FinTech, Filiale, Fortschritt Fünf Thesen für die Bank der Zukunft

Die Zukunft der Banken gilt als düster. Was wird aus Filialen, Mitarbeitern und Kunden? Ein Blick in die Zukunft der Institute.

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Wo sich das Geld wohlfühlen soll: Die Bankfiliale der Zukunft. Quelle: Commerzbank AG

Riesensofas, Flachbildschirme und Stehtische, angenehm umrahmt von heller Holzvertäfelung: Die Flaggschiff-Filiale der Commerzbank auf der Stuttgarter Königstraße setzt auf eine futuristische und offene Atmosphäre. Kunden werden an Videokassen bedient, können sich aber auch mit dem Berater aus Fleisch und Blut in eine ruhige Ecke zum Gespräch zurückziehen. Sieht so die Bank der Zukunft aus?

Ein Kongress, veranstaltet vom Bankerverband IBF in Frankfurt, zu Beginn der Woche versuchte, die Entwicklung Geldinstitute zu ergründen. Fünf Thesen lassen sich herauskristallisieren.

1.     Die Renaissance der Filiale

Eine Diskussion über die Bank der Zukunft kann sich nicht am Thema Filiale erschöpfen, muss aber bei ihr anfangen. Sie ist das erste, an das viele Kunden beim Wort „Bank“ denken, Kindheitserinnerungen an die erste Sparschweinschlachtung mit anschließender Kontoeröffnung am Schalter inbegriffen.

Vermutlich ist es aber ein Fehler vieler Entscheider, davon auszugehen, das müsse immer so bleiben. Jüngere und internetaffine Kunden legen nämlich weniger Wert auf Filialen, sagen zumindest Umfragen.

So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell

Digitale Hardliner glauben nicht, dass sie überhaupt eine Zukunft hat. Bankvorstände dagegen beteuern, wie wichtig die Filiale zumindest für die persönliche Beratung noch immer sei. Doch selbst bei klassischen Bankern ist die Haltung zur Filiale ambivalent. Sie schließen zumindest trotz ihrer Bekenntnisse immer mehr davon.

„Die Öffnungszeiten von Filialen sind für Arbeitnehmer genauso unrealistisch wie für Jugendliche, die eine Ausbildung machen oder zur Schule gehen“, sagt André Bajorat, Experte für digitale Finanzdienstleistungen und Manager bei mehreren FinTech-Unternehmen. So könne die Filiale ihren Trumpf nicht ausspielen, nämlich die Nähe zum Kunden.

Der Schlüssel zur Wiederbelebung der Filiale liegt vielleicht in der Verknüpfung von traditionellem und digitalem Banking. Davon ist etwa Martin Zielke, Vorstand für das Privatkundengeschäft der Commerzbank, überzeugt. „Die Zukunft der Filiale ist persönlich und digital“, sagt Zielke.

Zumindest in ihren Vorzeigefilialen wie der in Stuttgart setzt die Bank dieses Konzept um. Giro- und Kreditkarte samt Geheimnummern können Kunden dort direkt nach der Kontoeröffnung mitnehmen, statt tagelang auf die Post zu warten.

Das ist keine Jahrhundertinnovation, aber ein erster Schritt zu mehr Bequemlichkeit. Der Weg in die Zukunft dürfte aus vielen kleinen Schritten wie diesem bestehen.

2.     Mehr Kreativität wagen

„Banker, FinTech-Gründer, Finanzregulierer und andere Experten sind sich einig, dass die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen bei den Bedürfnissen der Kunden ansetzen muss“, sagt Michael Kötter, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management und Forschungsprofessor am IWH Halle. Dieses Bekenntnis lässt sich natürlich auch auf alle anderen Branchen übertragen und gilt heute wie künftig. Entscheidend ist die Frage, wie es umgesetzt wird  - und mit welchen Inhalten.

Die zehn wichtigsten jungen Finanzdienste aus dem Internet

Aus Sicht von Franz Welter, Abteilungsdirektor Innovation und Digitalisierung bei der DZ Bank, soll dabei die Zusammenarbeit mit den Kunden eine wichtigere Rolle spielen. „Neue Formate wie Hackatons werden in den Regelbetrieb der Banken integriert“, sagt Welter. Auf solchen Veranstaltungen treffen sich interne und externe Experten, um neue Ideen mit potenziellen Kunden zu entwickeln und gleich vor Ort gemeinsam zu testen. Nicht mehr nur Banker und Juristen sollen dann an der Entwicklung beteiligt werden, auch Mitarbeiter anderer Disziplinen werden integriert.

Banken müssen wieder Geld verdienen

Aus Sicht des Finanzexperten Bajorat beschränken sich viele Banken bei der Kompetenzdiskussion derzeit noch auf das Thema Regulierung. Dieses ist komplex und schwer zu beherrschen und gerade für neu ins Spiel einsteigende Konkurrenten schwer zu durchschauen. Für die Banken dagegen sei die Regulatorik zwar ein Heimspiel, doch es reiche nicht, sich hinter diesem Heimvorteil zurückzuziehen. „Eine Bank muss das Finanzgeschäft in seiner Gesamtheit und vor allem die Kunden im Blick haben“, sagt Bajorat.

Hans-Jürgen Walter, Partner und Leiter des Bereichs Financial Services beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte, sieht die Regulierung als hohe Hürde für den Markteintritt von Internet- oder FinTech-Firmen in das Bankgeschäft.

Die Neulinge würden sich daher vor allem auf Produkte und Leistungen konzentrieren, die nicht zum klassischen Banking zählten. Dazu gehörten etwa neue technische Lösungen für den Zahlungsverkehr. Geldinstitute könnten sich so auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren.





3.     FinTech wirkt

Beim Weg der Banken in die Zukunft sind die jungen, digitalen Finanzdienstleister nicht wegzudenken, die unter dem Schlagwort FinTech Popularität haben.

Keiner der neuen Wettbewerber ist schon so groß, dass er wie die Bankenbranche ganze Volkswirtschaften mit Finanzdienstleistungen versorgen kann. Und natürlich werden viele der Start-ups, die heute noch für Furore sorgen, morgen wieder verschwunden sein. Doch ein solcher Ausleseprozess ist normal in der Start-up-Szene. FinTech wird seine Wirkung hinterlassen, davon sind nicht nur Digitalfreaks wie Bajorat überzeugt.

„FinTechs werden die Banken nicht ersetzten“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Kötter. „Aber sie dienen als Brandbeschleuniger, um die Innovationskraft der Banken bei der Technologisierung ihres Geschäfts zu wecken.“

Die Probleme der FinTech-Branche

Auch der Neue Markt hat, trotz seines finanziellen Scheiterns eines Großteils der Investoren und Anleger, die Digitalisierung der Wirtschaft eingeläutet. Nach dem Einzelhandel, der vom E-Commerce aufgerollt wird, und den Medien, die von Papier auf Bildschirme umschalten müssen, ist jetzt der Finanzsektor dran.

4.     Die Alt-IT muss weg

Allerdings gibt es auf dem Weg in die technologische Zukunft noch ein großes Hindernis. Dieses liegt in den wuchernden IT-Systemen der Banken, die historisch nach und nach gewachsen sind und daher nur schwer modernisiert werden können. Die marode Alt-IT wirkt nicht nur als Innovationsbremse, sondern könnte sich auch als Sicherheitsrisiko entpuppen.

„Das wird eine wichtige Aufgabe für Anleger, Einleger, Investoren und Finanzaufsicht“, erwartet Wissenschaftler Kötter. Um Kundendaten zu schützen und den Zahlungsverkehr zu sichern, müssten Cyberbetrüger und Terroristen abgewehrt werden. Teil dieser Sicherungsaufgaben dürfte der Schutz vor dem ungehemmten Zugriff von Geheimdiensten auf die Banksysteme sein.

5.     Wieder Geld verdienen

Im Oktober 2015 sorgte die Unternehmensberatung Bain & Company mit einer Studie für Aufsehen. Laut der fehlen den deutschen Banken bis 2025 Gewinne von 25 Milliarden Euro, um die Ansprüche ihrer Anteilseigner bedienen zu können. Selbst bei radikalen Kostensenkungen von rund 30 Prozent und einem Abbau von 240.000 Stellen ließe sich diese Ergebnislücke allenfalls halbieren. Eine Lösung seien daher Fusionen.

Diese Margenschwäche des Bankgeschäfts ist, so zynisch es klingt, neben den teuren Regulierungsauflagen eine Hürde für den Markteintritt von Wettbewerbern. Für Internetgiganten wie Google, Apple und Facebook, denen viele Experten Ambitionen im Bankgeschäft nachsagen, sei einfach zu wenig Gewinnpotenzial zu erkennen, um tatsächlich in den Finanzsektor einzusteigen. Das sagte Michael Kemmer, Chef des Bankenverbands, bereits im vergangenen Jahr.

Ein dauerhafter Schutz vor Wettbewerbern ist die desolate Gewinnsituation jedoch nicht. Auf kurze Sicht schreckt die geringe Profitabilität tatsächlich Angreifer ab. Aber die hohen Kosten und bescheidenen Einnahmen lassen auch die Kurse sinken, was feindliche Übernahmen zur Folge haben könnte – selbst wenn in den Bilanzen der Banken jede Menge Altlasten schlummern.

Dann heißen die Finanzkonzerne von morgen vielleicht wirklich einmal Alibaba oder Amazon. Die schmucken Testfilialen der Banken von heute hätten dann zumindest schon den passenden futuristischen Look.

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