In London geht das meistens ruckzuck, oft müssen Banker noch am Tag ihrer Kündigung den Arbeitsplatz räumen. In Frankfurt läuft es etwas humaner ab, trotzdem ist der persönliche Umbruch nicht weniger gravierend. „Erst mal viel Sport machen und die Zukunft mit der Familie besprechen“, sagt ein Frankfurter Banker, dessen Abteilung gerade einer Umstrukturierung zum Opfer fällt. Immerhin hat er schon aussichtsreiche Gespräche mit einem Finanzinvestor geführt.
Damit ist er eine Ausnahme: Wer draußen ist, findet derzeit nur schwer wieder hinein. „Die Aufnahmekapazität ist begrenzt, die Banken fahren auf Sicht. Es gibt in der Branche immer noch massive Überkapazitäten“, sagt der Frankfurter Personalberater Andreas Halin. Zwar würden US-Institute durchaus einstellen, das gelte aber nur für besonders profilierte Finanzfachkräfte. Die gingen derzeit auch dann, wenn der Verdienst nicht signifikant steigt. „Der Wechsel zu einem stabileren Institut ist ein wichtiges qualitatives Upgrade“, sagt Halin. Da es an Alternativen fehlt, nehmen die Banker auch Kürzungen hin. Bei der Deutschen gingen die Boni zuletzt um 17 Prozent zurück.
Angesichts der allgemeinen Trübsal suchen sich selbst erfahrene Banker neue Aufgaben außerhalb ihrer Branche. Manche fangen bei Neugründungen an. Anshu Jain berät ein Finanz-Start-up im Silicon Valley, und mit 52 Jahren startet auch Richard Ricci noch einmal durch. Der Amerikaner, der im April 2013 die Leitung der Investmentbank der britischen Großbank Barclays abgab, hat in ein Fintech namens freemarketFX investiert und die Rolle des Aufsichtsratschefs übernommen. Vollzeitjobs sind das nicht. Ricci hat viel Zeit für seine große Leidenschaft Pferderennen, beim Festival von Cheltenham in der vorvergangenen Woche trat der Besitzer edler Vollblüter selbstbewusst im dreiteiligen Tweed-Anzug auf.
Letzte Ausfahrt Fintech
Im 42. Stock des Wolkenkratzers One Canada Square mitten in Londons Finanzviertel Canary Wharf schlägt Nikolay Storonsky die Beine in den am Knie modisch zerfetzten Jeans lässig übereinander und streicht die dunkelblonden, kinnlangen Haare hinters Ohr. Der 31-Jährige kommt gerade von Verhandlungen mit potenziellen Investoren, doch angespannt wirkt der Chef des Fintech-Start-ups Revolut nicht. „Unsere Vision ist es, ein Zahlungssystem aufzubauen, das so groß ist wie PayPal“, sagt der Russe. Aktuell beschäftigt Revolut 30 Mitarbeiter und bietet in 90 verschiedenen Währungen Wechselkurstransaktionen inklusive Umtausch zu offiziellen Interbankkursen an – ohne Gebühr. Geld verdient das Unternehmen, indem es bei Händlern und Restaurants abkassiert – in Europa etwa 0,2 Prozent des Transaktionswerts.
2006 hatte Storonsky bei Lehman Brothers angefangen, bei der Credit Suisse stieg er als Händler für Aktienderivate auf. „Nach der Krise wurden die Banken, wie andere Großunternehmen, sehr hierarchisch und unfair zu jungen Leuten wie mir, die schließlich das ganze Geld machten“, erläutert er seinen Abschied von der Branche. „Plötzlich ging es hauptsächlich um Regeln, viel zu viele Manager unterdrückten mein kreatives Potenzial.“
Storonsky hat große Träume, in Europas Banken gibt es keinen Platz dafür, dort werden Sparzwang und immer neue Vorgaben den Alltag prägen. Es ist ein langer Weg in eine bescheidenere Zukunft, es geht weniger um das, was kommt, und mehr um das, was bleibt. Dass überhaupt etwas bleibt.