
Der internationale Referenz-Zinssatz Libor wird trotz des Manipulationsskandals vorerst nicht abgeschafft. Die zuständige britische Finanzaufsicht FSA stellte am Freitag ihre mit Spannung erwarteten Reformvorschläge vor. "Das System ist beschädigt und muss komplett überarbeitet werden", sagte FSA-Chef Martin Wheatley. Allerdings sei der Libor so stark als zentraler Zinssatz im Finanzsystem verankert, dass eine Abschaffung derzeit nicht möglich sei. Es gebe aktuell auch keine besseren Alternativen.
Was den Libor so wichtig macht
Grundsätzlich gilt der Libor für alle Kreditnehmer aus den folgenden Währungsräumen:
- Australischer Dollar
- Kanadischer Dollar
- Neuseeland-Dollar
- US-Dollar
- Schweizer Franken
- Dänische Krone
- Schwedische Krone
- Euro
- Pfund Sterling
- Yen
Der Libor ist ein Angebotszins, also der Satz, zu dem Banken Geld verleihen können. Grundsätzlich gilt der Libor nur für Kredite mit einer Laufzeit von einem Tag bis zu zwölf Monaten. Das heißt, er betrifft Optionen, Derivate und Termingeschäfte, aber auch den Kredit fürs neue Auto oder die Eigentumswohnung.
Grundsätzlich legt die British Banker's Association (BBA) den Libor (London Interbank Offered Rate) jeden Tag aufs Neue fest. Die BBA saugt sich den Satz allerdings nicht einfach so aus den Fingern, sondern ermittelt einen Durchschnittssatz aus den Angaben verschiedener Banken. 19 Institute melden der BBA täglich, zu welchem Zinssatz sie sich untereinander Geld leihen.
Grundsätzlich gibt es derzeit einen Verdacht gegen alle 19 Banken, die ihre Zinssätze der BBA mitteilen. Barclays hat die Manipulationen bereits zugegeben, ermittelt wird des Weiteren gegen die Royal Bank of Scotland, die Deutsche Bank, die HSBC, die UBS, Citigroup und Lloyds.
Langfristig sollte man darüber jedoch nachdenken, betonte der Chef-Aufseher, der von der Regierung beauftragt worden ist, die Reformvorschläge zu erarbeiten. Der für Finanzdienstleistungen zuständige Minister Greg Clark, nannte die Vorschläge ausgewogen und realistisch. Die Änderungen sollten nun rasch umgesetzt werden.
Weltweit stehen mehr als ein Dutzend Großbanken unter Versacht, den Libor in den vergangenen Jahren manipuliert zu haben, darunter auch die Deutsche Bank. Der Zins wird einmal täglich in London ermittelt und beruht auf den Angaben der Institute zu ihren Refinanzierungskosten.
Bislang hat lediglich das britische Geldhaus Barclays ein Fehlverhalten von Händlern eingeräumt. Das Top-Management musste daraufhin gehen, zudem wurde der Bank eine Strafe von fast einer halben Milliarde Dollar aufgebrummt. Mit den falschen Angaben haben Händler Gewinne eingestrichen und die wahren Refinanzierungskosten verschleiert.
Die Aufseher müssen nun an den Märkten das Vertrauen in den Zinssatz wiederherstellen, der als Richtschnur für Finanztransaktionen im Volumen von mehr als 300 Billionen Dollar gilt, darunter Hypotheken, Kreditgeschäfte und komplexe Derivate-Transaktionen. Eine Abschaffung des Zinses würde zu erheblichen rechtlichen Problemen führen, da viele Verträge darauf basieren, sagt Darrell Duffie, ein Finanzprofessor an der Stanford University.