Gesprengte Geldautomaten So rettet die Bundesbank beschädigtes Bargeld

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Mehr als eine Million Euro untersucht

Aber Herzog ist Profi, und seitdem reihenweise Automaten explodieren, ist seine Expertise gefragter denn je. Im vergangenen Jahr hat er rund eine Million Euro aus Trümmerteilen untersucht, mehr als 60.000 Geldscheine müssen es gewesen sein. Manchmal schwelgt der 49-Jährige bei der mühsamen Kleinstarbeit in Nostalgie: Ach, die D-Mark-Noten, er mochte sie lieber als die Euro, „denn da hatten die Geldscheine Gesichter, die einen angeschaut haben“. Herzogs Arbeitgeber, die Bundesbank, ist verpflichtet, beschädigtes Bargeld zu begutachten und den gefundenen Wert zu ersetzen. Insgesamt arbeiten 15 Sachbearbeiter im Nationalen Analysezentrum für beschädigtes Bargeld.

Diese Geld-Puzzle musste die Bundesbank lösen
Zerschnittenes Geld. Quelle: Bundesbank
Verbrannter Stiefel mit Geld Quelle: Bundesbank
Verschmortes Geld Quelle: Bundesbank
Geld Quelle: Bundesbank
Von Mäusen zerfressenes Geld Quelle: Bundesbank
Verbranntes Sparschwein mit Geld Quelle: Bundesbank
Geschreddertes Geld Quelle: Bundesbank

Meist sind die Absender Privatpersonen, denen ein Missgeschick passiert ist. Michael Erbert, Gruppenleiter der Abteilung, zeigt auf einen Schreibtisch, an dem eine Mitarbeiterin verschmorte Geldfetzen untersucht. „Das sieht nach Mikrowelle aus“, sagt er. Und bei der Kollegin? „Hier ist ein Geldschein an eine Kerze geflogen. Weihnachten ist für uns Saisongeschäft.“ Auf dem Nachbartisch liegen zerschredderte Scheine, die Arbeit ist wie ein Puzzle.

"Die Mitarbeiter brauchen detektivisches Gespür"

Die Gutachter untersuchen mit ihren Pinzetten jedes einzelne Stück und kleben es auf eine Vorlage. Nur wenn sie mehr als die Hälfte einer Note rekonstruieren können oder nachweisen, dass die fehlenden Teile vernichtet wurden – etwa in einer verschmorten Geldkassette –, wird der Schein ersetzt.

„Das Spannende ist: Hinter jedem Fall steckt eine Geschichte“, sagt Frank Herzog. Die alltäglichen Geschichten der Abteilung können auch tragisch sein: Anfang des Jahres hat ein Familienvater seine gesamten Ersparnisse abgehoben und vor den Augen des Sohnes in den Kamin geworfen. Danach erschoss er sich. Die Gutachter kennen die Hintergründe genau, weil jeder Einsender eine Erklärung schreiben muss.

Für ihre Arbeit haben die Bundesbank-Beamten keine spezielle Ausbildung. „Sie brauchen feinmechanisches Geschick, ein bildhaftes Gedächtnis und detektivisches Gespür“, sagt Rainer Elm, der das Analysezentrum leitet. Frank Herzog ist gelernter Schreiner, und tatsächlich erinnert sein Werkzeugkasten an den eines Handwerkers: Cuttermesser, Handsäge, Zange und Blechschneider sind immer griffbereit.

Bis er mit dem aktuellen Fall fertig ist, werden Wochen vergehen. Die Chancen stehen gut, dass der Patient überlebt und die Bank ihre volle Summe erstattet bekommt. Im Tresorraum warten schon die Überreste von zwei weiteren Banküberfällen auf die Untersuchung des Geldchirurgen. Herzog nimmt das gelassen: „Manchmal sitze ich nach Feierabend im Auto und höre im Radio, dass wieder ein Geldautomat gesprengt wurde. Dann weiß ich: Da kommt wieder Arbeit auf meinen Schreibtisch.“

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