Gefährliche Folgen Postbank könnte Streik nicht lange aushalten

Im Streit zwischen dem Postbank-Management und der Gewerkschaft Verdi sind die Fronten verhärtet. Warnstreiks könnten bereits Anfang Dezember anstehen. Die Bank analysiert jetzt schon die Folgen.

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Eine Filiale der Postbank in Frankfurt. Quelle: dapd

Frankfurt Die Postbank kann eine drohende Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften nur relativ kurze Zeit durchhalten. „Bei bundesweiten Streiks entsteht (eine) kritische bis existenzgefährdende Situation bereits nach 36 Stunden“, heißt es in einer internen Analyse, die dem Handelsblatt vorliegt. Es entstünden „wesentliche Risiken in zentralen Geschäftsbereichen“. Besonders anfällig gegen Störungen ist dabei offenbar der Zahlungsverkehr, bei dem die Postbank auch als Dienstleister für Dritte auftritt.

Pro Tag fielen hier durchschnittlich rund 30 Millionen Transaktionen an. Bei Arbeitsniederlegungen im Zahlungsverkehr mit seinen rund 2 400 Mitarbeitern sei somit nicht nur die Handlungsfähigkeit des eigenen Instituts betroffen, sondern auch die der Postbank-Kunden Deutsche Bank, Unicredit Deutschland und HSH Nordbank. Dies entspreche rund 17 Prozent des deutschen Marktes. Bereits nach ein bis zwei Tagen bestehe hier die Gefahr, dass der Betrieb auch mit Einschränkungen nicht mehr verfügbar sei, heißt es in der Analyse. Die zuständige Betriebs-Center für Banken AG (BCB) hafte grundsätzlich für Schäden – auch durch Streik, heißt es in der Analyse weiter.

Erstmals räumt die Tochter der Deutschen Bank auch ein, dass sich die Umstrukturierung der Postbank für viele Mitarbeiter negativ auswirkt. In einer Analyse der „Betroffenheitsursachen“ werden die angestrebte Wochenarbeitszeit von 42 Stunden, die geplanten 27 Tage Urlaub sowie weniger Gehalt zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen gezählt.

Außerdem sei die Informationstechnologie (IT) als Synergiefeld benannt, die Mitarbeiter seien „entsprechend verunsichert“. Seit Monaten liegen der Vorstand der Postbank und die Gewerkschaft Verdi im Clinch über die zukünftige Struktur des Kreditinstituts.


Warnstreiks möglicherweise bereits Anfang Dezember


Kern des Streits sind neue Verträge für die Beschäftigten in ausgegliederten Bereichen wie etwa der Kreditbearbeitung der Postbank-Tochter BHW. Die Gewerkschaft will die Arbeitsbedingungen mit einem sogenannten Überleitungstarifvertrag sichern, das Management der Postbank drängt dagegen auf neue Arbeitsverträge, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Kosten zu senken.

In Gewerkschaftskreisen hieß es am Wochenende, bereits Anfang Dezember könne es zu Warnstreiks kommen. Eine Verdi-Sprecherin wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Auch ein Pressesprecher der Postbank wollte am Sonntag keine Stellungnahme zu den Informationen des Handelsblatts abgeben. Am vergangenen Freitag hatte die Postbank mitgeteilt, dass der Betriebsrat an diesem Montag für die Filialmitarbeiter Betriebsversammlungen durchführe. Deshalb blieben heute „die meisten Postbank-Finanzcenter in der Region, in denen Post- und Postbank-Dienstleistungen erhältlich sind, geschlossen“.

Die Deutsche Bank hat sich Ende vergangenen Jahres eine Mehrheit an der Postbank gesichert und will ihren Anteil von derzeit 52 Prozent im nächsten Jahr auf über 90 Prozent aufstocken. Mit der Übernahme des Instituts mit seinen 14 Millionen Kunden verringert Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann die Abhängigkeit vom Investment-Banking. Mittelfristig soll die Bank damit bei den Erträgen eine neue Balance finden. Die Übernahme gilt als geschickter Schachzug, weil das Retail-Banking mit seinen Kundeneinlagen zukünftig wichtiger wird für die Branche.

Für die kommenden Jahre hat das größte deutsche Geldhaus der neuen Tochter ehrgeizige Ziele zur Nutzung von Synergien und zu Kostensenkungen vorgegeben. Durch hohe Abschreibungen auf Griechenland-Anleihen rutschte die Postbank im dritten Quartal zwar in die roten Zahlen, steigerte aber im operativen Kundengeschäft das Ergebnis.


Postbank-Management bereitet Abwehrmaßnahmen vor

Eine langwierige Tarifauseinandersetzung könnte diese Pläne jetzt ins Wanken bringen. In der internen Analyse der Postbank heißt es, die „Streik-Mobilisierung“ sei ernst zu nehmen. An einer „aktiven Mittagspause“ am 3. November hätten 4500 Mitarbeiter teilgenommen. Konkrete Angriffspunkte seien neben dem Zahlungsverkehr auch das Kapitalmarktgeschäft sowie die IT der Bank. Die Privatkunden am Schalter würden die Auswirkungen des Streiks nach Einschätzung der Postbank erst nach mehreren Tagen spüren.

Ein Grund ist offenbar der hohe Beamtenanteil in diesem Bereich, bei dem die Unternehmensführung davon ausgeht, dass die Beamten nicht streiken dürfen. Allerdings rechnet die Postbank mit einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne der Gewerkschaften vor den Filialen, wobei in Rüsselsheim Verdi-Chef Frank Bsirske erwartet wird.

Zu den denkbaren Gegenmaßnahmen im Streikfall wird von der Postbank unter anderem die Ausweitung der Geschäftszeiten, die Verlagerung einsatzbereiter Mitarbeiter auf „Notfallarbeitsplätze“, der „Rückgriff auf ehemalige Mitarbeiter und Pensionäre“ sowie die „Unterstützung aus anderen Konzerngesellschaften, zum Beispiel durch Deutsche Bank-Mitarbeiter“, erwogen. Letzteres müsse aber rechtlich geklärt werden und sei bei Bedarf durch einen „Krisenstab zu genehmigen“.

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