Investmentbanken Die mächtigsten Investmentbanker Deutschlands

Der Abgang von Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis rückt die Branche erneut ins Zwielicht. Mit Hybris, Herrschaftswissen und Superkontakten steuert so mancher Banker Unternehmen und Politik mehr, als diesen guttut.

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Dirk Notheis Quelle: dapd

Die Verhandlungen ziehen sich seit Wochen. Fast immer geht es bis spät in den Abend oder den frühen Morgen. Anwälte, Investmentbanker, Steuerberater und tüfteln bis zum Schluss an den kleinsten Details. Dann ist es so weit, endlich. Nur noch die Unterschriften unter das umfangreiche Vertragswerk.

Doch plötzlich, im letzten Augenblick, kommen dem Unternehmer, der einen Konkurrenten im Ausland übernehmen will, Bedenken. Sofort schaltet sich sein Investmentbanker ein, versucht ihn zunächst sanft umzustimmen, ruft beim Verkäufer an, schlägt vor, ein paar Details aus dem Vertrag zu streichen. Aber der Unternehmer bleibt stur. Von einer Sekunden zur anderen schaltet der smarte Banker um auf brutal. „Das ist Blödsinn“, fährt er den Unternehmer an. "Sie unterschreiben sofort, oder ich lasse die ganze Sache platzen. Dann werden alle wissen, was für ein Versager Sie sind."

Zum Glück blieb der Unternehmer hart. Denn der hohe Preis für den Konkurrenten, den ihm der Investmentbanker mit einer "strategischen Prämie" schmackhaft gemacht hatte, stellte sich nach weiteren Prüfungen als völlig überzogen heraus.

Praxis ist nicht gleich Theorie

Szenen wie diese, die so gut wie nie an die Öffentlichkeit dringen, seien in Deutschland an der Tagesordnung, berichtet ein Frankfurter Anwalt, der sich auf Firmenübernahmen spezialisiert hat. "Eigentlich sind die Investmentbanker nur für die Finanzierung einer Übernahme zuständig", sagt er. Sie kümmern sich in erster Linie um die Bewertung des Unternehmens, prüfen Kapitalerhöhungen, die Ausgabe von Anleihen. Doch die Praxis sehe ganz anders aus. "In Wirklichkeit schwingen sie sich zu Herren des Verfahrens auf und reißen markig alles an sich, damit der Deal zustande kommt und sie ihre hohe Vergütung rechtfertigen können."

Das große Geschäft mit den Übernahmen

Seit dem Boomjahr 2007 ist das Geschäft mit Firmenübernahmen in Deutschland um mehr als 70 Prozent eingebrochen. Im ersten Halbjahr 2012 verdienten die Banken mit der Beratung bei Fusionen nur noch 187 Millionen Euro. Megadeals wie die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone im Jahr 2000 scheinen schon fast ein Fall für Wirtschaftshistoriker, die Macht der "Masters of the Universe" galt vielen nach der Diskussion um Boni-Exzesse und Zockerei als gebrochen. Manch einer dachte vielleicht sogar, die Finanzmänner selbst hätten ihre Lektion gelernt und übten sich in neuer Bescheidenheit.

Bild des bösen Bankers

Nun jedoch ist es erneut aufgetaucht, das Bild des bösen Bankers. Dieses Mal in Gestalt von Dirk Notheis, bis Anfang vergangener Woche Deutschland-Chef von Morgan Stanley.

Dirk Notheis - Morgan Stanley

Nachdem Details über sein Gebaren beim Kauf des Energieversorgers EnBW ans Licht kamen, nimmt er nun eine Auszeit von unbekannter Dauer. Niemand rechnet damit, dass er auf seinen alten Posten zurückkehrt. Notheis zählte zu den Spitzenkräften seiner Zunft. Banker wie Alexander Dibelius von Goldman Sachs, Stephan Leithner von der Deutschen Bank, Ernst Fassbender von Lazard oder Stefan Jentzsch von Perella Weinberg haben durch ihr enges Beziehungsgeflecht über Jahre die deutsche Unternehmenslandschaft gestaltet und geprägt. Ihr Einfluss ist kaum zu überschätzen, weitgehend im Verborgen profilieren sie sich als Unternehmensarchitekten, die Geschäfte mit vielen Hundert Millionen Umsatz und Tausenden Mitarbeitern an- und abbauen wie Legosteine.

Banker führen oft die Entscheidungen

Warum Kunden ihrem Banker misstrauen
Die Finanzkrise hat das Vertrauen der Finanzanleger negativ beeinflusst. Zu diesem kommt die aktuelle Studie der Nürnberger Puls Marktforschung unter 1.000 deutschen Bankkunden. Deren deutliche Mehrheit ist inzwischen der Meinung, sich eigenständig über Geldanlagen informieren zu müssen. Quelle: dpa
74 Prozent der Befragten geben an, dass man bei reinem Vertrauen in den Berater ohne eigene zusätzliche Information „selbst Schuld“ bei Verlusten sei. Dies sehen speziell Männer, Ältere und Besserverdienende so. Quelle: dpa-tmn
Beratungsgespräch in einer Bank Quelle: Fotolia
Auch bei der Frage, welchen Informationsquellen die Bankkunden vertrauen, kommt die Studie zu einem ernüchterndem Ergebnis: Eigentlich keiner so richtig. Aber: „Die persönliche Beratung bei unabhängigen Stellen, wie etwa der Verbraucherberatung, werden von heutigen Kunden noch am ehesten als vertrauenswürdig angesehen,“ fasst Dr. Konrad Weßner, Puls-Geschäftsführer, zusammen. Quelle: picture-alliance
Gerade mal 17 Prozent der Befragten vertrauen dem persönlichen Berater, 15 Prozent unabhängigen Institutionen. Quelle: dpa
Die Weiten des Internets taugen bei der Mehrheit auch nicht für Anlagetipps, sondern als reine Informationsplattform wie etwa zu Aktienkursen. Quelle: dpa
Das Beratungsprotokoll findet bei Anlegern mehr Anklang als vermutet: 95 Prozent derjenigen, die ein Protokoll erhalten haben, lesen es durch. Die Hälfte von ihnen ausführlich, die anderen überfliegen es zumindest. Quelle: dpa

Oft geben Investmentbanker erst den Anstoß zu großen Bewegungen, zu Milliardenkäufen und Verkäufen, zu "transformatorischen Deals", wie sie sagen, die für Firmenlenker darüber entscheiden, ob sie später einmal in einem Ehrenkapitel oder einer Fußnote der Firmenchronik erscheinen. Zwar heißt es in der Branche, dass Banker lediglich Erfüllungsgehilfen seien, die nicht über das "Was", sondern bloß das "Wie" eines Geschäfts entscheiden.

Wenn sie jedoch das Vertrauen eines Chefs erlangt haben, ihre Ideen sein Gehör finden und sie vorhandene Bedenken zerstreuen können, sind sie leicht am Drücker. Dann sind es oft die Banker, die die Hand des Vorstandschefs führen, wenn er auf den Startknopf drückt.

"Natürlich bin ich stolz, wenn ein Unternehmen durch meine Beratung vom Übernahmekandidaten zum Weltmarktführer wird", sagt einer der wichtigsten deutschen Investmentbanker. Dass er enormen Einfluss habe, bestreitet er ebenso wenig wie seine Kollegen. "Aber man sollte unsere Macht nicht überschätzen", meint der frühere Deutschland-Chef einer Investmentbank. "Letztlich entscheiden die Manager in den Unternehmen, und wir bleiben Berater unserer Kunden."

Tatsächlich? Bis vor Kurzem hätte das auch Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Notheis so oder so ähnlich gesagt. Da wollte und konnte er sich noch mit Recht als Mitglied in der stolzen Reihe der Einflussreichen sehen. Bestens vernetzt in der Politik zog der 44-Jährige jährlich mindestens eine große Transaktion für seinen Arbeitgeber Morgan Stanley an Land. Beim Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank, beim Börsengang von Air Berlin, der Verstaatlichung der Hypo Real Estate, bei der Lufthansa, der WestLB, der EADS, der Deutschen Bahn – stets hatte Notheis die Finger im Spiel, ohne sie sich, so schien es wenigstens, schmutzig zu machen.

Gefährlicher Verführer

Doch das Bild hat sich gedreht. Heute erscheint der Banker als gefährlicher Verführer und Vertreter einer unheimlichen Schattenelite, die unbedarfte Politiker und Firmenlenker wie Püppchen nach ihren Wünschen tanzen und im Zweifel auch Milliardengräber ausheben lässt. Hauptsache, der eigene Bonus stimmt.

Schuld daran ist ein Geschäft, auf das Notheis erst mal mächtig stolz war. Mit glänzenden Augen erklärte er Ende 2010, warum die von ihm kurz zuvor betreute Übernahme von knapp der Hälfte des Energiekonzerns EnBW durch Baden-Württemberg für das Land ein Gewinn und wie wichtig es gewesen sei, den Deal geheim über die Bühne gehen zu lassen.

Wohl zu geheim. Schon lange stand Notheis wegen seiner Rolle bei der am Parlament vorbei eingefädelten Transaktion in der Kritik, Anfang vergangener Woche zog er die Konsequenz und verzichtete auf sein Amt. Dass er nicht endgültig weg ist, könnte auch daran liegen, dass dies als Schuldeingeständnis gewertet werden könnte.

Endgültig zum Verhängnis geworden sind ihm E-Mails, die er und der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus austauschten. Sie zeichnen ein erschreckendes Bild des Verhältnisses zweier Duzfreunde, die ein ganz großes Ding gemeinsam durchziehen wollten. Bis ins letzte Detail weist Notheis, eigentlich nur Berater, seinen Parteikumpel an, was er zu tun und zu lassen hat. Inhalt und Diktion lassen kaum Zweifel daran, wer bei der Übernahme der EnBW-Anteile durch das Land Koch und Kellner, wer Steuermann und wer Beifahrer war.

Deal um jeden Preis

Alexander Dibelius Quelle: Laif

Dabei zeigt sich Notheis von einer Seite, die nur wenige kennen. Das ist nicht der nachdenkliche Weinkenner, der mit einem lateinischen Spruch Gelehrsamkeit zeigt, nicht der zuvorkommende Zuhörer von Welt, der beliebt sein wollte und sich zum abendlichen Gespräch mit Journalisten schon mal ein Fußballtrikot über Hemd und Krawatte streifte, wenn die Nationalelf kickte. Hier zeigt sich ein Mann, der nur ein Ziel kennt, der den Deal machen will, allein, unbedingt und um jeden Preis.

Widerstände überwinden

Kollegen aus der Branche reagieren peinlich berührt. Dass Notheis die persönliche Nähe zu Mappus nicht nur zur Anbahnung des Geschäfts genutzt hat, sondern es offenbar bis zum Schluss begleitete? "Sehr ungewöhnlich", heißt es bei einem Konkurrenten. Dass er nicht gemerkt hat, dass Mappus seine Kompetenzen überschreitet? "Ein schwerer Fehler", meint ein Banker. Dass er den Ministerpräsidenten überredete, nicht wie üblich eine zweite Meinung einzuholen? "Unverzeihlich." Und dass er all dies auch noch in E-Mails dokumentierte? Fast fassungsloses Kopfschütteln. Spätestens seit vor zwei Jahren interne Mitteilungen eines früheren Mitarbeiters von Goldman Sachs vor dem Platzen der US-Immobilienblase öffentlich wurden, sei die Branche vorsichtig geworden. "Er war sich einfach zu sicher", mutmaßt ein Banker.

Grundsätzliches Unverständnis für sein umtriebiges Agitieren gibt es unter Kollegen jedoch nicht. "Notheis hat sich konsequent verhalten", sagt ein Branchenkenner. "Investmentbanker gehen immer so weit, wie man sie lässt, und reißen möglichst viel an sich", ätzt ein früherer Mitarbeiter der Übernahmeabteilung eines großen Konzerns. "Es ist auch unsere Aufgabe, Widerstände zu überwinden", sagt ein führender Investmentbanker. Bedenken überlasse man den anderen.

Niemand in Deutschland beherrscht das Instrumentarium ähnlich perfekt wie der Deutschland-Chef von Goldman Sachs Alexander Dibelius.

Alexander Dibelius - Goldman Sachs

Der 52-Jährige ist ein lebender Mythos. Seit gut 15 Jahren gilt der frühere Herzchirurg als Paradetyp des fintenreichen und analysestarken Strategen. Selbst in einer Branche, in der ausgeprägter Ehrgeiz und Arbeitsdisziplin Einstellungsvoraussetzung sind, ragt Dibelius heraus. „Er hat von alledem noch mal eine Extradosis abbekommen“, sagt einer, der ihn gut kennt.

Ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte

Hinter Dibelius steht mit der US-Bank ein gewaltiges Räderwerk, eine Deal-Maschine aus weltweitem Wissen, Experten und Kontakten in die Finanz-, Unternehmens- und Politikwelt. Das verleiht Dibelius nicht nur zusätzliche Autorität, sondern flößt Finanzchefs auch Respekt ein. Oft, so heißt es, werde Goldman bei großen Übernahmen nur deshalb zu Rate gezogen, um die Bank nicht gegen sich zu haben.

Die Liste der Dibelius-Deals ist lang und liest sich wie ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte. Den Kauf von Chrysler durch Daimler etwa heckte er 1998 mit dem damaligen Chef Jürgen Schrempp aus. Und ohne Dibelius hätte der damalige Vodafone-Chef Chris Gent im Jahr 2000 die feindliche Übernahme von Mannesmann nicht gestemmt. Auf Schritt und Tritt begleitete der Deutsche den Chef des britischen Telekommunikationsriesen, öffnete Türen zu Landes- und Bundespolitikern aller großen Parteien und trug so dazu bei, dass der Widerstand gegen die Übernahme des traditionsreichen deutschen Konzerns verstummte. Selbst heimliche Treffen Gents mit Mannesmann-Aufsichtsräten arrangierte Dibelius damals. Sobald sich auch nur ein kleines Zeitfenster von 15 Minuten auftat, ließ er Gent einfliegen. Mitunter waren die Zusammenkünfte so kurzfristig, dass der Unternehmenschef morgens noch nicht wusste, wen er mittags auf Dibelius’ Geheiß treffen sollte.

Stets alles im Griff

Banker halten sich für überbezahlt
Leute zünden Kerzen in der St. Paul's Cathedral an. Quelle: Reuters
Ein Mann steckt einen Umschlag mit Geld ein.
Himbeerbonbons auf einem Rost.
Börsenhändler stoßen miteinander an. Quelle: dpa
Dagobert Duck betrachtet eine Münze durch eine Lupe. Quelle: DPA
Menschen laufen die Stufen in der Londoner Börse hoch und runter Quelle: REUTERS
Ein Mann hält ein Blatt in der Hand. Quelle: dapd

Nicht alle Geschäfte sind Erfolge. Die Chrysler-Fusion ist längst Geschichte und auch das Zusammenwirken mit dem früheren KarstadtQuelle-Chef Thomas Middelhoff bei seinen letztlich ruinösen Finanzmanövern rund um den Essener Handelskonzern ist für Goldman Sachs kein Ruhmesblatt.

Dem Ansehen des Superdealmakers hat dies keinen Abbruch getan. Der Freund schneller Autos gilt ungebrochen als erste Adresse. Dibelius ist ein Kontaktesammler, ein angenehmer und interessierter Gesprächspartner, der die Wichtigen der Welt auch gerne in seinen Häusern in München, Kitzbühel und Saint-Tropez empfängt. Dort bahnt er Geschäfte an, gibt Impulse und hat Ideen, auf die andere nicht kommen. Die Details überlässt er Untergebenen.

Ego-Giganten

Dass er seine Gesprächspartner nicht immer für ebenbürtig hält, lässt Dibelius nur selten durchscheinen. So auf einer Konferenz, bei der der Moderator ihn mit Plattitüden über die Moral der Finanzwelt so lange nervte, bis Dibelius ihn mit der Bemerkung zum Schweigen brachte, dass sich wohl schon klügere Leute über diese Themen Gedanken gemacht hätten. Mitunter gibt er sich sogar nachdenklich. So bemängelte er Ende 2010, dass Investmentbanker "ihre Parallelwelt" wohl zu wenig erklärt hätten.

Heimspiel für Deutsche Bank. Welche Banken bei Übernahmen in Deutschland das meiste Geschäft machen

Ob Dibelius oder Notheis: Wenn die Ego-Giganten bei milliardenschweren Übernahmeverhandlungen mitreißend durch die Unternehmen marschieren, profitieren sie vor allem von ihrem Mehr an Erfahrung. Während große Transaktionen für sie fast zum Alltag gehören, sind diese für Vorstände Extremsituationen, in denen das Schicksal ihres Unternehmens und die eigene Karriere auf dem Spiel stehen.

Obwohl Unternehmen wie Siemens längst eigene Übernahmeabteilungen aufgebaut haben, erwecken die Banker so den Eindruck der Unverzichtbarkeit. Nur sie, so der Anschein, wissen, wie Käufe in Russland funktionieren, nur sie können die Marktposition des Objekts der Begierde verlässlich einschätzen, nur sie wissen um die Stimmung der Investoren in Nahost. Sie allein können abschätzen, wie die Öffentlichkeit auf die Übernahme reagiert und welche Gefahren von Hedgefonds drohen, die sich womöglich einklinken.

Triebfeder ist das Bezahlmodell

So vermittelten die zackig auftretenden Finanzmanager "die Illusion, dass sie alles im Griff haben", sagt ein Anwalt. Haben sie ja auch. Sie empfehlen den Kunden, welcher Anwalt, welcher Steuerberater, welche PR-Agentur am besten für die Transaktion geeignet ist. Und wenn es Probleme gibt, ist stets der passende Ansprechpartner zur Hand. Als Beweis dient ein überbordendes Adressverzeichnis mit wichtigen Namen samt Handynummern.

Triebfeder allen Elans ist das Bezahlmodell der Branche, das den früheren Deutschland-Chef einer Investmentbank von einer "unheiligen Allianz mit den Unternehmen" sprechen lässt. Anders als Unternehmensberater und Rechtsanwälte berechnen Investmentbanker kaum Stundensätze. Geld fließt nur, wenn es einen Abschluss gibt, dafür dann aber umso mehr. Ein knappes Prozent des Kaufpreises ist als Honorar Standard, bis zu zwei Prozent sind möglich. Die 13 Millionen, die Morgan Stanley für den Fünf-Milliarden-Kauf der EnBW kassierte, waren demnach vergleichsweise wenig.

Großes Ego, großer Deal

Stephan Leithner Quelle: dpa

Mit nie nachlassendem Verve beackern die Investmentbanker ihre Kundschaft. Die wichtigen Industriesektoren haben sie ständig unter "Coverage", zu Deutsch: unter Beobachtung. In der Praxis bedeutet das: unter Dauerbeschuss. Auf Branchen spezialisierte Banker präsentieren „ihren“ Unternehmen immer neue Finanzprodukte und Finanzierungsstrategien, aber auch Ideen für mögliche Übernahmepartner. Die Bereitschaft der Gegenseite zum Verkauf haben sie oft schon vorab diskret erfragt. Etwa zweimal im Jahr darf der zuständige Investmentbanker beim Finanzchef vorsprechen.

Bei diesen Treffen schaukeln sich die Milliardenjongleure nicht selten mit ihren Gastgebern so lange hoch, bis waghalsige Pläne entstehen, die ganze Branchen erschüttern. "Die Unternehmen werden in Übernahmen getrieben, aber meistens nicht nur von den Bankern, sondern auch vom Ego der eigenen Manager", sagt ein Insider. Ist der Beschluss erst einmal gefasst, treten die Banker nur selten auf die Bremse, sondern leiten beflissentlich die nötigen Schritte ein.

In dieser Rolle agierten zum Beispiel Meryll Lynch und Morgan Stanley, als Porsche 2008 versuchte, VW zu übernehmen und am Ende scheiterte. Als Urheber der spektakulärsten Übernahmeschlacht der vergangenen Jahre sehen Branchenkenner zwar den früheren Porsche-Finanzchef Holger Härter. Die Finanzinstrumente, mit denen er bei der Annäherung an VW die Meldepflichten an der Börse umging, lieferte allerdings die Investmentbank Merrill Lynch. Als Porsche dabei fast an die Wand fuhr, kam wiederum Morgan-Stanley-Statthalter Notheis zum Zug. Im Juni 2009 entwickelte er für die Porsche-Eigentümer im Auftrag von VW den Rettungsplan mit dem Titel "Kooperationsmodell".

Wissen um das eigene Können

Ähnlich lief es wohl auch bei der feindlichen Übernahme des Autozulieferers Continental aus Hannover durch den nur halb so großen Kugel- und Wälzlagerhersteller Schaeffler aus Herzogenaurach. Auch hier war Merrill Lynch Blaupausenlieferant für die Übernahmestrategie und Vollstreckungsorgan für die notwendigen Transaktionen. Beim Übernahmeplan selbst dürfte der machtbewusste Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger der Hauptakteur gewesen sein – inspiriert durch die Porsche-VW-Aktion.

Bei Schaeffler agierte aber auch Goldman-Chef Dibelius als Oberversteher. An ihrem Urlaubsort Kitzbühel suchte er Marie-Elisabeth Schaeffler Ende 2009 eigens auf, um mit ihr die Platzierung einer Anleihe für die hoch verschuldete Conti zu verhandeln und stach damit in letzter Minute noch zwei eigentlich mit der Transaktion betraute Konkurrenten aus.

Stephan Leithner wirkt in dieser Welt der schnellen Schnitte mitunter fast wie ein Fremdling, aber das täuscht.

Stephan Leithner - Deutsche Bank

Der Österreicher tritt auf den ersten Blick bescheiden, bedächtig und unauffällig auf, aber natürlich weiß er, was er und nur er kann. Über die Jahre hat er im Dienste der Deutschen Bank die ganz großen Geschäfte vor allem in Deutschland gemacht. Er hat für Bayer in Leverkusen den Verkauf der Chemiesparte, heute Lanxess, organisiert und für Linde die Übernahme des britischen Konkurrenten BOC. Damit wurde der Münchner Gasehersteller zu einem der größten Anbieter der Welt. Auch die Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank hat er für seinen Arbeitgeber ausgehandelt. Seit knapp einem Monat zeigt er der Welt der Deals den Rücken und ist im neu aufgestellten Vorstand der Deutschen Bank für Recht, Personal und Europa-Geschäft zuständig.

Seltener Mut zum Nein

Die größten Profiteure von Fusionen
Platz 10: Leonardo & Co. (1,9 Milliarden US-Dollar)500 Meter vom Mailänder Scala-Theater liegt das Büro der Leonardo-Bank. In Mailand wurde das Kreditinstitut 1999 gegründet, heute ist sie in Deutschland die zehntgrößte Bank bei Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A) – zumindest gilt das für das erste Quartal 2012. Für diese Zeit ermittelte Thomson Reuters die führenden Geldhäuser bei Transaktionen. Dabei geht der Medienkonzern nach der Höhe des Transaktionsvolumens, das die Banken verschoben. Bei der Leonardo-Bank waren es im ersten Jahresviertel etwa 1,9 Milliarden US-Dollar in Deutschland. Im Vorjahreszeitraum landete die italienische Bank noch auf Platz 43 der Rangliste. Quelle: AP
Platz 9: Goldman Sachs (2,1 Milliarden US-Dollar)Das New Yorker Bankhaus Goldman Sachs landete mit seinen 2,1 Milliarden US-Dollar an betreutem Transaktionsvolumen auf Platz 9. Damit rutschte die Bank im Ranking zwei Plätze nach unten. Gemessen an den Aktienemissionen belegt Goldman Sachs laut Thomson Reuters in Deutschland jedoch Platz 1. Im ersten Quartal gab das Geldinstitut Aktienpakete im Wert von 1,4 Milliarden US-Dollar heraus. Quelle: REUTERS
Platz 8: Macquarie (3,5 Milliarden US-Dollar)Auch die Australier legten beim M&A-Ranking kräftig zu. Belegte die Investmentbank Macquarie im Vorjahreszeitraum noch Platz 43, hat sie sich im ersten Quartal auf Platz 8 vorgekämpft – mit einem Transaktionsvolumen von 3,5 Milliarden US-Dollar. Quelle: REUTERS
Platz 7: Lazard (3,5 Milliarden US-Dollar)Bruce Wasserstein, Vorstandsvorsitzender der New Yorker Investmentbank Lazard, hat wenig Grund, sich zu freuen. Sein Bankhaus belegte im Vorjahreszeitraum noch Platz 5. Mit einem Transaktionsvolumen von 3,5 Milliarden US-Dollar. Quelle: REUTERS
Platz 6: Citi (3,5 Milliarden US-Dollar)Die Citi Group hat sich vom elften auf den sechsten vorgekämpft. Sie begleitete im ersten Quartal 2012 Fusionen und Übernahmen im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar. Außerdem gab sie 217 Millionen Dollar an Aktien, sowie 5,5 Milliarden an Anleihen heraus. Quelle: dapd
Platz 5: Nordea (3,5 Milliarden US-Dollar)Das Kreditinstitut von Christian Clausen (Foto), Vorstandsvorsitzender der schwedischen Nordea-Bank, feiert Premiere in der Thomson-Reuters-Studie – und das gleich auf Platz 5. Die skandinavische Bank begleitete, wie die Häuser auf den drei vorherigen Plätzen auch, Übernahmen und Fusionen im Wert von 3,5 Milliarden Dollar. Quelle: REUTERS
Platz 4: JP Morgan Chase & Co. (4,3 Milliarden US-Dollar)4,3 Milliarden Dollar an Transaktionen betreute das New Yorker Bankhaus JP Morgan Chase im ersten Quartal. Damit kann sie aber nicht an ihre Form des ersten Quartals des Vorjahres anknüpfen. belegte sie damals noch den zweiten Platz, reicht es diesmal nur für Platz 4. Allerdings glänzt sie bei den Investment-Banking-Gebühren. Mit 57 Millionen Dollar nahm sie laut Thomson Reuters so viel wie keine andere Bank in Deutschland ein – und stieß damit die Deutsche Bank vom Thron. Quelle: AP

Leithner kam als Fusionsspezialist von der Unternehmensberatung McKinsey, aber über die Jahre hat er sich einen Ruf als Meister des Kapitalmarkts erworben, der die Reaktionen der Investoren in jede Entscheidung einfließen lässt und den auch die Platzierung einer Milliardenanleihe mit Stolz erfüllt. Er genießt das Vertrauen von Unternehmenschefs, weil er den Ruf hat, als einer der wenigen auch mal von einer Transaktion abzuraten.

So war es letztlich wohl auch beim geplatzten Börsengang des Chemiekonzerns Evonik. Dennoch sorgt das Agieren von Goldman Sachs und Deutscher Bank im Nachhinein für Verstimmung. Wie es im Umfeld des Haupteigentümers, der Essener RAG-Stiftung heißt, hatten die Banken zunächst einen Wert des Chemiekonzerns von 19 Milliarden Euro vorgerechnet. Dafür seien eigens die Top-Investmentbanker Anshu Jain und Lloyd Blankfein angereist. Als die Eigner die Absicht zum Gang aufs Parkett ("Intention to Float") schon verkündet hatten, hätten die Banken das Unternehmen mit nur zwölf Milliarden Euro bewertet. Dennoch hofften sie zunächst wohl noch auf den für sie lohnenden Gang aufs Parkett. Dabei hätten sie, so heißt es bei der Stiftung, ihren eigenen Fonds empfohlen, die Aktie nicht zu zeichnen.

Persönliche Kontakte sind das Kapital des Bankers

Das große Fressen ist vorbei. Wert der Firmenübernahmen mit Beteiligung deutscher Unternehmen

Viele Aufträge für Investmentbanken werden wie andere Dienstleistungen auch ausgeschrieben. Dennoch sind persönliche Kontakte das eigentliche Kapital eines Bankers. Auch wenn die Zeiten, in denen sie gemeinsam mit Managern in Urlaub fuhren, vorbei sind, sind sie weiter stets auf der Hatz nach dem entscheidenden Wissensvorsprung. So berichtet ein Manager aus der Nahrungsindustrie, dass ihm nach seinem Ausscheiden Investmentbanker Tagessätze von bis zu 6000 Euro boten, um mehr Informationen über das Unternehmen und die eventuelle Verkaufsbereitschaft seiner Eigentümer zu erhalten.

Ernst Fassbender hat es nicht mehr nötig, auf solche Methoden zuzugreifen.

Ernst Fassbender - Lazard

Der 53-jährige Top-Manager von Lazard gehört zur ersten Generation deutscher Fusionsspezialisten. Bei der Deutschen Bank wirkte er Ende der Neunzigerjahre bei der ersten feindlichen Übernahme, dem Kauf von Thyssen durch Krupp, mit. Noch weniger als andere tritt er in der Öffentlichkeit auf. Zart besaitet ist er deshalb nicht. Gegen große Widerstände boxte er etwa die feindliche Übernahme von Hochtief durch den spanischen Konkurrenten ACS durch. Lazard zählt wie der Konkurrent Rothschild zu den wenigen Instituten, die sich nahezu ausschließlich auf die Beratung ihrer Kunden konzentrieren und mit diesen keine Kreditbeziehungen unterhalten. Das soll Unabhängigkeit garantieren und Interessenkonflikte verhindern.

Straff, blond und wohltätig

Die ältesten Geldhäuser der Welt
10. Bank of New York Mellon, 1784 gegründetNachdem Alexander Hamilton an der Verfassung die Vereinigten Staaten mitschrieb, gründete er die Bank of New York. Es war das erste Unternehmen, das im New York Stock Exchange gelistet wurde. Der Börsenindex wurde 1792 ins Leben gerufen. 2007 wurde das Traditionsinstitut schließlich von der Mellon Financial Corporation übernommen - es entstand die heutige Bank of New York Mellon. Quelle: AP
9. Halifax Bank of Scottland, 1695 gegründetDen Schotten wird bekannterweise ein gutes Händchen für Geld zugeschrieben. Die Bank of Scottland dürfte ihren Beitrag dazu geleistet haben. Während die Bank of England vor allem dem Staat finanziell unter die Arme greifen sollte, war die Bank of Scottland überwiegend für Betriebe und Geschäft da. Es ist die älteste existierende Bank im Vereinigten Königreich. Aus der Fusion mit der Halifax Bank ging 2001 die Halifax Bank of Scottland hervor. Quelle: dpa-tmn
8. Bank of England, 1694 gegründetAuch ein Schotte soll die Idee zur Gründung der englischen Zentralbank gehabt haben. Die Bank verhalf dem Vereinigten Königreich zum Aufstieg der führenden Seemächte im 18. und 19. Jahrhundert. Es ist nach der schwedischen Riksbank die zweitälteste Zentralbank der Welt. Quelle: dapd
7. Coutts & Co, 1692 gegründetDer Gründer und Schmied John Campbell of Lundie versorgte seine schottischen Landsleute in London mit Silbertellern und Juwellen. Nebenbei kümmerte er sich auch um das Finanzgeschäft seiner Kunden. Seitdem ist das Kerngeschäft die private Vermögensberatung. Im Jahr 2000 ging die Bank in den Besitz der Royal Bank of Scottland über und gehört zum Bereich Privatgeschäft der RBS Group. Quelle: dpa
6. Barclays Bank, 1690 gegründetDie heute drittgrößte Bank Großbritanniens wurde von Quäkern gegründet. 1967 stellte sie den ersten Geldautomat der Welt auf. Quelle: dpa
5. C. Hoare & Co., 1672 gegründetEs ist die letzte Privatbank aus der Riege der Institute, die im 17. und 18. Jahrhundert gegründet wurden. Das Geldhaus wird heute noch von einem der Nachfahren von Sir Richard Hoare geführt. Seit 1690 befinden sich die Räumlichkeiten der Bank in der Fleet Street und damit im Herzen der City of London - british tradition at its best. Quelle: Screenshot
4. Sveriges Riksbank, 1668 gegründetDas Gebäude sieht modern aus, doch der Schein trügt. Die schwedische Zentralbank ist die älteste Zentralbank der Welt. Erst 1904 erhielt sie das Monopol fürs Gelddrucken, seit 1999 ist sie im Bereich der Geldpolitik völlig unabhängig. Quelle: Presse

Zu den Top-Einflüsterern zählt auch wieder Stefan Jentzsch. Der ehemalige Vorstand der HypoVereinsbank hat ein erstaunliches Comeback hingelegt.

Stefan Jentzsch - Perella Weinberg

Denn als Chef der Investmentbank Dresdner Kleinwort galt er als mitverantwortlich für die Milliardenverluste der Tochtergesellschaft der Frankfurter Bank. Bei Perella Weinberg hat er ein neues Betätigungsfeld gefunden, gute Kontakte überleben offenbar auch Pleiten und Pannen.

Blond, straff und wohltätig

Wer wen wie gut kennt, bleibt aber diskret. Die teilweise Abkopplung zeigt sich auch in deren spärlichen Privatleben. Bevorzugte Wohnorte und Fluchtburgen sind Taunusstädtchen wie Kronberg, an dessen Ortseinfahrt kein Aldi, sondern der Biomarkt Tegut für die Nahrungsmittelversorgung sorgt. Vor den mit mannshohen Stahltoren bewehrten Einfahrten zu den Villengrundstücken parken Autos wie Panzer, an den Briefkästen stehen Initialen. Die Gattinnen heißen bei den nicht ganz so reichen Frankfurtern "Taunus-Mamis". Blond und straff, trotz drei, vier oder fünf Kindern, joggen sie über die Wege, engagieren sich wohltätig oder besuchen Vernissagen. Auf welchem Kontinent sich der Gatte gerade befindet, wissen sie dabei nicht, spielt aber auch keine Rolle.

Man bleibt unter sich, trifft sich zum Golf und zum Grillen, macht sich gemeinsam Sorgen um den Euro – und muss immer neu entscheiden, was Freundschaft und was bloße Kontaktpflege ist.

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