finden – und rund 15 Banken kooperieren mittlerweile mit dem jungen Kasseler Unternehmer. Quelle: Presse
VaamoDie Vaamo Finanz AG bietet individuelle Online-Investment-Lösungen für Privatpersonen an. Dazu können Nutzer ein eigenes Vaamo-Konto eröffnen. Das Besondere dabei: Die persönlichen Sparziele der Kunden stehen im Vordergrund. Ein technisches Kontrollsystem hilft dabei, dass die Nutzer ihre Ziele auch tatsächlich erreichen. Bei Vaamo gibt es weder einen Mindestanlagebetrag noch eine Mindestlaufzeit; die Kunden zahlen einen Pauschalpreis. Das Frankfurter Start-up kooperiert zur Depotführung und Transaktionsabwicklung mit der FFB. Quelle: Presse

Frankfurt am Main ist der wichtigste deutsche Stützpunkt der klassischen Bankenbranche. Im Schatten der Wolkenkratzer siedeln sich allerdings immer mehr kleine Finanz-Start-ups wie Savedroid an. Immerhin elf FinTechs gibt es hier, in der Kreativhauptstadt Berlin sind es 29. Hankirs erste FinTech-Gründung namens Vaamo ist in einem Hinterhaus an der Mainzer Landstraße im Frankfurter Gallusviertel entstanden. Lage und Einrichtung der Räume des Internetportals für digitalisierte Vermögensanlage gleichen dem Savedroid-Büro: Offene Küche, Fußballtisch, freilaufender Bürohund. Start-up-Feeling eben.

Das Marketinggetöse der Newcomer kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre Zahl noch winzig ist im Vergleich zum traditionellen Bankensektor. Rund 200 FinTechs gibt es nach Schätzung des Bankenverbands in Deutschland, viele von ihnen müssen ihren Kundenstamm erst noch aufbauen. Dem gegenüber steht die Finanzgruppe der Sparkassen mit allein rund 50 Millionen Kunden, ganz zu schweigen von den rund 1000 Volksbanken und den privaten Banken mit ihren Filialketten. Obwohl oder gerade weil die FinTechs sich oft als Herausforderer des Establishments stilisieren, ist ihre Akzeptanz bei Verbrauchern noch gering. Firmenkunden dagegen haben weniger Berührungsängste.

Akzeptanz bei Verbrauchern noch gering

Für sich genommen sind die digitalen Finanzdienstleister zu klein, um eine nennenswerte Herausforderung für den etablierten Bankensektor darzustellen. Doch ihre große Zahl und Beweglichkeit machen das Phänomen FinTech zu einem Thema, mit dem sich längst auch die Vorstände der großen Finanzkonzerne auseinandersetzen müssen.

Disruption – englisch für Zerstückelung – lautet die aggressive Kampfparole der FinTech-Branche. Zerlegt werden soll die lange Wertschöpfungskette der Banken, wobei nicht ein großer Hightech-Konzern die bisherigen Finanzdienstleister im Alleingang vom Kunden abschneiden soll.

Nein, Jungunternehmen wollen jeweils kleinste Kompetenzen aus der breiten Palette an Finanzdienstleistungen an sich reißen. Sie alle träumen davon, mit einem spezialisierten Geschäftsmodell zum millionenschweren Einhorn zu werden, also dem Liebling der Investoren.

Die zehn wichtigsten jungen Finanzdienste aus dem Internet

Wie das geht, hat der Ex-Banker Carlo Kölzer mit seinem Unternehmen 360T vorgemacht. Bei der digitalen Devisenhandelsplattform können Unternehmen Währungsgeschäfte billiger abwickeln als bei Banken. Im Sommer 2015 griff die Deutsche Börse zu und kaufte die Anteile für 725 Millionen Euro von Kölzer und dem Frankfurter Finanzinvestor Brockhaus Private Equity.

Ihre enge Spezialisierung macht die Angreifer nicht weniger gefährlich für die herkömmliche Konkurrenz. „Auch Ameisen können einen Elefanten töten, wenn jede nur einmal zubeißt“, tönte ein Gründer auf einem Finanzkongress vor zwei Jahren.

Doch diese martialische Rhetorik legt sich, vor allem bei FinTechs, die schon länger am Markt sind. Sie haben erkannt, dass die ihnen von Investoren und frustrierten Bankkunden entgegengebrachte Euphorie ihre alternativen Geschäftsmodelle nicht zum Selbstläufer macht.

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