Genossenschaftsbanken Brüsseler Bürokraten gefährden Volksbanken

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Ständige Überwachung der Mitgliedsbanken

So bedrohlich sind die größten Banken der Welt
Klasse 1 – UBS, Santander, Royal Bank of Scotland Quelle: AP
Klasse 1 – Morgan Stanley Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Standard Chartered Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Unicredit Quelle: dpa
Klasse 2 – Barclays Quelle: dpa
Klasse 2 – Wells Fargo Quelle: REUTERS
Klasse 2 – Industrial and Commercial Bank of China Quelle: REUTERS

Die deutsche Erfindung kundeneigener Kreditinstitute stammt aus dem 19. Jahrhundert und hat zwei Weltkriege, Inflation sowie Währungsreformen überlebt. Sie kam auch ohne Staatsgeld durch die Finanzkrise. Die genossenschaftliche Tradition der gegenseitigen Selbsthilfe von Unternehmern, Landwirten und Verbrauchern lebt in der Tatsache weiter, dass mehr als die Hälfte der gut 30 Millionen Kunden auch Anteile an ihrer Bank zeichnen – in der Regel 50 bis maximal 500 Euro – und diese so mit Haftkapital ausstatten.

Umso erbitterter kämpfen die Genossenschaftsbanken gegen die Brüsseler Pläne für eine europaweite Sicherung der Kundeneinlagen. Bisher schützen sie das Geld ihrer Kunden in voller Höhe, indem kriselnde Häuser notfalls von gesunden Nachbarbanken übernommen werden. Das kommt selten vor. Ein Fall betraf die Berliner Volksbank, die Ende der Neunzigerjahre zwei Schwesterinstitute unter ihre Fittiche nehmen musste, die sich mit Immobilieninvestments verhoben hatten.

Bedrohung der Volks- und Raiffeisenbanken durch die Pläne aus Brüssel

Kern der Institutssicherung ist die Prävention durch ständige Überwachung der Mitgliedsbanken. So prüfen die Regionalverbände regelmäßig die Geschäfte der Bankvorstände vor Ort. Dieses autarke Konzept würde mit einer gemeinschaftlichen EU-Einlagensicherung kollidieren, weil dabei die Europäische Zentralbank als Oberaufseher mitentscheidet, welche Banken Entschädigungen für ihre Kunden bekommen. Zudem droht wegen der Probleme vor allem südeuropäischer Banken eine Transferunion zulasten der zahlreichen Volksbank-Sparer. Denn auch die genossenschaftliche Institutssicherung speichert Reserven für den Fall, dass Mitgliedsbanken gestützt werden müssen.

Prompt rutschte ihrem Kollegen Stephan Götzl, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, als Reaktion auf die jüngsten EU-Vorschläge zur Bankenunion der drastische Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis heraus.

Diplomatischer bringt es Reinhard Schmidt auf den Punkt, Finanzprofessor an der Frankfurter Goethe-Universität: „Bei den europäischen Regulierern ist das Verständnis für alternative Bankformen wie die Genossenschaften nicht besonders stark ausgeprägt.“ Brüssel wolle zwar die Diversität im Bankensektor erhalten, doch die aktuellen Vorschläge zur Bankenunion zeigten in eine andere Richtung.

„In 170 Jahren hat der deutsche Staat nie eine Genossenschaftsbank gestützt“, sagt Gerhard Hofmann, beim Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) zuständig für Regulierungsfragen. Die Institute seien einzeln zu klein, um auf Staatshilfen hoffen zu können. Sie stützen sich notfalls gegenseitig, indem schwächere Institute mit stärkeren Nachbarn fusionieren. Das passierte 2012 20-mal. Dabei waren aber nicht akut drohende Pleiten der Grund, sondern Kundenschwund in bevölkerungsarmen Gegenden oder steigender Bürokratieaufwand, den kleine Häuser nicht mehr allein schultern konnten. „Die Zahl der Fusionen unserer Mitgliedsinstitute steigt“, sagt BVR-Vorstand Hofmann. Eine Prognose gibt der Verband nicht ab. In den zurückliegenden zehn Jahren schrumpfte die Zahl der eigenständigen Volksbanken bereits um 26 Prozent.

Kein Wunder, dass BVR-Präsident Uwe Fröhlich gegen die EU-Pläne für eine europäische Einlagensicherung zu Felde zieht. Er hat erreicht, dass sie nicht mehr so offensiv propagiert werden wie 2012. Damals machten die Genossen Hand in Hand mit den ebenfalls betroffenen Sparkassen mit Zeitungsanzeigen mobil und brachten die Bundesregierung auf ihre Linie.

Für den Fall, dass der Widerstand gegen Brüssel nachlasse, liege die nächste Kampagne fertig in der Schublade der Genossen, heißt es im politischen Berlin. „Bei einer rot-grünen Regierung wissen wir nicht genau, ob sie eine ebenso entschlossene Haltung einnähme oder eher bereit wäre, die Einlagensicherungen in Europa zusammenzulegen“, sagt BVR-Regulierungsexperte Hofmann. „Wir werden unser über viele Jahrzehnte erfolgreiches System verteidigen und den Bürgern verdeutlichen, was eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung in Europa bedeuten würde.“

Die ist noch nicht in Stein gemeißelt, allerdings bildet die gemeinsame Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung für Geldhäuser den logischen Dreiklang der EU-Bankenunion. Fest stehen aber schon weitere Regulierungsverschärfungen aus Brüssel. Wie die sich an der Filialfront auswirken, zeigt das Beispiel Eppertshausen.

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