Frankfurter Volksbank Diese Bankchefin hält nichts von Minuszinsen für Normalsparer

Die Chefin der Frankfurter Volksbank verrät in einem exklusiven Interview mit der WirtschaftsWoche, was ihre Bank so besonders macht. Quelle: Frankfurter Volksbank

Sie erhebt keine pauschalen Minuszinsen, liebt Filialen und hat die Gebühren seit Jahren nicht erhöht: Im Interview erklärt Chefin Eva Wunsch-Weber, warum die Frankfurter Volksbank so viel anders macht. 

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WirtschaftsWoche: Frau Wunsch-Weber, Sie führen eine der ungewöhnlichsten Banken Deutschlands: Während Konkurrenten Zweigstellen schließen und Kunden immer mehr Geld abknöpfen, halten Sie an Ihren Filialen fest, verlangen keine pauschalen Minuszinsen und haben Ihre Gebühren seit mehr als zehn Jahren nicht erhöht. Warum ist die Frankfurter Volksbank gerne anders?
Eva Wunsch-Weber: Wir wollen nicht per se anders sein, sonst würden wir ja alle karierte Hosen tragen. Es geht darum, wie wir unsere Bank und deren Aufgaben interpretieren. Unser Wahlspruch zum 150. Jubiläum vor einigen Jahren zeigt, was ich meine. Er lautete: immer anders und doch gleich.

Tatsächlich haben Sie sich in einem Punkt auffallend lange nicht verändert: Während Wettbewerber munter an der Preisschraube drehen, haben Sie Ihre Gebühren zum letzten Mal vor mehr als zehn Jahren erhöht. Warum können Sie sich solche Wohltaten leisten?
Schon meine Vorgänger haben nicht eindimensional auf das klassische Bankgeschäft gesetzt, sondern unser Haus auf mehrere Säulen gestellt. Sie haben vor Jahren damit begonnen, Immobilien zu kaufen. Heute sind wir ein respektabler Spieler in dem Markt, besitzen sowohl Wohngebäude als auch Gewerbeimmobilien. Das sichert uns planbare Einnahmen. Zudem verfügen wir über eine eigene Vermögensverwaltung, die für unsere wohlhabenden Kunden rentierliche Anlagen bietet.

Andere Banken suchen erst seit Kurzem nach anderen Erlösquellen, weil die Niedrigzinsen sie dazu zwingen. Warum hat die Frankfurter Volksbank früher damit losgelegt?
Als Volksbank sind wir als Genossenschaft organisiert. Und das Genossenschaftsprinzip ist ein partnerschaftliches, ein langfristiges, ein solides. Deshalb verfügt unser Haus über einen anderen geistigen Antritt und über eine größere unternehmerische Freiheit als unsere Konkurrenten. Zugleich müssen wir anders als börsennotierte Konkurrenten nicht permanent eine neue Story entwickeln, um Aktionäre zu begeistern. Wir können unsere Pläne langfristig verwirklichen.

Viele Ihrer Wettbewerber verlangen ab 50.000 oder 100.000 Euro Kontoguthaben Minuszinsen. Die Kunden müssen also für das Geld auf ihrem Konto zahlen. Bei Ihnen gibt es eine solche Regel nicht. Warum?
Weil das keine Lösung ist. Wenn es gar nicht anders geht, verständigen wir uns bei sehr hohen Guthaben von Firmen und vermögenden Privatkunden auf ein Verwahrentgelt. Lässt ein Kunde 10 Millionen Euro auf seinem Konto liegen, müssen wir ihm Minuszinsen berechnen, weil wir selbst darunter leiden. Aber im Massengeschäft erheben wir bei unseren Bestandskunden eben keine Minuszinsen, wir haben da keine pauschale Regel. Wenn wir unseren Kunden einfach einen Brief mit neuen Konditionen schickten, würden wir ihnen unsere Botschaft vermitteln, aber keine Lösung für ihr Anlageproblem offerieren.

Wie gehen Sie stattdessen vor?
Wir sprechen unsere Kunden an und gemeinsam klären wir, warum viel Geld auf ihrem Konto liegt. Da gibt sehr viele, sehr individuelle Argumente: Der eine denkt zum Beispiel über den Kauf einer Immobilie nach und hält deshalb eine hohe Liquidität. Dann überlegen wir mit den Kunden, wie sie ihr Erspartes stattdessen anlegen können, womöglich auch nur kurzfristig. Dieses Gespräch verläuft anders und besser, wenn wir nicht zuvor per Brief Zwangsmaßnahmen angekündigt haben. Der Kunden fühlt sich dann fair behandelt und wird sich immer an dieses Gespräch erinnern.

Das klingt, als sei Ihre Volksbank ein wahr gewordener Verbraucherschützer-Traum. Übertreiben Sie nicht?
Nein, ich würde das Wertschätzung nennen. Sie fragten eingangs, warum wir anders sind: Unser Vorgehen bei Minuszinsen ist ein Beispiel dafür, dass wir immer nach Lösungen suchen. 

Ihre Volksbank ist bundesweit wegen einer besonderen Kooperation bekanntgeworden: Sie betreiben zusammen mit der Taunus Sparkasse Filialen, obwohl sich Sparkassen und Volksbanken sonst streng voneinander abschotten. Warum sind Sie auf Kuschelkurs gegangen?
(lacht) Wir können doch Wettbewerber sein und trotzdem ein vernünftiges Verhältnis miteinander haben. Zumal die Filial-Zusammenarbeit ein logischer Schritt ist: Alleine können wir unser bisheriges Angebot nicht aufrechterhalten, das wäre zu teuer. Inzwischen betreiben wir 26 Zweigstellen gemeinsam, das Konzept ist immer gleich: Wir haben die Filialen mit modernen und hellen Möbeln ausgestattet, damit sie die Kunden nicht abschrecken. Zwei Tage pro Woche dürfen die Sparkässler Kunden empfangen, dann leuchtet die Filiale rot. Und wenn wir mit unseren zwei Tagen dran sind, glänzt sie blau. Wir als Regionalbanken halten so an einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten fest: Unseren Filialen, die unser Gesicht im Markt sind.

Zusätzlich zu den mit der Taunus Sparkasse betriebenen Filialen unterhalten Sie eigene Zweigstellen, in die Sie sogar investieren – während Konkurrenten reihenweise Filialen schließen. Haben Sie keine Lust auf Onlinebanking?
Doch, natürlich. Wir sind keine Nostalgiker! Das sehen Sie schon daran, dass 95 Prozent der Prozesse in unseren Filialen papierlos ablaufen. Aber viele unserer Kunden wollen weiterhin eine Filiale aufsuchen können – auch die jüngeren. Sie kommen heute nicht mehr in die Zweigstellen, um Geld zu überweisen. Sie wollen aber mit jemanden reden, wenn es um Angelegenheiten mit Tragweite geht, wenn sie einen Förder- oder Hauskredit benötigen oder ins Ausland gehen und wissen wollen, mit welchen Karten sie dort bezahlen können.

Verdienen Sie auch Geld damit, wenn Sie reden?
Ja, die Kunden sprechen mit uns und treffen eine Entscheidung, die wir für sie umsetzen.

Wenn sich derart einfach Geld mit Filialen verdienen lässt: Warum investieren Ihre Konkurrenten nicht in die Zweigstellen, sondern schließen diese im großen Stil?
Diese Frage müssen Sie unseren Wettbewerbern stellen. Für uns ist und bleibt das Filialgeschäft ein Zukunftsgeschäft. 

Künftig will Ihre Bank ein Ökosystem werden. Das erinnert an das Vokabular von Facebook, Google und anderen Silicon-Valley-Größen, die solche Geschäftsmodelle seit Langem aufbauen möchten. Warum übernehmen Sie sich?
Das tun wir nicht. Wir übersetzen mit diesem Vorhaben die genossenschaftliche Idee in modernes Vokabular. Als Genossenschaft wollen wir wirtschaftlichen Mehrwert für unsere Kunden und Mitglieder bieten, diesen können wir als Ökosystem generieren.

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Was bedeutet das konkret, wenn Sie als Bank ein Ökosystem werden wollen?
Unsere Kunden fragen an, wie sie eine energetische Sanierung finanzieren können. Wir organisieren dann gleich den Energieberater mit, der ihnen hilft, den Umbau zu meistern. Oder: Wenn unsere Firmen-Kunden ihren Fuhrpark auf eine E-Auto-Flotte umstellen, organisieren wir nicht nur die Finanzierung, sondern auch die Fachleute, die beim Aufstellen und Warten der Ladesäulen unterstützen. Wir bieten also alles aus einer Hand an. Ich kann Ihnen sogar ein drittes Beispiel für unseren Wandel hin zu einer Plattform nennen: Mit der Beratung Roland Berger entwickeln wir ein Onlinetool, mit dem unsere Kunden herausfinden können, wie nachhaltig sie aufgestellt sind – und wie sie noch nachhaltiger werden können. Und wir wissen so, welchen Bedarf die Kunden haben. 

Offerieren Sie all das an, weil Sie Sorge haben, sonst den Anschluss an die Kunden zu verlieren?
Nein. Wir bieten das unseren Kunden an, weil die bei komplexen Zukunftsthemen gute Beratung brauchen. 

Mehr zum Thema: Im Podcast erzählt Scalable-Capital-Mitgründer Erik Podzuweit, was die Arbeit bei Goldman Sachs mit Rugby gemeinsam hat, warum er sich einst als Kissenverkäufer versuchte – und wie die Bank der Zukunft aussehen wird.

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