Greensill Bank „Müllhalde und Privatbank“

Quelle: REUTERS

Wer hat's verschlafen? Die Schieflage der Greensill Bank löst eine Debatte darüber aus, wer nicht gut genug hingeschaut hat. Im Interview erklärt ein Analyst, warum er schon früh an der Bank zweifelte.

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Die Finanzaufsicht BaFin hat erst am Mittwoch ein Moratorium über die Bremer Greensill Bank verhängt und sie geschlossen – und schon tobt eine Debatte darüber, wer die Mitschuld an der Schieflage trägt. Die Diskussion verwundert keineswegs: Nach der Wirecard-Pleite ist die Bremer Bank bereits der zweite Finanzskandal binnen eines Jahres in Deutschland. Während aus BaFin-Kreisen verlautet, die deutsche Aufsicht habe diesmal alles richtig gemacht, bemängelt der Bundesverband deutscher Banken, die Aufpasser hätten auf Hinweise zu spät reagiert. Im Interview erklärt der Analyst Michael Dawson-Kropf, wieso er früh an der Bank zweifelte.

WirtschaftsWoche: Sie sind Analyst des Schweizer Analysehauses Independent Credit View und hatten die Greensill Bank bereits 2019 für einen Ihrer Kunden analysiert, der überlegt hatte, dort zu investieren. Wieso haben Sie ihm davon abgeraten?
Michael Dawson-Kropf: Mir ist aufgefallen, dass die Bremer Bank im Kern nur einen Kunden hatte: die Greensill-Gruppe, allen voran deren britische Tochter. Es war einfach, das herauszufinden: Das steht im Jahresabschluss 2018.

Der Bericht ist seit September 2019 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Dort steht: „Das Kerngeschäft der Greensill Bank AG umfasst ausschließlich die umfassende Refinanzierungsfunktion der Greensill-Gruppe“.
Genau. Das ist ein sehr einseitiges Modell, wenn die Bank im Wesentlichen Forderungen oder in Finanzpapieren gebündelte Forderungen aus der Greensill-Gruppe aufkauft, die gegenüber anderen Unternehmen bestehen. Die Frage ist, was aus der Bank geworden wäre, wenn dieser Zustrom an Forderungen abgerissen wäre, ob sie dann überhaupt noch Geschäft gehabt hätte. Die Bank ist deshalb in meinen Augen nicht mehr als eine Buchungsstation in der Greensill-Gruppe.

Sie haben noch ein zweites Problem mit den Forderungen gehabt. Welches war das?
Mich hat interessiert, gegenüber welchen Unternehmen diese Forderungen bestanden und inwiefern sich die Forderungen auf bestimmte Firmen konzentrieren.

Und?
Wir haben das nicht herausgefunden, das lässt sich aus dem Jahresbericht nicht herauslesen. Es erhöht selbstverständlich das Risiko, wenn sich eine Bank derart auf einen Bereich fokussiert und nicht klar ist, mit wem sie dieses Geschäft macht. Wenn ich keine Anhaltspunkte dafür habe, wie hoch die Qualität der Forderungen ist, wenn die Bank eine Black-Box ist, warum hätte ich ihr einen Vertrauensvorschuss geben sollen?

Hätten Sie nicht bei Greensill nachfragen können, gegenüber welchen Unternehmen die Forderungen bestanden?
Wir hatten zuvor bei einer britischen Greensill-Gesellschaft nach der Geschäftsentwicklung im Jahr 2018 gefragt. Diese Information wollte uns das Unternehmen nicht geben. Deshalb haben wir gar nicht mehr nach den Forderungen gefragt. Als uns das Unternehmen keine Auskunft geben wollte, war mir klar gewesen, dass unser Kunde nicht in die Bank investieren sollte. Sie müssen sich vorstellen: Die wollen doch das Geld unseres Klienten und dann erhalten wir keine Informationen.

Michael Dawson-Kropf Quelle: PR

Sie haben sogar noch ein drittes Problem mit den Forderungen gehabt. Was hat Sie noch gestört?
Die Forderungen hatten sich 2017 nur auf ein Volumen von 234 Millionen Euro belaufen, 2018 waren es bereits knapp 500 Millionen. Das war ein sehr starker Anstieg. Wenn die Forderungen und damit die Bilanz schnell wachsen und sich diese Entwicklung derart rasant fortsetzt, braucht eine Bank rasch neues Kapital. Mir war nicht klar, ob die Greensill-Gruppe dieses Kapital hätte aufbringen können. Hinzu kam, dass die Gruppe gewisse Forderungen garantiert hat, die in den Büchern der Bank gestanden haben. Die Gruppe hat die Bank auch in anderen Bereichen subventioniert. Ich habe mir die Frage gestellt, was aus dem Institut wird, sollte es diese Unterstützung einmal nicht mehr geben.

Sie sind zudem darüber gestolpert, dass die Bank 2018 zwei gebrauchte Flugzeuge gekauft und einer Greensill-Gesellschaft auf der Isle of Man überlassen hat. Was hat Sie daran gestört?
In dem internationalen Firmengeflecht der Greensill-Gruppe muss ausgerechnet die deutsche Bank diese Flugzeuge finanzieren? Das Institut wirkte auf mich wie eine Mischung aus Müllhalde und einer Privatbank im engsten Sinne. Die Begriffe passen deshalb, weil die Bank zur Finanzierung von Luxus genutzt wurde – während wir nicht nachvollziehen konnten, wann eine Forderung aus dem Greensill-Imperium bei der Bank landete.



Die Finanzaufsicht BaFin hat das Institut erst ab Mitte 2020 untersucht. Haben die deutschen Aufseher mal wieder geschlafen?
Ob die BaFin etwas hätte unternehmen können, kann ich nicht beurteilen. Da geht es um Verwaltungsakte eine Behörde, damit kenne ich mich nicht aus. Ein Analyst wie ich hat eine andere Perspektive als die BaFin. Wenn wir das Geschäftsmodel einer Bank nicht überzeugend finden, raten wir unseren Kunden häufig, von einer Investition Abstand zu nehmen.

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Sie haben schon sehr viele Geldhäuser analysiert, was wundert Sie im Fall der Greensill Bank?
Wir müssen hinterfragen, warum es erlaubt ist, dass eine Bank wie Greensill extrem schnell sehr viele Einlagen von Großanlegern und Kleinsparern einsammelt und damit nichts Anderes macht, als Forderungen aufzukaufen, die sie aus der eigenen Firmengruppe zugeschoben bekommt.

Mehr zum Thema: Der frühere britische Premier David Cameron verschwand 2016 nach dem Brexit-Referendum aus der Downing Street und von der medialen Bildfläche. Im Stillen war er hingegen recht umtriebig – etwa als Greensill-„Berater“. Lesen Sie hier mehr über David Camerons fragwürdige Rolle bei Greensill.

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