François Villeroy de Galhau "Die Inflation wird bald steigen"

Der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau verteidigt die Niedrigzinspolitik der EZB, erwartet eine steigende Inflation in Europa – und bricht eine Lanze für französische Banken.

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Francois Villeroy de Galhau im Mai 2016 Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche Online: Herr Gouverneur, Europa fürchtet eine weitere Bankenkrise, diesmal ausgehend von Italien. Französische Banken haben bei italienischen Geldinstituten mit weitem Abstand vor Deutschland 280 Milliarden Euro im Feuer. Wie groß ist die Ansteckungsgefahr?
Herr François Villeroy de Galhau: Das französische Bankensystem ist extrem solide. Deshalb bin ich nicht beunruhigt. 

Den französischen Banken droht keinerlei Gefahr?
Wir sollten lieber die heutige Situation der europäischen Banken betrachten: Seit der Finanzkrise 2008 und der Gründung der Bankenunion 2013 haben wir große Fortschritte gemacht, das Bankensystem auf solide Pfeiler zu stellen. Die französischen Banken haben ihre Solvabilitätskoeffizient 2015 mehr als verdoppelt, von etwas weniger als sechs Prozent 2007 auf mehr als zwölf Prozent 2015. Diese Entwicklung finden wir in nahezu allen EU-Ländern. Die Banken haben viel Arbeit geleistet. Auch in Italien leiden nicht alle Geldinstitute unter faulen Krediten, sondern lediglich ein paar. Ich wünsche mir, das dieses Problem schnell und in Kooperation mit der Europäischen Zentralbank gelöst wird. 

Zur Person

Italiens Premierminister fordert Staatshilfen für die betroffenen Banken – im Widerspruch zur so genannten Bail-in-Regel der Bankenunion, wonach zunächst die Gläubiger haften sollen. EZB-Chef Draghi scheint geneigt, seinen Landsleuten entgegenzukommen...
Mit solchen Gerüchten sollte man vorsichtig umgehen.

Nach der jüngsten Ratssitzung der EZB hat Draghi eine öffentliche Absicherung als „sehr hilfreich“ bezeichnet. War das nicht deutlich?
Möglicherweise gibt es öffentliche Hilfen – dies aber im Einklang mit den europäischen Regeln und den Marktmechanismen. Die italienischen Behörden arbeiten in diese Richtung. 

Gleichzeitig klagen Banken überall in Europa über die Niedrigzinspolitik der EZB. Bringt Ihre expansive Politik nicht das Geschäftsmodell der Geldinstitute generell in Gefahr?
Wenn Geschäftsbanken dieser Tage über die Politik der EZB sprechen, greifen sie gerne den Aspekt der Negativzinsen heraus. Aber die Geldpolitik, die wir aus guten Gründen verfolgen, hat ja weitere Elemente– und die kommen den Banken zu Gute. Zum Beispiel erhalten sie über das TLTRO II-Programm Kreditlinien zu extrem günstigen Konditionen. Binnen vier Jahren stellen wir ihnen zinslose Kredite zur Verfügung. Wenn die Banken ihre Darlehen für die Wirtschaft entsprechend ausweiten, erhalten sie sogar Prämien. Die Kreditvolumina sind dank der EZB-Geldpolitik wieder gestiegen. Das Risiko, das die europäischen Banken tragen müssen, ist hingegen stark gesunken. Das tut ihrer Rentabilität gut. 

Sie wollen sagen: Die Banken haben keinen Grund zur Klage?
Wenn man das Gesamtbild betrachtet, fällt die Bilanz für die europäischen Banken 2015 positiv aus. Natürlich leidet die Rentabilität, wenn die Negativzinsen anhalten. Das haben wir im Blick. Wir sollten aber das gesamte Bild betrachten und nicht nur eine kleine Ecke.

Wieso untersucht der neue Banken-Stresstest, der an diesem Freitag veröffentlicht wird, dann nur die Folgen einer Anhebung der Zinsen– und nicht die Konsequenzen der Nullzinspolitik?
Natürlich betrachtet das Basisszenario anhaltend niedrige Zinsen. Das „Stress-Szenario“ untersucht eine brutale Steigerung. Generell werden Stresstests peinlich genau durchgeführt, genauso wie in den USA und in Großbritannien. Ihre Ergebnisse sind absolut glaubwürdig.

"...im Interesse aller Bürger Europas."

Viele Deutsche fürchten, dass die Politik der EZB ihr Erspartes aufzehrt. Was entgegnen Sie?
Zunächst einmal: Die reale Rendite auf Sparguthaben der Deutschen ist seit 2015 wieder positiv. Vorher war sie negativ. Das muss man betonen und den Deutschen die Politik der EZB besser erklären. Unsere Antwort auf die weltweite Finanzkrise war dieselbe wie in den USA. Wir haben gut daran getan, weil wir Schlimmeres für die Wirtschaft, wie die Deflation in den Dreißigerjahren, verhindern mussten. Wir haben dabei nicht im Interesse einiger Länder oder Banken gehandelt, sondern im Interesse aller Bürger Europas. Es war zudem wichtig, im Anschluss die Rettungsmechanismen für die Banken zu verschärfen und die Anteilseigner heranzuziehen.

Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen

Das überzeugt längst nicht alle.
Die Geldpolitik der EZB ist keine Erfindung der vergangenen Jahre. Sie entspricht dem Mandat einer von der Politik unabhängigen Institution, das stark demjenigen der Deutschen Bundesbank ähnelt. Das Hauptanliegen der EZB ist die Preisstabilität. Die EZB muss sich sowohl gegen eine zu hohe Inflation wappnen als auch gegen die Risiken einer zu niedrigen Inflation – wie wir sie heute vorfinden. Das Inflationsziel wurde 2003 einvernehmlich bei nahe, aber unter zwei Prozent festgelegt. Das war lange vor der Krise und lange vor Mario Draghi. Und es war der damalige deutsche Chefökonom der EZB, Otmar Issing, der dieses Inflationsziel vorgeschlagen hatte. Es ist heute nicht zufällig Konsens aller großen Zentralbanken, der Federal Reserve, der Bank of England, der Bank of Japan. Auch wenn wir unkonventionelle Maßnahmen ergreifen, bleiben wir unserem Mandat treu.

Wo liegt die Grenze für negative Zinsen?
Eine der Grenzen liegt dort, wo sie an Privathaushalte oder die kleinen und mittelständischen Unternehmen weitergereicht würden. Bisher legt aber keine einzige europäische Bank die Negativzinsen auf Privatleute und Mittelständler um. 

Noch nicht.
Meiner Meinung nach wird das nie der Fall sein. Schauen Sie in die Schweiz oder in die skandinavischen Länder. Dort sind die Zinsen negativ, ohne dass die Endkunden dies zu spüren bekommen. Und wie gesagt: Negativzinsen sind nur ein Instrument in einem Orchester der Möglichkeiten. Wichtig ist, dass wir mehrere Instrumente spielen.

Das Ziel der EZB, die Inflation in der Euro-Zone zu erhöhen, wurde bisher verfehlt. Was ist der Grund dafür?
Die Inflation hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt vom Ölpreis. Unsere jüngste Prognose geht für 2016 von 0,2 Prozent für die Euro-Zone aus, von 1,3 Prozent für 2017 und von 1,6 Prozent für 2018. Wir bewegen uns also auf die zwei Prozent zu. 

Trotzdem kann man Ihre Politik des Quantitative Easing (QE) bisher kaum als Erfolg bezeichnen.
QE ist erfolgreich! Man muss nur Geduld haben. Unsere Geldpolitik ist nachhaltig, und ohne QE wäre die Inflation noch niedriger. Die Schätzungen der Zentralbanken – auch der Bundesbank – stimmen überein: Unsere Politik trägt jedes Jahr mindestens einen Viertelprozentpunkt zur Inflation bei. Je nach Model stimuliert sie das Wachstum um 0,4 bis 1 Prozent. Allerdings sind Wolfgang Schäuble, Mario Draghi und ich uns einig: Die Geldpolitik kann nicht „the only game in town“ sein. 

Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen

Werden Sie bei QE nochmal nachlegen?
Priorität hat, die im März beschlossenen Maßnahmen konsequent umzusetzen. Wir haben vergangene Woche unsere Entschlossenheit betont, monatlich 80 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen und das TLTRO II-Programm beizubehalten. 

Wenn die Inflation 2018 tatsächlich 1,6 Prozent erreicht, wird die EZB die expansive Geldpolitk beenden? Oder ist dann der Druck der Politik nicht so massiv, dass die EZB die Zinsen nicht erhöhen kann?
Sie fragen mich im Juli 2016 nach der Geldpolitik 2018? Ich versichere ihnen: Wir werden unserem Mandat treu bleiben. Wir haben gesagt, dass wir die Niedrigzinsen bis März 2017 beibehalten – und falls nötig darüber hinaus. Schauen Sie, was in den USA passiert ist: Dort hat die Fed lange vor uns unkonventionelle Maßnahmen ergriffen. Schritt für Schritt nimmt sie diese nun zurück. Die Fed zeigt, dass ein Ausstieg funktioniert. So weit sind wir aber noch nicht.

"Wir müssen alle schützen, nicht nur eine Kategorie."

Wie erklären Sie, dass die Franzosen sich nicht ähnlich über die EZB aufregen wie viele Deutsche?
Möglicherweise ist das Geschichtsbewusstsein ein anderes. Im Bewusstsein der Deutschen sind die Zeiten der Hyperinflation noch sehr präsent. In anderen Ländern hingegen, den USA, aber auch in einigen Ländern der EU, ist die Deflationserfahrung mit ihren schweren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft durch die Massenarbeitslosigkeit noch nah. Es ist legitim, über die Geldpolitik zu diskutieren. Was nicht geht, ist die Unabhängigkeit der EZB in Frage zu stellen. Für Deutschland und Europa gilt, dass eine Deflation die Wirtschaft und die Bürger bedroht. Es wäre schlimm, wenn wir sie davor nicht schützen würden. Im Übrigen ist Deutschland nicht nur ein Land der Sparer, sondern auch der Unternehmer, Immobilienkäufer und Konsumenten. Wir müssen alle schützen, nicht nur eine Kategorie. 

Diese Anleihen rentieren unter Null
Top 15: Daimler AGDie EZB startete den Ankauf von Firmenbonds in der vergangenen Woche und sammelte an einem einzigen Tag Titel im Volumen von 348 Millionen Euro ein. Daneben kaufen die Währungshüter Staatsanleihen im Volumen von inzwischen 80 Milliarden Euro monatlich. Dies drückt unter anderem die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe erstmals unter die Marke von null Prozent. Bei kürzeren Laufzeiten gehören Negativzinsen bereits zum Alltag. Daimler verzinst seine bis zum 27. Juni 2018 ausgegebene Anleihe mit 2,125 Prozent. Die Rendite beträgt bei einem Gesamtvolumen der Anleihe von 935.617.500 Dollar minus 0,1049266 Prozent. Quelle: dpa
Top 14: Cooperatieve Rabobank UADas Gesamtvolumen europäischer Unternehmensanleihen mit dem Gütesiegel Investment Grade, die grundsätzlich von der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgekauft werden können, liegt aktuell bei 2,8 Billionen Euro. Das entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung Frankreichs. Auf platz 14 kommt die Rabobank mit einer Anleihe von 4,75 Prozent Normalzins. Der Titel der Niederländer läuft bis zum 15. Juni 2018 und rentiert bei derzeit -0,0853134 Prozent. Das Volumen: 5.084.241.250 Dollar Quelle: REUTERS
Top 13: Commerzbank AGAuch die Anleihen des zweitgrößten Geldhauses der Bundesrepublik rentieren mit -0,1815399 Prozent negativ. Der Titel läuft bis zum 2. Juni 2019, hat einen Zinskupon von 4,375 Prozent und kommt damit auf ein Volumen von 2.101.800.000 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 12: Caixa SADie Ausweitung der EZB-Anleihekäufe auf Schuldscheine europäischer Großkonzerne drückt deren Renditen immer tiefer. Inzwischen müssten Anleger bei 16 Prozent der Papiere dafür zahlen, den Firmen Geld leihen zu dürfen, teilte Tradeweb mit. Anfang Mai habe die Quote noch bei fünf Prozent gelegen. Anleihen der spanischen Bank CatalunyaCaixa kommen trotz eines Zinskupons von 4,25 Prozent auf eine Effektivverzinsung von -0,036232066 Prozent. Der Schein wird am 26. Januar 2017 fällig und hat ein Volumen von 2.507.600.000 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 11: BNP Paribas SADer Französische Bankenriese verzinst seinen bis zum 27. Juni 2017 laufenden Bond mit 2,875 Prozent. Doch die Rendite ist auf -0,1012968 Prozent gefallen. Das Volumen: 1.559.362.500 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 10: BMW Finance NVDer Langläufer der Bayern ist mit einem Normalzins von 3,25 Prozent ausgestattet und verfällt am 14. Januar 2019. Aktuelle Rendite: -0,0732932 Prozent. Der Ertrag beläuft sich auf 1.584.700.000 Dollar. Quelle: AP
Top 9: Berlin Hyp AGDie Deutsche Pfandbriefbank legte einen Bond auf mit einem Normalzins von 4,5 Prozent. Das Papier läuft bis zum 3. Mai 2019 und rentiert bei minus 0,1940956 Prozent. Der Ertrag beläuft sich auf 1.359.410.000 Dollar. Quelle: PR

Nach Staatsanleihen kauft die EZB nun auch Unternehmensanleihen. Da sind überraschend viele bonitätsschwächere Schuldtitel dabei. Kann das nicht großes Risiko für den Steuerzahler werden?
Vorsicht, diese Rechnung bezieht sich auf die Zahl der zugelassenen Titel, nicht auf das Volumen. Über die Volumen mache ich keine Angaben. Wir haben uns die Regel auferlegt, nur Titel mit Investment Grade zu kaufen, also solche mit einer entsprechenden Sicherheit. Die Diversifizierung der Titel ist der beste Schutz.

Es sind auch Anleihen von Telecom Italia, K+S oder RWE dabei. Die haben nicht unbedingt das beste Rating.
Keine verstößt gegen die Regeln, die ich erwähnt habe. Auch hier behalten wir unser Ziel im Auge: Wir wollen die Realwirtschaft, die Unternehmen und ihre Investitionen vor der Volatilität der Finanzmärkte schützen. 

Anleihen sind charakteristisch für Großunternehmen. Der Mittelstand und Startups gehen leer aus. Letzteres ist gerade für Frankreich ein Problem, das viele Startups an die USA verliert.
Deshalb ist TLTRO II so wichtig. Kleine und mittlere Betriebe finanzieren sich über Banken. Das Problem der Startups liegt eher am Mangel an Eigenmitteln. Dafür ist die EZB nicht zuständig. Es gibt auf europäischer Ebene ein wichtiges Projekt zur Stimulierung von Investitionen in Risikokapital: das der Kapitalmarktunion. Ich habe zusammen mit Jens Weidmann vorgeschlagen, ein grenzüberschreitendes Equity Financing zu entwickeln. Dieser Vorschlag bleibt aktuell. Nach dem Brexit noch mehr. 

Sehen Sie kein Risiko, dass Unternehmen das billige Geld der EZB für Aktienrückkäufe oder hohe Boni verwenden?
Diese Debatte wird in den USA geführt. Ich halte das Risiko in Europa für geringer. Es kann nicht Aufgabe der EZB sein, die Strategie einzelner Unternehmen zu überprüfen. Das wäre eine zu interventionistische Politik. 

Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron fordert ein gemeinsames Budget für den Euro-Raum. Wie stehen Sie dazu?
Ich bin nicht an politische Funktionsträger gebunden und stelle die Dinge etwas anders dar. Vor 25 Jahren haben wir von einer Wirtschafts- und Währungsunion gesprochen. Die Währungsunion haben erreicht, und sie ist ein Erfolg. Man kann über die Geldpolitik streiten, aber niemand stellt in Abrede, dass der Euro von zwei Dritteln der EU-Bürger gut geheißen wird, dass die EZB eine international anerkannte Institution ist. Ich komme gerade vom G20-Treffen in Chengdu, und ich kann Ihnen sagen: Wenn die EZB spricht, hören alle zu. Wir haben die Bankenunion beschlossen, was gut ist. Wenn wir die Probleme der EU lösen wollen, müssen wir den Weg zu einer Wirtschaftsunion zu Ende gehen. Die Geldpolitik ist richtig, aber sie kann nicht alles lösen. Deshalb habe ich einen eigenen Finanzminister für die Euro-Zone vorgeschlagen. 

Was soll der ausrichten?
Priorität hat meinem Vorschlag zu Folge nicht ein gemeinsames Budget der Euro-Länder. Das kann zu einem späteren Zeitpunkt kommen. Der Finanzminister an der Spitze der Euro-Gruppe sollte mit den Ministern der Mitgliedsländer eine gemeinsame wirtschafts- und finanzpolitische Strategie ausarbeiten. Daran mangelt es uns heute, um mehr Wachstum und Arbeitsplätze in Europa zu schaffen. 

"Entscheidend ist die Kompetenz, nicht die Nationalität."

Können Sie ein Beispiel nennen?
Niemand bestreitet, dass eine gemeinsame Strategie, die Länder wie Frankreich zu mehr Reformen und Länder wie Deutschland zu mehr öffentlichen Investitionen anhalten würde, nachhaltiges Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand in Europa schaffen würde. Dennoch können wir uns nicht auf eine solche Strategie einigen. Jeder verfolgt seine nationale Strategie, ohne sich um das große Ganze zu kümmern. Der Finanzminister wäre eine Vertrauensinstanz, der eine solche Strategie mit den Finanzministern der Länder ausarbeiten und ihre Umsetzung überwachen würde. Stabilitätspakt inbegriffen.

Wie wahrscheinlich sind Austritte weiterer EU-Länder?
Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen Quelle: dpa
Chef der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit, Geert Wilders Quelle: AP
Anhänger der ungarischen, rechtsextremen Partei Jobbik verbrennen eine EU-Flagge Quelle: dpa
FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer mit dem ehemaligen Präsidenten Österreichs, Heinz Fischer Quelle: REUTERS
Finnland Quelle: dpa
PolenWährend die nationalkonservative Warschauer Regierung betont, sie werde keinesfalls dem Vorbild in Großbritannien folgen, haben verschiedene rechtspopulistische und nationalistische Gruppen einen „Pol-Exit“ verlangt. So ist der rechtsnationale Europaabgeordnete Janusz Korwin-Mikke von der Partei Korwin seit langem der Meinung, die EU müsse aufgelöst werden. Den Einzug ins Warschauer Parlament verfehlte er allerdings im vergangenen Jahr. Angesichts der hohen Zustimmung, die die EU-Zugehörigkeit in Polen seit Jahren genießt, dürfte ein Referendum ohnehin zum Scheitern verurteilt sein. Ein landesweites Referendum kann in Polen unter anderem dann durchgesetzt werden, wenn die Antragsteller 500.000 Unterschriften sammeln. Quelle: REUTERS
Italiens Regierungschef Matteo Renzi Quelle: dpa

Scheitert diese Idee nicht schon daran, dass man sich gar nicht erst auf einen Finanzminister einigen könnte? Zwischen den nationalen Positionen klaffen Welten.
Wir haben genügend Frauen und Männer, die in europäischen Positionen bewiesen haben, dass sie sehr gut im Sinne des Gemeinwohls handeln können. Entscheidend ist die Kompetenz, nicht die Nationalität.

Schauen Sie mal, was aus dem Stabilitätspakt geworden ist. Ist der in seiner heutigen Form noch zu halten?
Wir sollten der Versuchung widerstehen, ihn jedes Jahr ändern zu wollen. Aber Regeln allein reichen nicht. Regeln müssen im Rahmen einer gemeinsamen Strategie auch einen Sinn haben. Eine solche Übereinkunft könnten wir nach den Wahlen 2017 in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden schnüren. Eine andere Sache könnten wir noch dieses Jahr ohne Änderung der Verträge umsetzen: die Finanz- und Investitionsunion. Wir könnten den Juncker-Plan, die Kapitalmarktunion und einen Teil der Bankenunion nutzen, um Ersparnisse der Europäer in produktive Investitionen zu leiten. Anleger sollen ihre Ersparnisse nutzen, um Investitionen zu fördern, insbesondere Startups. Damit könnten wir einen wirklichen Kapitalmarkt in Europa schaffen. 

Wie könnte Frankreich an Überzeugungsarbeit in Deutschland leisten? Im Augenblick taugt es ja nicht gerade als Musterbeispiel.
Bei objektiver Betrachtung muss man sagen, dass Frankreich größere Reformanstrengungen machen müsste, aber gleichzeitig mehr Reformen angeht, als man glaubt. Der Dialog der Tarifpartner ist schwierig, es gibt Demonstrationen und Blockaden. Aber schauen Sie sich die Rentenreformen der vergangenen Jahre an, den Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit oder jüngst die Arbeitsmarktreform. Klar, es gab dagegen Widerstand, aber das Gesetz wurde verabschiedet. Nun ebnet es den Weg für Verhandlungen in den Betrieben. 

Welche Reformen müssten in Frankreich noch folgen?
Ich spreche oft von vier Aspekten: Unternehmen, Arbeit, Bildung und Staatsausgaben. Die Europäer können stolz auf ihre Sozialmodelle sein, aber Tatsache ist, dass das französische zu teuer ist. Wenn ich mir einen Aspekt herausgreifen müsste, würde mein Schwerpunkt auf der Berufsausbildung liegen. Es gibt in Frankreich zu wenige Auszubildende. Dank unserer Geburtenstärke haben wir in Frankreich jedes Jahr genauso viele Jugendliche wie Deutschland – aber nur ein Drittel so viele Auszubildende und entsprechend drei mal so viele jugendliche Arbeitslose. 

2017 wählt Frankreich ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten. Auch in Deutschland stehen Wahlen an. Was wünschen Sie sich für Europa?
Die Geldpolitik hat schon viel erreicht. Für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze in Europa braucht es meiner Meinung nach noch dieses Jahr eine Finanz- und Investitionsunion. Nach 2017 sollte eine gemeinsame Strategie unter der Führung eines Euro-Finanzministers folgen.

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