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Großbritannien Ohne moralischen Kompass

HSBC-Chef Gulliver und zwei ehemalige britische Außenminister sind Beispiele für ein legales aber zynisches Verhalten, das die Glaubwürdigkeit der Banken und der britischen Institutionen untergräbt .

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"EZB hat völliges Neuland betreten"
"Eher symbolische Maßnahmen""Für sich betrachtet sind die Zinssenkungen und der negative Einlagezins eher symbolische Maßnahmen: Sie werden weder die Kreditvergabe in den Krisenländern maßgeblich verbessern noch das Deflationsrisiko deutlich mindern", kommentierte DIW-Chef Marcel Fratzscher die EZB-Entscheidung. "Ich interpretiere sie aber als Startsignal und Anfang einer neuen EZB-Strategie einer stärkeren geldpolitischen Expansion. Als erste Schritte in einer Reihe von weiteren Maßnahmen in den kommenden Monaten sind sie bedeutungsvoll. Die EZB-Maßnahmen bergen große Risiken: Sie könnten die Blasenbildung und das riskante Verhalten von Banken noch verstärken. Allerdings wäre es noch riskanter und eine deutlich schlechtere Option, wenn die EZB nichts täte." Quelle: dpa
"Genau das falsche Rezept""Der Schritt der EZB markiert eine neue Eskalationsstufe. Damit wird das Niedrigzinsniveau weiter verfestigt, zulasten der Vorsorgesparer in Deutschland. Ihre Sparanstrengungen werden durch die EZB untergraben", kritisiert Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). "Deshalb sind wir in Sorge. Ökonomisch ist die Maßnahme genau das falsche Rezept. Denn die niedrigen Zinsen lösen kaum noch Wachstumsimpulse aus. Viel wichtiger wäre die Fortsetzung der Strukturreformen zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik des billigen Geldes wird zum Irrweg." Quelle: AP
"Zinspulver fast verschossen""Geldgeneral Draghi hat sein Zinspulver nun (fast) verschossen. Aktionäre und Immobilienbesitzer dürfen jubeln, Kontensparer und Versicherungssparer dürfen kapitulieren", sagt Ingo Theismann von der Vermögensverwaltung Consulting Team. "Erstmals müssen Banken Strafzinsen für ihre Einlagen zahlen, damit sollen über höhere Kreditvergaben Konjunktur und Inflation herbeigezaubert werden. Doch was sagte dazu bereits Ex-Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller vor 47 Jahren: 'Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie selber.' Wir können nur hoffen, dass diese riskante Wette der EZB auch aufgeht."
"Erhebliche Risiken""Ich sehe erhebliche Risiken durch die Niedrigzinspolitik und die vergleichsweise üppige Geldversorgung durch die EZB", sorgt sich Michael Fuchs, stellvertretender Fraktionschef der Unionsparteien im Bundestag. "Der Druck der Märkte auf Reformen und Einsparungen gerade in den EU-Krisenländern schwindet. Darüber hinaus gefährden Niedrigzinsen in der gesamten EU die Bereitschaft zum Sparen und zur Altersvorsorge in der Bevölkerung." Quelle: dapd
„Der Handlungsspielraum der EZB ist mehr homöopathisch“Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält die Wirkung weiterer Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) für sehr begrenzt. „Der Handlungsspielraum der EZB ist mehr homöopathisch“, sagte das Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung dem Südwestrundfunk. Ein Leitzins, der noch näher bei null liege, und ein Strafzins für Geschäftsbanken, die überschüssiges Geld bei der EZB parken wollten, stellten als Konjunkturimpulse keine schweren „Geschütze“ dar. Um die Wirtschaft im Euroraum zu beleben, sollten die Politiker darüber nachdenken, wie man die Investitionsanreize stärken kann, sagte Bofinger: „Dass also mehr Kreditmittel auf den Märkten von Investoren aufgenommen werden, und dann steigen auch die Zinsen wieder.“ Eine Hauptkritik aus Deutschland an der Politik des billigen Geldes ist, dass das niedrige Zinsniveau die Sparer belaste. Quelle: dapd
"Völliges Neuland""Die EZB hat völliges Neuland betreten, in ihrer Mission, die Wirtschaft in der Euro-Zone zu unterstützen", konstatiert Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Diba. "Wird das die Wirtschaft anschieben? Wahrscheinlich nicht, aber es zeigt zumindest die Entschlossenheit der EZB und ihre Handlungsmöglichkeiten." Quelle: PR
"Ein ganz gefährlicher Weg, den die EZB da einschlägt."Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon (im Bild links neben dem Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen) wettert gegen die EZB-Ankündigungen, die Geldschleusen weiter zu öffnen. „Statt der erhofften Impulse für die Wirtschaft in den Krisenländern werden durch die erneute Zinssenkung die Sparer in ganz Europa weiter verunsichert und Vermögenswerte zerstört“, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon. Die Maßnahmen machten die Finanzmärkte auch nicht stabiler - „im Gegenteil, das überreichliche Geld quillt schon jetzt aus allen Ritzen und sucht sich immer riskantere Anlagemöglichkeiten“. Schon am Morgen vor der EZB-Entscheidung äußerte Fahrenschon im ARD-Morgenmagazin seine Sorgen darüber aus, dass viele Menschen, die mit Versicherungen für ihr Alter vorgesorgt hätten, jetzt ungefragt zur Kasse gebeten würden: „Das ist ein ganz gefährlicher Weg, den die EZB da einschlägt.“ Allein in Deutschland würden Sparer, die fürs Alter vorsorgen, 15 Milliarden Euro verlieren: „Das sind vom Baby bis zum Großvater 200 Euro pro Kopf. Und das ungefragt. Und das Geld fehlt. Es ist weg.“ Quelle: dpa

"Halten Sie sich eigentlich wirklich für den Richtigen, um den Kulturwandel in ihrer Bank umzusetzen?", wurde HSBC-Chef Stuart Gulliver bei der Vorlage der Ergebnisse für das Jahr 2014 von einem Reporter des Wall Street Journal, das nicht gerade als Kampfblatt der Linken gilt, gefragt. Der 55jährige Brite, der das globale Geldhaus seit vier Jahren leitetet, zögerte keine Sekunde bevor er mit einem klaren Ja antwortete und dann in rasender Geschwindigkeit seine bisherige Bilanz bei der Sanierung der Bank herunterspulte. Er habe die Kosten gekürzt, mehr als 70 Geschäftsbereiche verkauft, die Zahl der Mitarbeiter von 310.000 auf 257.000 reduziert. Doch leider half ihm das alles nichts: denn am Morgen hatte der Guardian berichtet, dass Gulliver selbst bei der wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung heftig kritisierten Schweizer Tochter der HSBC ein Konto unterhielt, das auch noch im Namen einer in Panama registrierten Firma eröffnet worden war. So selbstbewusst Gulliver auch auf alle kritischen Fragen reagierte - ein schlechter Nachgeschmack blieb am Ende - und das nicht nur, weil die Bank für 2014 einen um rund 17 Prozent reduzierten Gewinn ausweisen und das Renditeziel für die nächsten Jahre senken musste.

Der Kampf der EZB gegen die Krise

Schließlich hatte sich die HSBC erst in der vergangenen Woche in großformatigen Zeitungsanzeigen für die Vorgänge bei der Schweizer Tochter entschuldigt, die jahrelang wohlhabenden Kunden, darunter Drogen- und Waffenhändlern und dubiosen Politikern, mittels komplizierter Tricks und intransparenter Konten geholfen hatte, Steuern zu hinterziehen. Und das war ja nur die Spitze des Eisbergs: schon vorher war die HSBC wegen Geldwäsche von mexikanischen Drogengeldern und auch im Zusammenhang mit dem Libor-Skandal wegen der Manipulation von Zinssätzen sowie wegen fragwürdiger Praktiken im Devisenhandel von den Aufsichtsbehörden in den USA gemaßregelt und mit Bußgeldern belegt worden. Am Montag kam ein weiterer Skandal hinzu: die US-Rohstoffaufsicht untersucht die HSBC nun auch im Zusammenhang mit dem Edelmetallhandel der Bank.

Zehn goldene Regeln für die Selbstanzeige

So klang Gullivers erneute Entschuldigung bei der Vorlage der Ergebnisse hohl: Der Steuerskandal sei eine Quelle der Scham erklärte er den Journalisten erneut. Doch was seine eigenen Angelegenheiten anging, zeigte er keine Reue sondern verteidigte das merkwürdige Arrangement sogar. Das fragliche Konto in der Schweiz habe er Ende der 90er Jahre eröffnet als er bei der HSBC in Hongkong tätig war. Dort seien seine Boni eingezahlt worden, denn er wollte verhindern, dass seine Hongkonger Kollegen die genaue Höhe seiner Prämien im internen Abrechnungssystem abrufen konnten, rechtfertigte er sich. Umgekehrt habe er auch verhindern wollen, dass die HSBC-Mitarbeiter in der Schweiz Einsicht in seine Gehaltsstrukturen erhielten, weswegen das Konto dann offiziell auf eine Gesellschaft in Panama lief. Nach seinem Umzug nach London vor zwölf Jahren habe er dann freiwillig auf sein gesamtes Einkommen Steuern gezahlt - obwohl er rein rechtlich gar nicht dazu verpflichtet gewesen wäre.

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