Sie hat die Wirecard-Aktie bejubelt wie keine andere und wurde so zur wichtigen Figur des Bilanzskandals. Jetzt braucht sie einen neuen Job: Die Analystin Heike Pauls verlässt nach WirtschaftsWoche-Informationen die Commerzbank, für deren Kunden sie die Wirecard-Aktie bewertet hatte.
Laut Bankkreisen haben Pauls und das Geldhaus ihren monatelangen Rechtsstreit beendet und sich verglichen, diese Information bestätigte eine Sprecherin des Hessischen Landesarbeitsgerichts. Die Kammer habe den Vergleich bereits am 17. Juni mit einem Beschluss festgestellt.
Hohe Abfindung für Pauls?
Ein Vergleich bedeutet: Pauls erhält eine Abfindung, damit sie ihre Stelle bei dem Geldhaus aufgibt. Vermutlich zahlt ihr die Bank eine Summe im höheren sechsstelligen Bereich. Der Grund für die mutmaßlich stattliche Abfindung: das arbeitnehmerfreundliche deutsche Arbeitsrecht.
Die Commerzbank hatte Pauls Anfang 2021 außerordentlich gekündigt, die Analystin hatte dagegen jedoch vor dem Frankfurter Arbeitsgericht erfolgreich geklagt. Die Urteilsbegründung des Gerichts war eine Schlappe für die Bank. Darin hieß es: „Nach Auffassung der Kammer ist die außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig“, da das Geldhaus „die Klägerin vorrangig hätte abmahnen müssen“. Das hatte das Institut aber unterlassen. Eine Abmahnung hätte laut Gericht nur entfallen können, wenn absehbar gewesen wäre, dass sich Pauls' Verhalten trotz Warnung nicht geändert hätte.
Commerzbank hatte Berufung eingelegt
Pauls hatte wegen des Urteils eine gute Verhandlungsposition gegenüber der Bank, zumal das Institut sie wegen ihrer Verstrickungen in den Skandal unbedingt loswerden wollte. Die Berliner Arbeitsrechtlerin Kaja Keller von der Kanzlei Gansel hatte bereits im vergangenen Sommer erklärt, Pauls' Abfindung könne knapp eine Million Euro betragen.
Die Summe ergab sich aus Pauls' Lohn: Sie verdiente, wie aus der Urteilsbegründung hervorging, zuletzt durchschnittlich 17.000 Euro pro Monat, und arbeitete für die Bank seit August 2005. Es sei möglich, dass Pauls' Gehalt nicht nur mit ihren 16 Beschäftigungsjahren, sondern zusätzlich mit dem Faktor drei multipliziert werde, sagte Arbeitsrechtlerin Keller. „Es gibt branchenabhängig durchaus Fälle“, sagte die Juristin, in denen Unternehmen Abfindungen mit diesem Faktor berechneten.
Ein weiterer Arbeitsrechtler, Marc-Oliver Schultze von der Kanzlei Afa, ergänzte damals: „Selbst Sozialpläne im Bankenbereich sehen bei betriebsbedingten Kündigungen Abfindungen vor, die dem zwei- oder dreifachen des Bruttomonatslohns multipliziert mit den Beschäftigungsjahren entsprechen“.
Pauls bezeichnete Vorwürfe gegen Wirecard als „Fake News“
Die Commerzbank hatte gegen das Urteil vor dem Frankfurter Arbeitsgericht Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt, bei dem das Verfahren bis zuletzt anhängig war (Az. 14 Sa 957/21). Wegen der starken Verhandlungsposition dürfte das Geldhaus diesen Schritt allerdings nur aus formalen Gründen gegangen sein. Pauls' Sieg in der ersten Instanz hatte einen Vergleich bereits wahrscheinlich werden lassen.
Pauls war im Vorfeld der Wirecard-Pleite bekannt geworden, weil sie den Konzern so aggressiv gegen Vorwürfe verteidigt hatte wie kaum eine andere Analystin. Einen Bericht der Wirtschaftszeitung „Financial Times“ bezeichnete sie einmal als „Fake News“. Zudem, das zeigen öffentlich gewordene Mails, soll Pauls Wirecard davor gewarnt haben, dass ein Hedgefonds den Zahlungsdienstleister des Betruges verdächtigte. Obendrein rief die Analystin immer wieder neue Kursziele für die Aktie aus. Die Commerzbank und der Anwalt von Pauls äußerten sich nicht.
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