Hauptversammlung Der Staat in der Commerzbank-Falle

Die Commerzbank hat sich zum wiederholten Mal eine neue Strategie verordnet. Bis die aber Erträge abwirft, müssen Aktionäre viel Durchhaltevermögen beweisen. In diesem Dilemma steckt auch der Bund.

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Commerzbank-Hauptversammlung 2017. Quelle: REUTERS

Kurz bevor die Hauptversammlung der Commerzbank am Mittwoch in Frankfurt beginnt, sind die Stuhlreihen in der düster-schlichten Messehalle 11 noch fast leer. Damit das Ambiente nicht allzu trostlos daher kommt, spielt die Commerzbank über große Leinwände Werbefilme ab. Commerzbanker erklären, wie sie in den Finanzmetropolen der Welt Kunden beraten. Eben die Bank an ihrer Seite.

Dieses Markenversprechen ist für viele Aktionäre längst bittere Realität geworden. Viele haben in den vergangenen Jahren dank Kapitalerhöhungen und Verwässerungen so hohe Verluste eingefahren, dass ein Verkauf der Aktien schlicht keinen Sinn machen würde. Das gilt auch für den Bund als größten Anteilseigner.

Zur Erinnerung: Nach seinem Einstieg während der Finanzkrise 2009 hält der Bund weiterhin einen Anteil von über 15 Prozent an der Commerzbank. Für die 195 Millionen Anteilsscheine, die in mehreren Schritten erworben wurden, zahlte der Bund einst 5,1 Milliarden Euro. Mittlerweile ist das Aktienpaket allerdings nur noch gut 1,77 Milliarden Euro wert. Keine gute Perspektive für einen Ausstieg.

Auch für die kommenden Jahre verlangt die Commerzbank von ihren Aktionären einmal mehr ein hohes Durchhaltevermögen. Dank der neuen Strategie Commerzbank 4.0 gibt es zwar erneut frohlockende Ziele – Commerzbank-Chef Martin Zielke: „Wir wollen bis 2020 die wettbewerbsfähigste Bank in Deutschland werden.“ Aber auch: „Wir wissen, was wir unseren Aktionären zumuten“, räumt Zielke im Hinblick auf die erneute Restrukturierungsphase, die die Bank auf ihrem Weg zur Commerzbank 4.0 durchlaufen muss, ein. Der Vorstand habe die Strategie beschlossen, um die Bank dauerhaft profitabel zu machen.

Übersetzt heißt das für die Aktionäre und den Bund, dass sie weiter hoffen müssen. Hoffen, dass die neue Strategie samt Wachstumszielen und Kostensenkungen zumindest in einigen Jahren die erhofften Erträge einfährt. Vorher verschlingt der Umbau allerdings rund 1,1 Milliarden Euro an Restrukturierungskosten, die sich vor allem auf die Geschäftsjahre 2017 und 2018 verteilen werden.

Vorsorglich dämpfte Vorstandschef Zielke daher auch schon mal die Aussichten auf eine Dividende in den kommenden Jahren. „Restrukturierungskosten machen in einem schwierigen Umfeld die Einbehaltung des Gewinns notwendig“, rechtfertigte Zielke die Nullrunde für das Geschäftsjahr 2016. Auch für die beiden kommenden Geschäftsjahre könne er nicht ausschließen, dass ein möglicher Gewinn erneut einbehalten würde.

So soll das neue Filialnetz der Commerzbank aussehen

Schwierig für Aktionäre: Ob die Strategie tatsächlich wirkt, hängt entscheidend vom Marktumfeld ab. Die Commerzbank kalkuliert aktuell mit Kapitalkosten von 7,5 Prozent (nach Unternehmenssteuern). Zielke räumt freimütig ein, dass es im aktuellen Niedrigzinsumfeld nicht möglich ist, diese Kosten zu verdienen – viel schlimmer, selbst wenn die Sparmaßnahmen des Umbaus greifen, dürfte es bei weiterhin niedrigen Zinsen schwer werden, diese Hürde zu nehmen. Die Aktionäre müssen also auf ein Einsehen von EZB-Chef Mario Draghi hoffen, wenn es um nennenswerte Kursfantasien geht.

Die Perspektiven für einen Ausstieg des Bundes sind also trübe. Schon 2014 wiegelte man in Berlin ab und verwies darauf, dem Vorstand für die laufende Strategie nicht das Vertrauen entziehen zu wollen. Unter der Annahme, dass das weiterhin gilt, sind dem Bund angesichts des erneuten Umbaus mindestens bis 2020 die Hände gebunden.

Zudem stellt sich die Frage, wer Interesse hätte an dem Anteil des Bundes. Zwar gibt die Bank sich zukunftsgerichtet und setzt auf die digitale Transformation, legt aber operativ den Fokus auf das bodenständige und kostenträchtige Geschäft mit Privatkunden und dem deutschen Mittelstand. Wenigstens Letzteres dürfe auch internationale Investoren interessieren. Aber reicht das? Sollten die Berliner Großaktionäre ihre Anteile tatsächlich bald loswerden wollen, könnten sie nach Fernost funken. Immerhin ist die chinesische HNA gerade erst zum größten Anteilseigner der Deutschen Bank geworden und soll auch bei der zum Verkauf stehenden HSH Nordbank Interesse signalisiert haben.

Für die Bank wäre ein solcher Zug nicht unvorteilhaft. Zumindest dürfte der lethargische Kuschelkurs, auf den viele Aktionäre mittlerweile eingeschwenkt sind, damit vorbei sein. Nach den teils wüsten Beschimpfungen, die sich Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller auf den vergangenen Hauptversammlungen anhören musste, überreichte ihm ein dankbarer Aktionär diesmal eine Packung „Merci“-Schokolade. Die Hoffnung stirbt eben zuletzt.

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