Freytags-Frage

Wann beginnt das Bankensterben?

Immer mehr europäische Banken stehen durch die Null-Zins-Politik der EZB ohne Geschäftsmodell da. Das Bankensterben in Europa ist nur noch eine Frage der Zeit. Mit welchen Verwerfungen wir rechnen müssen.

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Diesen Geldinstituten drohen die Kunden wegzulaufen
Bank Quelle: dpa
Platz 1: ING Diba Quelle: dpa
Platz 2: Sparkasse Quelle: dpa
Platz 3: Volks- und Raiffeisenbanken Quelle: imago images
Platz 4: Targobank Quelle: dpa
Platz 5: Comdirect Quelle: PR
Platz 6: Commerzbank Quelle: dpa

Auch nach knapp sieben Jahren Rettungsversuchen steckt die Europäische Währungsunion  in einer – wenn auch gerade nicht allzu deutlich sichtbaren – Krise. Die Wachstumsraten in der Eurozone sind weiterhin sehr niedrig, die Arbeitslosigkeit besonders unter Jugendlichen zum Teil extrem hoch und beharrlich. Einige Mitgliedsländer schaffen es zudem nicht, die hohen Schuldenstände zu reduzieren. Auf angebotspolitische Reformen warten die Menschen schon lange; selbst wenn man z.B. Italien einige Fortschritte attestieren muss, dauert es doch zu lange. In anderen EWU-Mitgliedern, allen voran Frankreich, scheint gar nichts zu passieren.

All dies ist der Fall trotz einer nie dagewesenen Anstrengung der Geldpolitik, die Wirtschaft zu stimulieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft Monat für Monat Staatsanleihen für 80 Mrd. Euro und hat den Leitzins (offenbar) dauerhaft bei null Prozent fixiert. Wie in dieser Kolumne regelmäßig argumentiert wurde, verhindert sie damit eher Reformen, als dass sie zur Lösung der Euro-Krise beiträgt.

Nach Auffassung von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz kann die Eurozone in ihrer heutigen Form nicht überleben. Obwohl Stiglitz mit derart steilen Thesen vor allem sein neuestes Buch verkaufen will, hat er einen Punkt. Die Geldpolitik kann kein Ersatz für rationale Wirtschaftspolitik sein. Wenn die Anpassungsfähigkeit der Märkte nicht gewährleistet ist, wäre eine Wechselkursanpassung für Italien, Griechenland und Frankreich eine hilfreiche und politisch nicht sehr kostspielige Option zur Steigerung der Beschäftigung und langfristig des Wachstums. In der Währungsunion gibt es diese Option nicht.

Zudem droht eine unmittelbare Gefahr im Finanzsektor, die bislang von der EZB systematisch kleingeredet wird: das zu erwartende Bankensterben. Die Banken verdienen einen wesentlichen Teil ihres Einkommens damit, die Einlagen der Privaten nur gering oder – wenigstens die Sichteinlagen – gar nicht zu verzinsen und diese Einlagen zu höheren Zinsen auszuleihen oder anzulegen. Dieses Geschäftsmodell ist nur noch bedingt tragfähig, da der Unterschied zwischen Einlagenzins und Kreditzins kaum mehr ins Gewicht fällt.

Noch haben die Banken genügend langfristige Titel mit hohen Kupons im Portfolio und laufende Kredite mit hohem Zins, die hohe Einnahmen generieren, aber deren Anteil am Gesamtportfolio nimmt täglich ab. In drei Jahren, so die Schätzungen, sind die meisten dieser Anlagen ausgelaufen und müssen durch niedrigverzinste Alternativen ersetzt werden. Insofern ist ein Gewinneinbruch zu erwarten.

Bereits jetzt klagen vor allem die etwas kleineren Banken des Sparkassensektors und des genossenschaftlich organisierten Systems der Volks- und Raiffeisenbanken. Ihr tradiertes Geschäftsmodell ist eben nicht das von Investmentbanken, sondern das oben beschriebene Modell, das auch als Hausbankensystem firmiert. Sie setzen traditionell auf persönliche Nähe und ein weitgefächertes Filialnetz. Dieses System stellt sehr langsam auf digitales oder mobiles Banking um und ist deshalb recht teuer. Eventuell sind einige der noch selbständigen Volksbanken oder Sparkassen zu klein, um allein überlebensfähig zu sein; manche Banken und Sparkassen mögen auch noch zu hohe Kosten für Verwaltung und Personal haben. Ein Konsolidierungsprozess ist aber bereits seit Dekaden im Gange und wird auch weiterhin stattfinden.

Deutsche Banken trifft es besonders hart

Deshalb ist die Kritik des EZB-Vorstandsmitglieds Yves Mersch, Probleme des Bankensektors seien ausschließlich hausgemacht und hätten nichts mit der Niedrigzinspolitik zu tun, unangemessen. Selbst wenn die Effizienzspielräume ausgenutzt werden, wird die Niedrigzinspolitik dafür sorgen, dass prinzipiell erfolgreiche Geschäftsmodelle kleiner Banken unter Druck geraten. Dies trifft dann eben die deutschen Banken besonders stark, weil die Genossenschaftsbanken und Sparkassen in der Fläche sehr erfolgreich waren und nun unter Druck geraten.

Hier steht die Sparwelt Kopf
Sparschwein Quelle: dpa
RaiffeisenbankIn die Schlagzeilen schaffte es zuletzt die bayerische Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee. Diese verlangt von reichen Sparern, die mehr als 100.000 Euro auf Giro- oder Tagesgeldkonten lagern, künftig 0,4 Prozent Strafzinsen. Bankchef Josef Paul sagte am 11. August, er hüte 40 Millionen Euro, die von einem Tag auf den anderen abgehoben werden könnten und die er nicht verwerten könne. „Die liegen bei mir auf dem Zentralbankkonto und verursachen 0,4 Prozent Kosten“, sagte der Bankchef. „Ich kann nicht für jede Million 4000 Euro hinlegen.“ Er ist nicht der Einzige, der so denkt... Quelle: dpa
Deutsche Skatbank Quelle: dpa
Sparkasse Oberhausen Quelle: dpa
Alternative Bank Schweiz Quelle: Handelsblatt
Lombard Odier Quelle: dpa
Euro-Abwertung in der Schweiz Quelle: Getty Images

Für belgische oder italienische Zentralbanker mag es dabei unerheblich sein, dass ein bestimmtes Geschäftsmodell obsolet wird. Es war dann eben nicht mehr zeitgemäß, oder? Leider ist es nicht so einfach.

Denn selbst wenn es nur kleine Banken sind, die unter Druck geraten oder gar aus dem Markt ausscheiden müssten – es wären unter Umständen sehr viele der deutschen kleineren Banken zeitgleich. Kann es sich die Eurozone leisten, viele eigentlich erfolgreiche Banken mit einer Politik, die ihre Ziele zweifelsfrei verfehlt, aus dem Markt zu scheuchen? Dann müsste wiederum die Systemfrage gestellt werden, nämlich danach, ob das Finanzsystem es aushält.

Außerdem ist zu bedenken, dass gerade die kleinen Banken und Sparkassen in der Fläche für die Kreditgewährung des Mittelstandes sehr wichtig sind. Die Frage stellt sich, ob die Kreditvergabe in Apolda, Husum oder am Niederrhein genauso reibungslos verlaufen wird, wie es bisher der Fall ist, falls die lokale Sparkasse oder Volksbank schließt. Sind diese regionalen Teilmärkte für die privaten Großbanken genau so attraktiv? Haben sie dafür die Expertise? Das darf bezweifelt werden.

Vor diesem Hintergrund sollte die EZB nicht so tun, als ob das Ausscheiden einiger kleiner Banken deren eigenes Problem, aber kein gesamtwirtschaftliches wäre. Sollte es doch eines werden, würde Professor Stiglitz‘ Prognose schneller Realität werden, als es ihm und uns allen Recht wäre.

Rund um den Globus bilden sich Immobilienblasen, selbst unsichere Staatsanleihen bringen kaum Zinsen. Was zu passieren droht, wenn die Zentralbanken die Zinsen anheben, zeigen wir in dieser Story.
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