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Fiskalunion Ackermann glaubt an den Euro - unter Bedingungen

Josef Ackermann sieht eine Zukunft für den Euro - aber nur mit einer Fiskalunion. Die Eurozone werde noch lange bestehen, aber sie wird auch mehr von Deutschland fordern als bisher angenommen.

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Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, Quelle: dpa

Paris Gelassen, gut gelaunt und so eloquent wie ein Politiker, so trat Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann am späten gestrigen Abend in Paris auf. Vielleicht trug der prächtige Ort, das wunderschöne „Hotel Beauharnais“, dazu bei, dem sonst manchmal spröde wirkenden Ackermann die Zunge zu lösen. Die Residenz des deutschen Botschafters gilt als eines der erhabensten Palais der französischen Hauptstadt, die nicht eben arm ist an prunkvollen Gebäuden.

Hier hat Reichtum die Jahrhunderte überdauert - vielleicht bestärkte das Ackermann in seiner Ansicht, dass auch die Eurozone noch lange bestehen kann, vorausgesetzt, sie verteilt ihren Reichtum ein wenig um: Die Starken sollen mehr noch als bislang die Schwachen in der Eurozone unterstützen, forderte Ackermann vor 120 geladenen Gästen.

Es fragt sich, ob Ackermann in Deutschland so deutlich geworden wäre, was die Voraussetzungen für das Überleben des Euros angeht, wie er sie sieht: „Ich bin überzeugt, dass es nicht bei 211 Milliarden Euro (deutschen Garantien für den Rettungsschirm) bleiben wird. Deutschland wird in einer Fiskalunion mehr bestreiten müssen.“ Und die Fiskalunion ist für ihn unausweichlich: „Wir haben A gesagt, jetzt müssen wir auch B sagen, indem wir das Ganze nach vorne bringen und die Schwächeren stärker unterstützen.“

Es war ein Abend der unangenehmen Wahrheiten für den Hausherrn, die Bundesrepublik. Denn der Deutsche-Bank-Chef sprach nicht nur völlig unbefangen wiederholt das „F-Wort“ - Fiskalunion - aus. Er setzte auch einige kräftige Fragezeichen hinter das Rettungspaket, das der EU-Gipfel am Mittwoch vergangener Woche beschlossen hat - zu einer Zeit, die lange zurückzuliegen scheint, war es doch bevor der griechische Premier Papandreou mit der Idee eines Referendums in eine Tollhaus verwandelte.

Ein fundamentaler Widerspruch steckt seiner Ansicht nach in der Rettungsstrategie: „Wer ein Burden Sharing im Sinne der Beteiligung des Privatsektors fordert, stellt die Verlässlichkeit von Staatsanleihen infrage. Die Büchse der Pandora wurde geöffnet, die Rettungsaktion wird dadurch logisch konterkariert.“

Ganz frei von Widersprüchen ist aber auch Ackermann nicht, denn kurze Zeit später sagte er: „Griechenland muss von seinen 365 Milliarden Euro Schulden herunter, ohne einen teilweisen Schuldenerlass wird das nicht gehen, machen wir es also jetzt einmal.“ Einmal, das ist ganz wichtig für ihn: Griechenland soll auf jeden Fall eine Einzelfall bleiben, auf keinen Fall dürfe der Eindruck entstehen, mit Italien und Spanien könne man ähnlich umgehen.

Katastrophen-Szenario

Die beiden Länder können nach Ackermanns optimistischer Ansicht „für drei Jahre vom Markt genommen werden“, wenn der Rettungsfonds EFSF nur voll ausgeschöpft werde. Und das heißt für ihn: Hebelung durch den Einsatz eines Teils der Fazilität als Versicherung für die ersten 20 Prozent beispielsweise italienischer Anleihen. Ackermann ist zuversichtlich, dass das auf jeden Fall reicht, um Investoren dazu zu bringen, bei neuen italienischen Anleihen zuzugreifen: Das Land sei wirtschaftlich so stark und habe eine so starke interne Ersparnis, dass selbst im Worst Case kein höherer Verlust als 20 Prozent vorstellbar sei.

Als zweiten Hebel will er, der von einem Franzosen als „Mann, den man auch Merkels Banker nennt“ - was Ackermann mit breitem Grinsen quittierte - den umstrittenen Sonderfonds einsetzen, in den auch Chinesen einzahlen sollen. Anders als manche anwesenden französischen Politiker, die ihre Befürchtung äußerten, das könne mit politischen Zugeständnissen erkauft werden, sieht Ackermann darin keine Gefahr: „Je stärker wir das Netz mit China machen, umso deutlicher wird, dass wir ein gemeinsames Schicksal teilen und gemeinsame Interessen haben.“ Er nannte aber auch einen ganz profanen Grund: „Irgendwann brauchen wir ihr Geld doch.“

Ein wenig wirkten Ackermanns Rede und seine Antwort auf Fragen aus dem Publikum so, als sei die Zeit stehen geblieben, als habe es nie die Aussage Merkels und Sarkozys gegeben, die Griechen müssten jetzt überlegen, ob sie noch in der Eurozone bleiben wollen. Damit wurde ja ein politisches Tabu gebrochen, denn bislang galt es bei den europäischen Staats- und Regierungschefs als undenkbar, dass ein Land ausscheidet.

Doch ist es keinesfalls so, dass Ackermann nicht wüsste, wie nah die Eurozone damit an das Katastrophenszenario gerückt ist. Er ist nur viel zu vorsichtig - und denkt mittlerweile auch viel zu politisch - als dass er über einen möglichen Zerfall spekulieren wollte. Direkt darauf angesprochen, antwortete er mit freundlichem Lächeln: „Was würde wohl an den Märkten passieren heute Nacht, wenn ich sagen würde, der Euro könnte auseinanderfallen? Deswegen werde ich politisch korrekt antworten, ich bin überzeugt, dass das nicht geschieht.“


Chancen für Europa


Falls das tatsächlich seine Überzeugung ist, so ist sie zumindest an einige harte Bedingungen geknüpft. Ackermann will einen europäischen Finanzkommissar etabliert sehen. Der gegenwärtige institutionelle Aufbau der Eurozone gabe sich als völlig unzureichend erwiesen. Dabei ist er sich durchaus der verfassungsrechtlichen Problematik bewusst, schließlich sei das Budegracht der Kern der Kompetenzen eines Parlaments. Eingriffe darin seien nicht leicht zu begründen. Und der Deutsche-Bank-Chef sieht unter den heutigen Umständen, die von einer „Rückkehr des Nationalismus“ und einem gewissen „Überdruss an Europa“ gekennzeichnet sei, kaum eine Chance zu Verfassungsänderungen in vielen Euro-Ländern.

Aber er will nicht stehenbleiben beim Status Quo. „Wir können nicht einfach nur in die Asche schauen, wir müssen eine neue Flamme der Begeisterung entzünden“. Dafür sieht Ackermann durchaus Chancen: Europas Grundlage und Vision sei nicht mehr die Verhinderung interner Kriege, sondern die Verteidigung des europäischen Gesellschaftsmodells in einer gefährlicheren internationalen Umgebung, „die Verteidigung unserer Freiheit.“

Wann hat man einen Banker das letzte Mal so reden hören? Es klang fast, als sehe Ackermann weniger im Einzug in den Aufsichtsrat seiner Bank sein reizvollstes Ziel, sondern in einer politischen Karriere. „Die Zeitläufe sind viel zu ernst, als dass man die Dinge allein den Politikern überlassen könnte“, witzelte er denn auch.

Und das wiederum konnte er nirgendwo besser sagen als in der französischen Hauptstadt, wo die Eliten gerne zwischen Politik und Unternehmen hin- und herwechseln und der Staatspräsident sich von einem Spitzenbanker beraten lässt.

Doch abgesehen davon, dass er keine ernsthaften Ambitionen hat - zum Politiker fehlt Ackermann noch das Feingefühl dafür, was man wann sagen kann. Den Deutschen jetzt unverblümt zu sagen, dass es bei 211 Milliarden Garantien sicher nicht bleiben wird und Griechenland mehr finanzielle Unterstützung braucht, um seine Realwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen, mag zwar der Wahrheit recht nahe kommen. Doch gibt es dafür sicher einen besseren Zeitpunkt als die Woche, in der Griechenlands Premier mal eben die Eurozone und die Finanzmärkte in ein völlige Chaos gestürzt hat.

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