FinTechs Auf Kuschelkurs mit den Banken

Skyline in Frankfurt auf einem Smartphone

Einst wollten FinTechs den etablierten Banken Konkurrenz machen. Mittlerweile werben sie um deren Gunst. Das zeigt nicht nur die Übernahme von Lendico durch ING Diba. Ist die Revolution im Bankensektor abgesagt?

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Die Reste des geplatzten Traums stehen verwaist in einem Büro des Hubs der Deutschen Börse in Frankfurt am Main: Ein paar leergefegte Schreibtische, davor einige Bürostühle. Vor den Fenstern des ausgeräumten Büros wachsen die Glastürme der Deutschen Bank und der Commerzbank in den Himmel. Gernot Overbeck könnte das als Hohn empfinden. Denn Großbanken wie diesen wollten er und sein Co-Gründer Thomas Becher mit ihrem Unternehmen „Fintura“ Konkurrenz machen.

Ihr Startup in der Finanzbranche (FinTech) sollte Mittelständlern passende Kredite vermitteln. Unkomplizierter und schneller als jede Bank wollten sie das bewerkstelligen. Doch keine vier Jahre nach der Gründung befindet sich das Unternehmen in Liquidation: Zu wenige Kunden, zu hohe Marketingkosten und das niedrige Zinsumfeld haben laut Overbeck ins Aus geführt. Ausgerechnet eine Großbank war die letzte Hoffnung für Fintura. „Wenn eine etablierte Bank uns kaufen will, wären wir sofort bereit zum Verkauf“, sagt Overbeck.

FinTechs, das waren einmal jene jungen Digitalunternehmen, die eine Revolution im Finanzsektor lostreten wollten. Algorithmen und smarte Geschäftsmodelle sollten besonders die Bankenbranche auf den Kopf stellen. Was eine Bank zu leisten hat und wie sie ihre Kunden behandeln soll, geriet plötzlich auf den Prüfstand und in die Mangel der Jungunternehmer. „Disrupten“ heißt das in der Szene, also aufmischen und erschüttern. 

Doch die Palastrevolte ist vorerst abgesagt. Denn die einstigen Bankenstürmer haben sich auf Kuschelkurs mit den etablierten Instituten begeben. Als Investoren, Kooperationspartner und Käufer werden die einst angefeindeten Institute nun kräftig von den FinTechs umworben. Jüngstes Beispiel ist die Übernahme des Kreditvermittlers Lendico durch die Direktbank ING Diba. Ausgerechnet Lendico, könnte man sagen. Denn das von Rocket Internet hochgezogene FinTech war mit einer beherzten Kampfansage gegen etablierte Banken gestartet.  Das Besondere an dem FinTech aus dem Hause Samwer: Das Geld für die Firmenkredite kommt nicht von Banken, sondern von Profianlegern. Ausgerechnet eine Bank hält diese Idee nun für so zündend, dass sie beherzt zugreift.

Die neue Verbrüderung von FinTechs und klassischen Banken hat nicht nur Vorteile. „Integration in die Hierarchien bremst die Kreativität, weil die Start-ups dann in den Zwängen der Strukturen und Organisation gefangen sind“, sagt etwa Sven Korschinowski, Partner beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG. Doch auch mancher Gründer hat Vorbehalte gegen den Trend zur Kooperation. Doch haben Startups ohne die Hilfe der Etablierten überhaupt noch eine Chance? Und welche Folgen hat der neue Kuschelkurs für die jungen Gründer?

Wie innovativ die Gründerszene ist, will das Hub der Deutschen Börse in Frankfurt schon von außen zeigen. Die alte Fabrik mit den Glaselementen steht mitten im Frankfurter Szeneviertel Bornheim. Statt Bankern in Anzügen flanieren hier vornehmlich hippe Menschen, die koffeinhaltige Limonade schlürfen.  

In einem der Fabriktürme befindet sich das FinTech Hub der Deutschen Börse. Für vier junge Unternehmen hat die Deutsche Börse hier auf zwei Etagen Gemeinschaftsräume und Büros eingerichtet. Der Kickertisch und der Kühlschrank mit den Gratis-Limos sollen jung und hipp wirken. Doch auf den Couchteilen daneben nehmen regelmäßig Manager der Großbanken Platz, um sich mit den Jungunternehmern auszutauschen.

Theodor Weimer, der neue Chef der Deutsche Börse, will von den jungen Unternehmen lernen, wie er auf seiner ersten Bilanzpressekonferenz bei der Börse betont. Süffisant spricht er sogar vom Abkupfern. Seine Vorstandskollegin Hauke Stars bezeichnet das Hub-Projekt als Erfolg: "Drei der vier Unternehmen haben erfolgreich neues Kapital eingesammelt, nur ein FinTech hat es nicht geschafft." So sei das eben in der Welt der Start-Ups.

Zu den Erfolgreichen gehört Yassin Hankir. Hinter einer der Glaswände des Frankfurter Hubs liegt sein Büro. Savedroid heißt sein Startup. Es soll Nutzern beim Sparen helfen. Dafür greift das Programm auf die Kontodaten zu und durchforstet bestehende Verträge nach Verbesserungspotenzial. Wenn ein neuer Handyvertrag etwa billiger wäre als der vorhandene, schlägt die App das vor.

Wegen des Einblicks auf die Kontobewegungen der Nutzer ist die Zusammenarbeit mit der traditionellen Bankenwelt für Savedroid unverzichtbar. Wenn ein Kunde sich damit einverstanden erklärt, muss die Bank für Savedroid die IT-Schleusen öffnen. Das ist sogar nach dem Willen der Europäischen Union. Denn sie will das  Datenmonopol der Banken aushebeln und den Wettbewerb fördern. Die Kooperation Bank mit FinTech wird an dieser Stelle sogar gesetzlich forciert.

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