
Als der Schweizer Banker eine Kiste voll mit Goldbarren in den Besprechungsraum schob, war Moritz Hummel baff. Der Freiburger Anwalt hatte nicht damit gerechnet, dass der höfliche Herr des Geldes gleich 50 glänzende Barren in einer Plastikbox präsentieren würde. Jeder ein stolzes Kilo schwer. Über Jahrzehnte hatte der ursprüngliche Besitzer die Barren in einem Safe bei einem großen Schweizer Geldhaus aufbewahrt. Nur verraten hatte er seinen gesetzlichen Erben davon kein Sterbenswörtchen. Und so lag das Gold auch über zehn Jahre nach seinem Tod noch in der Schweiz.
Gehoben hat den Schatz erst Hummel. Sein Mandant hatte Jahre nach dem Tod des Millionärs erfahren, dass in der Schweiz noch was zu holen sei. Wo, war unklar. Hummel ging auf Schatzsuche, schrieb 300 Banken an. Eine war die Großbank mit den Barren im Safe. Er stieß auf eine Goldader: Devisen, Aktien, Schecks. Wert: ein zweistelliger Millionenbetrag.





Hunderte solcher vergessenen Millionen, wenn nicht Milliarden Franken liegen in der Schweiz. Es ist Geld, das nach dem Zweiten Weltkrieg keiner mehr abholen konnte, genauso wie Schwarzgeld, für das der Besitzer den Erben wohlweislich keine Spur hinterlassen hat. Einen Vorgeschmack auf das Ausmaß des Phänomens gab in den Neunzigerjahren die Volcker-Kommission, benannt nach dem ehemaligen Chef der US-Zentralbank Fed, Paul Volcker. Sie sollte offene Kontoverbindungen aus der Zeit um den Zweiten Weltkrieg aufspüren, bei denen die Bank den Kontakt zum Kunden – oft vom NS-Regime ermordete Juden – verloren hatte. Volcker fand mehr als 80 000 solcher Konten – mit teils „sehr hohen Beträgen“, wie der Kommissionsbericht vermerkte. Der Bericht gab einen Einblick, in welcher Dimension in der NS-Zeit Geld der Opfer zum Teil für immer verloren ging.
Bislang durften Banken solche herrenlose Konten weiterführen. Anfang des Jahres aber ist in der Schweiz ein Gesetz in Kraft getreten, wonach Banken noch 2015 die Daten von Kunden veröffentlichen müssen, die seit 1955 oder länger keinen Kontakt mehr zu ihrem Haus hatten. Nur die Namen von Prominenten oder Politikern dürfen geheim bleiben. Die Schweizerische Bankiervereinigung geht davon aus, dass Ende des Jahres „ein paar Hundert“ bis „wenige Tausend Konten“ veröffentlicht werden. Ein Jahr haben Betroffene und Erben nach der Publikation auf einer Internetplattform des Verbandes Zeit, Guthaben einzufordern. Meldet sich keiner, geht das Geld an den Staat.
Zehn goldene Regeln für die Selbstanzeige
Die Selbstanzeige ist nur strafbefreiend, wenn die Tat noch nicht entdeckt ist. Daher ist Eile geboten.
Quelle: BRANDI Rechtsanwälte
Stand: Oktober 2017
Ist die Tat schon entdeckt, wirkt selbst eine unwirksame Selbstanzeige strafmildernd wie ein Geständnis. Es ist also nie zu spät für die Offenlegung.
Nur wer in vollem Umfang die Steuererklärungen einer Steuerart der letzten zehn Kalenderjahre korrigiert, bleibt straffrei. „Vergessene“ Sachverhalte gefährden die Wirksamkeit der Selbstanzeige.
Mit Abgabe der Selbstanzeige müssen sämtliche hinterzogenen Steuern samt Zinsen und gegebenenfalls Strafzuschlag bezahlt werden. Wer nicht zahlen kann, sollte Alternativen erörtern.
Eine Selbstanzeige erfordert strafrechtliche und steuerrechtliche Erfahrung. Ziehen Sie auf jeden Fall Berater hinzu. Die Tücke steckt im Detail.
Weihen Sie ihren Steuerberater nie in etwaige Steuerhinterziehung ein. Sollte keine Selbstanzeige abgegeben werden können, macht er sich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig, wenn er weiterhin ihre Steuererklärungen bearbeitet, ohne die Hinterziehung offenzulegen.
Eine Selbstanzeige ist meist erst der Anfang. Ohne intensive Verhandlungen mit dem Finanzamt und gegebenenfalls ein gerichtliches Verfahren läuft die Selbstanzeige nur selten ab.
Es sollte genau geprüft werden, ob durch die Selbstanzeige Außenstehende oder etwa Familienangehörige belastet werden. In einem solchen Fall ist ein koordiniertes Vorgehen bis hin zur gleichzeitigen Abgabe der Selbstanzeige ratsam.
Beamten – auch verbeamteten Lehrern – und Angehörigen des öffentlichen Dienstes sowie Berufsträgern wie Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern droht bei einer Selbstanzeige ein disziplinarrechtliches oder berufsrechtliches Verfahren. Dies kann bis hin zum Verlust von Pensionsansprüchen führen.
Die Finanzverwaltung ist verpflichtet, Kenntnisse über Straftaten wie Korruption oder Geldwäsche an andere Behörden weiterzuleiten. So kann eine Selbstanzeige weiterte Ermittlungen und Anklagen auslösen, selbst wenn die Steuerhinterziehung straffrei bleibt.
Die Eidgenössische Finanzverwaltung hat in den kommenden 15 Jahren 600 Millionen Franken für die Staatskasse eingeplant. Die Summe basiert auf Annahmen der Bankiervereinigung. Und die, die Mutmaßung darf erlaubt sein, schätzt konservativ. Um welche Summe es wirklich gehen könnte, lassen Zahlen des Bankenombudsmanns ahnen. Er hilft Kunden seit 2001 bei der Suche nach verschollenen Vermögen. Bis 2014 hat er 357 Konten mit 52,5 Millionen Franken vermittelt, im Schnitt 147 059 Franken pro Konto. Wären mit dieser Summe nur 30 000 Konten noch offen, würden über 4,4 Milliarden Franken in der Schweiz liegen, die niemand abgeholt ab. Ein Insider, der vor allem kleinere Häuser kennt, sagt: „Schon kleine Banken in der Schweiz haben 600 bis 1000 nachrichtenlose Konten.“ Angesichts von mehr als 300 Banken wären Hunderttausende solcher Konten realistisch; hochgerechnet müsste so ein mindestens mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag zusammenkommen.