Herrenlose Konten Der brisante Schatz der Schweizer Banken

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Suche nach dem Grabstein

Hansen hat auch schon einen Privatdetektiv engagiert. Er wusste, dass der Kunde der Bank in München verstorben war. Das für das Nachlassgericht wichtige Sterbedatum aber kannte er nicht. Also sollte der Detektiv alle Friedhöfe nach dem Grab absuchen. Das Datum steht auf dem Grabstein, hoffte Hansen. Der Detektiv entdeckte das Grab auch. Zum Ziel kam Hansen dennoch nicht. „Wir sind am Ende am Datenschutz gescheitert“, sagt Hansen, „es ist völlig verrückt, wie schwierig es manchmal ist, in Deutschland an Daten und Unterlagen zu kommen.“

Für die einfache Suche kassiert Hansen pauschal 100 Euro. Muss er länger ermitteln, rechnet er nach Streitwert ab. Bei einem Vermögen von einer Million Franken wären das bis zu 10 000 Franken für den Anwalt, also ein Prozent. Kosten für die Suche nach Kunden gehen – selbstredend – vom Vermögen des Kunden ab.

Welche Strafen Steuertricksern drohen

Besonders teuer sind Erbenermittler. So sucht die Hoerner Bank aus Heilbronn im Auftrag von Banken nach verschollenen Kunden. Man einige sich mit Erben auf ein Honorar, heißt es auf der Internetseite der Bank. Das liege – je nach Schwierigkeitsgrad der Suche – in deutschen Nachlassfällen bei 20 bis 25 Prozent und in ausländischen bei 33 Prozent der Erbschaft. Zuzüglich Mehrwertsteuer, versteht sich. Schließlich nähme die Bank „das Risiko einer jahrelangen Bearbeitung“ auf sich, erklärt Thomas Meyer, der die internationale Erbenermittlung leitet. Bei einer Erbschaft von einer Million Franken, rechnet er vor, zwacke Hoerner 20 Prozent oder 200 000 Franken ab. „Die Kosten hängen auch von der Höhe des Nachlasses ab“, sagt er. Findet sein Team niemanden, geht die Bank leer aus.

Spezialisierte Erbsucher

In der Praxis fühlen sich viele von Erbenermittlern unter Druck gesetzt. So ist es üblich, dass die zunächst einen Brief schicken – ohne zu verraten, wo Geld liegt. So wie die Schweizer Sogeni, ein auf Erbensuche spezialisiertes Unternehmen. Nachforschungen hätten ergeben, steht da, dass der Empfänger des Briefes der Begünstigte eines Nachlasses sei. Der Anspruch stamme aus einem Guthaben, das im Rahmen einer seit Jahren abgeschlossenen Erbschaft unberücksichtigt geblieben sei. Sogeni brauche noch Dokumente, der Erbe solle zudem das Honorar anerkennen. Die Bank, die das Guthaben verwalte, sollte es auszahlen. So wollte Sogeni von allen Erben zusammen ein Millionenhonorar abgreifen. Beauftragt hatte sie eine Schweizer Bank. Sogeni wollte nicht mit der Redaktion sprechen.

Diese Prominenten haben ein Konto in der Schweiz
Logo der Schweizer HSBC-Bank Quelle: REUTERS
Unter den Kunden der Schweizer HSBC-Tochter befindet sich laut den Recherchen auch Gennadi Timtschenko. Er ist ein russisch-finnischer Oligarch im Ölhandel und ein Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Timtschenko wohnt in Genf. Sein Vermögen soll sich auf rund 14 Milliarden US-Dollar belaufen und er steht laut „Süddeutscher Zeitung“ auf der US-Sanktionsliste. Quelle: Handelsblatt Online
Der italienische Sport- und Industriemanager wurde bekannt als Teamchef des Formel-1-Rennstalls von Renault. Mehr als 73 Millionen Dollar soll Briatore bei der HSBC geparkt haben. In den enthüllten Dokumenten taucht sein Name im Zusammenhang mit neun Kundenkonten auf. Unter anderem gehöre ihm ein Nummernkonto, das 2005 geschlossen wurde, heißt es in den Berichten. Bei mindestens sechs Konten sei er als Inhaber aufgeführt – damit steht er in Verbindung mit 38 Bankkonten. Quelle: dpa
Der Banker war Inhaber der griechischen Proton Bank. Lavrentis Lavrentiadis (rechts) saß bereits in Haft wegen Verdachts auf Mord und Geldwäsche. Sein Name steht in Zusammenhang mit sieben HSBC-Kundenkonten, davon zwei Nummernkonten. Quelle: Handelsblatt Online
Der US-amerikanischer Schauspieler Christian Slater hat bereits an der Seite von Tom Cruise und Brad Pitt gearbeitet. 1996 ist er mit Jon Travolta im Action-Film „Broken Arrow“ zu sehen. Er ist vorbestraft wegen Körperverletzung und Alkohol am Steuer. Der Schauspieler wird in Verbindung gebracht mit einem HSBC-Konto namens „Captain Kirk”. Es wurde 1996 eröffnet und bereits ein Jahr später wieder geschlossen. Die enthüllten Dokumente geben allerdings keinen Aufschluss über Slaters genaue Rolle in Verbindung mit dem Konto. Quelle: Handelsblatt Online
Der spanische Formel-1-Pilot Fernando Alonso ist seit 2002 Kunde der HSBC. Er hat vier Jahre in der Schweiz gelebt. Seiner Kundendatei lassen sich vier Bankkonten zuordnen, die in den Jahren 2006 und 2007 insgesamt 42,3 Millionen Dollar Wert waren. Sein Manager erklärt, dass Alonso in mehreren Ländern steuerlich registriert sei – aber überall immer korrekte Angaben mache. Auch Kollege Heikki Kovalainen zählt zu den Kunden der HSBC. Quelle: REUTERS
Li Xiaolin ist eine chinesische Geschäftsfrau und Vorsitzende der China Power Investment Corporation. Die Multimillionärin ist die Tochter des chinesischen Ex-Premiers Li Peng und ist seit 2001 Kundin bei der Schweizer HSBC-Tochter. Mit ihrem Mann unterhielt sie 2006/2007 fünf Bankkonten mit einem Wert von insgesamt 2,48 Millionen Dollar. Die Konten liefen unter dem Namen der „Metralco Overseas S.A.“, einer in Panama registrierten Firma. Die Firma wurde 2012 aufgelöst. Quelle: Handelsblatt Online

Will ein Erbe das Honorar nicht zahlen, machen Erbenermittler auch mal Druck. So warnte ein Institut vor drohender Steuerhinterziehung, wenn der Erbe die Provisionsvereinbarung nicht bald unterzeichne. Erst dann könne er beweisen, dass er keine Kenntnis von dem Geld hatte. Ständig kamen Briefe, Anrufe, Warnungen. Psychokrieg um das Geld des Toten.

Die Banken und der Zweite Weltkrieg

Das Phänomen besitzerloser Konten beschäftigt Schweizer Banken schon seit Jahren: Hunderte Menschen, darunter viele Juden, haben zur Zeit des Dritten Reiches ihr Vermögen in die sichere Schweiz gebracht. Das in Franken getauschte Fluchtgeld wurde nie durch eine Währungsreform entwertet. Die Schweiz hat den Franken bis heute, die Reichsmark hingegen ist längst perdu. Nach dem Krieg entbrannte eine heftige Debatte darüber, wie Banken mit dem Geld umgehen sollten. Viele Kunden würden ihr Geld schließlich nie wieder abholen. Erben wussten oft gar nichts von den Konten ihrer Vorfahren und wenn, fehlten ihnen nach dem Krieg meist die nötigen Dokumente, um ihren Anspruch zu belegen.

Mehrfach „untersuchten“ die Banken unter der „Aufsicht“ der Bankiervereinigung, wie viel Geld von Opfern sie noch verwalten. Ausfindig machten sie anfangs weniger als eine Million Franken. 1962 verlangte die Regierung von Finanzinstitutionen, Vermögen von Ausländern offenzulegen, die Opfer von Verfolgung gewesen sein könnten. Die Institute förderten 739 Konten mit 6,2 Millionen Franken zutage. Angesichts der spärlichen Ausbeute riss die Kritik an den Banken nicht ab. 33 Jahre später, 1995, leitete der Bankverband eine nicht auf Konten von Opfern beschränkte Untersuchung ein. Banken fanden 775 Konten ausländischer Inhaber mit 38,7 Millionen Franken.

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