Yassin Hankir zieht schon sein zweites FinTech-Start-up hoch. Savedroid heißt das aktuelle Baby, was so viel bedeutet wie Sparroboter. Die App für das Mobiltelefon soll den inneren Schweinehund im Nutzer an die kurze Leine nehmen und ihn zum Sparen anregen, wann immer die Möglichkeit dazu besteht.
Die rein finanzielle Dienstleistung des Sparkontos ist dabei nur ein Teil des Geschäftsmodells, erklären Hankir und sein Mitgründer Marco Trautmann am Konferenztisch im Savedroid Büro mitten im rauen Gutleutviertel nicht weit vom Frankfurter Hauptbahnhof. Strategie von Savedroid soll vielmehr sein, anhand der Kontobewegungen der Kunden deren Sparpotenzial zu erkennen. Beispiel: Der Handy- oder Energieversorgungsvertrag ist zu teuer und könnte gegen ein billigeres Angebot bei vergleichbarer Leistung getauscht werden.
Frankfurt am Main ist der wichtigste deutsche Stützpunkt der klassischen Bankenbranche. Im Schatten der Wolkenkratzer siedeln sich allerdings immer mehr kleine Finanz-Start-ups wie Savedroid an. Immerhin elf FinTechs gibt es hier, in der Kreativhauptstadt Berlin sind es 29. Hankirs erste FinTech-Gründung namens Vaamo ist in einem Hinterhaus an der Mainzer Landstraße im Frankfurter Gallusviertel entstanden. Lage und Einrichtung der Räume des Internetportals für digitalisierte Vermögensanlage gleichen dem Savedroid-Büro: Offene Küche, Fußballtisch, freilaufender Bürohund. Start-up-Feeling eben.
Das Marketinggetöse der Newcomer kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre Zahl noch winzig ist im Vergleich zum traditionellen Bankensektor. Rund 200 FinTechs gibt es nach Schätzung des Bankenverbands in Deutschland, viele von ihnen müssen ihren Kundenstamm erst noch aufbauen. Dem gegenüber steht die Finanzgruppe der Sparkassen mit allein rund 50 Millionen Kunden, ganz zu schweigen von den rund 1000 Volksbanken und den privaten Banken mit ihren Filialketten. Obwohl oder gerade weil die FinTechs sich oft als Herausforderer des Establishments stilisieren, ist ihre Akzeptanz bei Verbrauchern noch gering. Firmenkunden dagegen haben weniger Berührungsängste.
Akzeptanz bei Verbrauchern noch gering
Für sich genommen sind die digitalen Finanzdienstleister zu klein, um eine nennenswerte Herausforderung für den etablierten Bankensektor darzustellen. Doch ihre große Zahl und Beweglichkeit machen das Phänomen FinTech zu einem Thema, mit dem sich längst auch die Vorstände der großen Finanzkonzerne auseinandersetzen müssen.
Disruption – englisch für Zerstückelung – lautet die aggressive Kampfparole der FinTech-Branche. Zerlegt werden soll die lange Wertschöpfungskette der Banken, wobei nicht ein großer Hightech-Konzern die bisherigen Finanzdienstleister im Alleingang vom Kunden abschneiden soll.
Nein, Jungunternehmen wollen jeweils kleinste Kompetenzen aus der breiten Palette an Finanzdienstleistungen an sich reißen. Sie alle träumen davon, mit einem spezialisierten Geschäftsmodell zum millionenschweren Einhorn zu werden, also dem Liebling der Investoren.
Die zehn wichtigsten jungen Finanzdienste aus dem Internet
Die zehn wichtigsten jungen Internet-Finanzdienste
Quelle: Unternehmen, eigene Recherche
Geschäftsmodell: Girokonto auf dem Smartphone
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Jonas Piela, Oliver Lukesch und Wilken Bruns
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: 9
Geschäftsmodell: Social Trading: ambitionierte Anleger folgen erfahrenen Spekulanten
Sitz: Frankfurt, London
gegründet: 2009 von Robert Lempka und Thomas Winkler
größte Geldgeber: Luminor Capital
Nutzer: 80.000
Mitarbeiter: 47
Geschäftsmodell: Internet-Zahldienst und Festgeld
Sitz: Stockholm, Köln
gegründet: 2005 von Sebastian Siemiatkowski
größte Geldgeber: Sequoia Capital, Atomico
Nutzer: 25 Millionen
Mitarbeiter: 1.100
Geschäftsmodell: Scoring-Algorithmus zum Aufbau einer digitalen Bank
Sitz: Hamburg
gegründet: 2012 von Sebastian Diemer
Investoren: Värde Partners, Blumberg Capital, Pont Nine Capital
Kunden: 2 Millionen Nutzer gescored, bei 9 Niederlassungen
Mitarbeiter: mehr als 200
Stand:Oktober 2014
Geschäftsmodell: Private Finanzplanung über soziales Netzwerk
Sitz: Köln
gegründet: 2012 von Dieter Fromm und Johannes Cremer
größte Geldgeber: Dieter von Holtzbrinck Ventures, Family Offices
Nutzer: etwa 5000
Mitarbeiter: 12
Geschäftsmodell: Vermittlung von Bank- und Privatkrediten
Sitz: Berlin
gegründet: 2007 von Alexander Artopé und Eckart Vierkant
größte Geldgeber: Earlybird
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: über 100
Geschäftsmodell: Kursprognosen durch Auswertung sozialer Netzwerke
Sitz: Köln
gegründet: 2011 von Jonas Krauß und Stefan Nann
größte Geldgeber: Ayondo, eigenes Management
Nutzer: 2.700
Mitarbeiter: 7
Geschäftsmodell: Automatisierte Geldanlage
Sitz: Frankfurt
gegründet: 2013 von Thomas Bloch, Yassin Hankir und Oliver Vins
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: 200 Testkunden, Ziel bis 2018: 100.000
Mitarbeiter: 14
Geschäftsmodell: Festgeldanlagen bei internationalen Banken
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Tamaz Georgadze, Frank Freund, Michael Stephan
größte Geldgeber: Index Ventures
Nutzer: Etwa 5.000
Mitarbeiter: 30
Geschäftsmodell: Social Trading: Anleger folgen erfahrenen Händlern und Profis
Sitz: Wien
gegründet: 2011 von Andreas Kern
größte Geldgeber: Speedinvest, Verlagsgruppe Handelsblatt
Nutzer: 28.000
Mitarbeiter: 24
Wie das geht, hat der Ex-Banker Carlo Kölzer mit seinem Unternehmen 360T vorgemacht. Bei der digitalen Devisenhandelsplattform können Unternehmen Währungsgeschäfte billiger abwickeln als bei Banken. Im Sommer 2015 griff die Deutsche Börse zu und kaufte die Anteile für 725 Millionen Euro von Kölzer und dem Frankfurter Finanzinvestor Brockhaus Private Equity.
Ihre enge Spezialisierung macht die Angreifer nicht weniger gefährlich für die herkömmliche Konkurrenz. „Auch Ameisen können einen Elefanten töten, wenn jede nur einmal zubeißt“, tönte ein Gründer auf einem Finanzkongress vor zwei Jahren.
Doch diese martialische Rhetorik legt sich, vor allem bei FinTechs, die schon länger am Markt sind. Sie haben erkannt, dass die ihnen von Investoren und frustrierten Bankkunden entgegengebrachte Euphorie ihre alternativen Geschäftsmodelle nicht zum Selbstläufer macht.