FinTechs Auf Kuschelkurs mit den Banken

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Skepsis über den neuen Kooperationskurs

Doch der Gründer sieht den Trend in der FinTech-Szene zur Zusammenarbeit durchaus skeptisch: „Für Start-ups mag das auf den ersten Blick verführerisch sein, allerdings können sie dabei in eine Konzernhierarchie und Abhängigkeit geraten, in der Entscheidungen länger dauern und das kleinere, innovativere Unternehmen letztlich zum bloßen Softwaredienstleister für Banken degradiert wird“, sagt Hankir.

Auch die anderen FinTech-Gründer, die hinter den Glaswänden des Frankfurter Hubs der Deutschen Börse ihre Büros haben, haben allesamt Kooperationspartner aus der etablierten Bankbranche. Wer etwa die App „Finanzguru“ der Zwillinge Benjamin und Alexander Michel aufruft, wird noch auf der Startseite auf den Partner hingewiesen: „In Kooperation mit Deutsche Bank“.

Benjamin Michel, der Dwins zusammen mit seinem Bruder Alexander gegründet hat, kommt gutgelaunt aus seinem Glasverschlag. Keine 30 Sekunden braucht er, um Umstehenden Lust auf seine App zu machen. Mit seinem Kapuzensweater und dem Drei-Tage-Bart sieht Michel mehr wie Mark Zuckerberg denn wie ein etablierter Banker aus. Mit jenem Enthusiasmus, mit dem Michel seinen „Finanzguru“ vorstellt, können wohl ohnehin die wenigsten Anzugträger aus den Glastürmen der Frankfurter Innenstadt ihre Finanzprodukte bewerben. Dabei kommt der 28-jährige Michel von der klassischen Seite des Bankings. Während des dualen Studiums der BWL und der Bankkaufmannsausbildung an der Frankfurt School arbeitete Michel als Berater einer großen Bank. Nach dem Studium stieg er als Spezialist für Digitalisierung in den Bankenkonzern ein.

Seine ambitionierten Digitalisierungsprojekte konnte Michel bei der Großbank jedoch nicht verwirklichen. „Im Konzern wurde ich zu stark eingebremst in meiner Freiheit. Es ging mir einfach auf den Keks, wenn jemand zwei Hierarchiestufen über mir sagte, dass ich etwas nicht verwirklichen kann. Mein Motto ist: Wo eine Wille, da ein Weg. Aber in einem Konzern gibt es oftmals Hürden oder politische Interessen, die man als Einzelner nicht beeinflussen kann.“

Vor drei Jahren gründeten die Brüder deshalb ihr eigenes FinTech. Nachdem sie bei einem Hackathon der Deutsche Bank den ersten Platz belegt hatten, gewannen sie das Institut als Kooperationspartner für ihre App „Finanzguru“. Das Programm sorgt für einen besseren Überblick über die eigenen Finanzen. Zudem automatisiert die App sämtliche Vertragsänderungen und kann auf Wunsch selbstständig günstigere Verträge etwa für Energie- oder Handyanbieter suchen.

Ähnlich wie bei Savedroid wäre das Geschäftsmodell von Finanzguru ohne Kooperation mit einer Großbank nur schwer vorstellbar. Ein Vollzugriff auf das Kundenkonto ist Voraussetzung für das Optimieren der Verträge. Als Mitarbeiter der Deutsche Bank will sich Michel aber nicht verstanden wissen, auch wenn die Bank eine Minderheitsbeteiligung von 24,99 Prozent an „Finanzguru“ hat. „Uns war es wichtig, dass wir unabhängig sind und Entscheidungen im Sinne des Kunden treffen. Das gleiche Verständnis hat auch die Deutsche Bank und uns gleich zugesagt, dass man uns nicht eingrenzen will“, sagt Michel. Wie unabhängig sein Produkt ist, will Michel weiter unter Beweis stellen: Die App „Finanzguru“ soll im Laufe des Jahres für alle Banken geöffnet werden.

Abwehrmaßnahmen gegen Amazon & Co.

Dass FinTechs zunehmend mit klassischen Banken kooperieren, sieht Michel als logische Entwicklung. „Natürlich sind viele FinTechs mit dem Vorsatz gestartet, die Banken platt zu machen. Aber dieser Hype flacht auch wieder ab. Viele merken eben, wie extrem teuer alleine die Kundenakquisition ist“, sagt Michel. Ein noch viel entscheidenderer Vorteil der etablierten Banken sei allerdings deren Reputation. „Die Frage nach dem Vertrauen in eine Bank ist entscheidend für den Erfolg. Und hier sind die Etablierten gegenüber den FinTechs einfach klar im Vorteil.“ 

Für Matthias Lais, Geschäftsführer beim Beteiligungsunternehmen main incubator, gehört die Verbrüderung von Banken und FinTechs quasi zur Jobbeschreibung:  „Auf beiden Seiten ist klar geworden, dass es auch gemeinsam geht.“ Der main incubator genannte Brutkasten für Jungunternehmen gehört der Commerzbank und investiert vorrangig in Startups, die einen strategischen Nutzen für die Mutter haben.

Auf den ersten Blick haben die Kooperationen laut Lais vor allem zwei Gründe: Zum einen wären viele Start-ups mit den strengen Finanzvorschriften überfordert. Zudem locke der Kundenstamm der etablierten Banken. So können neue Dienstleistung rasch zum Kunden gebracht werden.

Doch Lais führt auch einen dritten und entscheidenden Grund für das Zusammenrücken von Etablierten und Herausforderungen an: „Die Finanzbranche hat erkannt, dass die wirkliche Gefahr nicht von Start-ups droht, sondern von Digitalkonzernen aus den USA und China, wie Amazon oder Alibaba“, sagt Lais.

Für Gernot Overbeck von „Fintura“ kam die Kooperationswelle mit den Banken wohl zu spät. Er fand keinen Käufer für sein Startup. Gescheitert soll es ausgerechnet an der Behäbigkeit der Etablierten sein. „Banken brauchen für ihre Entscheidungsprozesse einfach zu lange. Deshalb konnten wir so schnell keinen Käufer finden“, sagt Overbeck. 

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