Ein Problem bei Infrastrukturprojekten ist aber auch die grassierende Korruption.
Dieses Problem gibt es, aber es wird in den Medien oft stark übertrieben. Wenn die Regierung und die Einzelstaaten dafür sorgen, dass sich alle an die Regeln halten, können wir der Korruption Herr werden.
Die indischen Aktienmärkte haben sich rasant entwickelt, sehen Sie eine Blase?
Nein, ich sehe das eher als eine Erholung vom Abschwung. Dieser wurde ausgelöst durch die Probleme der Weltwirtschaft nach der Finanzkrise, aber auch durch Fehler der indischen Wirtschaftspolitik – etwa bei der Förderung von öffentlich-privaten Partnerschaften für den Ausbau der Infrastruktur oder einer zu schnellen Privatisierung von natürlichen Ressourcen. So wurden Telekommunikationslizenzen oder Abbaurechte für Rohstoffe zu billig verkauft. Und Banken haben zu viele Kredite vergeben für große Projekte, die nicht abgeschlossen wurden. Ich bezeichne das als Indiens Wachstumsschmerzen. Aus diesen Fehlern hat die Politik aber gelernt.





Wie sind die Aussichten für das weitere Wirtschaftswachstum in Indien?
Gut, denn die demografische Entwicklung arbeitet für unsere Volkswirtschaft. Die Experten unserer Bank erwarten für 2014 mehr als fünf Prozent Wachstum. Jedes Jahr strömen zehn bis zwölf Millionen junge Leute auf den Arbeitsmarkt – alles potenzielle Konsumenten. Auch die Telekommunikationsbranche erholt sich dank neu und besser verteilter Funklizenzen.
Viele Inder leben allerdings noch in Armut. Die Regierung will helfen, etwa mit Bankkonten für alle. Funktioniert das?
Ja, denn wer keinen Zugang zu Bankdiensten hat, muss sich in Indien bei Kredithaien auf dem Schwarzmarkt Geld leihen und ist danach meist lebenslang überschuldet. Für die Banken ist das Projekt der Regierung eine große Chance, neue Kundengruppen zu erschließen. Allerdings muss dafür gesorgt werden, dass dann auch staatliche Transfers direkt auf diesen Konten landen. Zu oft versickern solche Zahlungen noch auf dem Weg zum Empfänger in der Bürokratie. Wir haben eine Technik entwickelt, bei der sich Kunden mit einem elektronischen Fingerabdruck bei der Bank registrieren und sofort vor Ort ein Konto eröffnen können. Ihre Bankkarte können sie gleich mitnehmen.
Die wachsende Bedeutung der Brics-Staaten
Zum fünften Mal seit 1999 kommen die Staats- und Regierungschefs der fünf führenden Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (Brics) zu einem Gipfel zusammen - diesmal im südafrikanischen Durban, wo sie seit Dienstag etwa über eine eigene Infrastrukturbank und gemeinsame Währungsreserven verhandeln. Nachfolgend einige Fakten. (Quellen: Reuters; IWF, nationale Statistikämter)
Die fünf Länder stehen für 21 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Die Dynamik ist enorm: Sie haben ihren Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht.
43 Prozent der Weltbevölkerung lebt in den Brics-Staaten. Allein in China und Indien leben jeweils deutlich mehr als eine Milliarde Menschen.
Zusammen kommen die Staaten auf die gigantische Summe von 4,4 Billionen Dollar. China sitzt auf den mit Abstand größten Devisenreserven der Welt.
Der Handel zwischen den Brics-Staaten erreichte 2012 einen Wert von 282 Milliarden Dollar. Bis 2015 dürfte er auf 500 Milliarden Dollar steigen, sagen Experten voraus. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag das Volumen lediglich bei 27,3 Milliarden Dollar.
Obwohl alle Brics-Staaten kräftig wachsen, sind die Unterschiede sehr groß. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrug im vergangenen Jahr in China 6.094 Dollar, in Brasilien 12.340 Dollar, in Russland 13.765, in Indien 1592 Dollar und in Südafrika 7.636 Dollar.
Müssen Sie dafür neue und teure Filialen auf dem Land aufbauen?
Nein, die Technik funktioniert unabhängig von Filialen, für den Datentransfer reicht eine Mobilfunkverbindung. Dabei kooperieren wir mit Supermärkten oder Einkaufszentren und eröffnen Camps in besonders strukturschwachen Gegenden, wo wir potenzielle Kunden über die Vorteile eines neuen Kontos informieren.
Das Beispiel zeigt, wie stark Digitaltechnik die Banken verändert. Wie reagieren Sie im computeraffinen Indien darauf?
Die State Bank of India hat sieben Pilotfilialen eröffnet, die nicht mit klassischen Schaltern, sondern Rechnern und Bildschirmen ausgestattet sind. Kunden können sich dort multimedial zum Beispiel über Autokredite informieren oder sogar ein Konto eröffnen. Dort steht auch eine digitale Finanzplanung zur Verfügung, die den Leuten ausrechnet, wie viel sie wann sparen müssen, wenn sie sich für den Ruhestand absichern oder den Nachwuchs auf die Schule schicken wollen.